Leichtbau löst schwere Aufgaben
Industrielle Gemeinschaftsforschung steigert Anwendungspotenzial innovativer metallischer Werkstoffe
Das Ziel maximaler Energie- und Rohstoffeinsparung führte in den letzten Jahren zur stetig wachsenden Nachfrage nach neuen, kostengünstigen Leichtbaukonzepten, beispielsweise in der Transport- oder in der Luft- und Raumfahrtindustrie. Dort werden auch erhöhte Anforderungen an die Passagiersicherheit und an den Einsatz neuer, recyclingfreundlicher Konstruktionswerkstoffe gestellt. Mit Metallschäumen und Werkstoffen aus intermetallischen Verbindungen stehen neue Materialklassen zur Verfügung, die diesen Bedingungen gerecht werden. Sie verbinden hohe Festigkeit mit geringem Gewicht. Dies erlaubt, Bauteile kleiner und leichter zu dimensionieren und somit Energie und Ressourcen einzusparen. Wegen der geringen Massenträgheit sind die Materialien vor allem für bewegte Bauteile geeignet. Werkstoffwissenschaftler der Technischen Hochschule Aachen, unterstützt durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ (AiF), eröffnen den innovativen Materialien mit neuen Verarbeitungsverfahren breite industrielle Einsatzmöglichkeiten.
Wie Knochen sind Metallschäume porös und können wegen ihrer niedrigen Dichte sogar in Wasser schwimmen. Je nach Herstellungsverfahren liegt sie bei zwei bis 35 Prozent des Vollmaterials. Konzentrierten sich die Forschungsaktivitäten im Hinblick auf metallische Schäume zunächst auf die Herstellungsprozesse und die dabei erzielbaren Eigenschaften solcher Schäume, so rücken gegenwärtig Forderungen der Praxis nach besseren Oberflächengüten und Funktionsschichten in den Vordergrund, denn nur sie können den wirtschaftlichen Nutzen des innovativen Materials sicherstellen. Um die Metallschäume durch eine geschlossene glatte und feste Oberfläche zu veredeln, haben die Aachener Forscher das thermische Spritzen optimiert: Das Beschichtungsmaterial in Draht- oder Pulverform wird über einem Lichtbogen aufgeschmolzen und mittels Gasstrom in gewünschter Schichtstärke auf die Oberfläche des Schaums gespritzt. Der Schaum selbst wird dabei nicht erhitzt und behält seine zellulare Struktur. Beschichtete Aluminiumschäume erwiesen sich als besonders verschleißfest und korrosionsbeständig.
Neben den Metallschäumen gewinnen auch die Intermetallics zunehmend an Bedeutung. Sie eignen sich überall dort, wo die mechanischen Belastungen gewichtsabhängig sind und gleichzeitig hohe Einsatztemperaturen auftreten. Besonders Nickel- und Titan-Aluminide (NiAl und Ni3Al sowie TiAl und Ti3Al) werden als aussichtsreiche Kandidaten für zukünftige Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt sowie im Automobilbau angesehen. Beispiele sind rotierende Laufschaufeln in Land- und Flugturbinen oder Turbolader im Automobilbau. Da die Werkstoffe bei Raumtemperatur sehr spröde und damit schwer zu verarbeiten sind, dienen sie in erster Linie als Funktionsträger in Form kleiner Formteile, die mit anderen metallischen Werkstoffen zu einem größeren Bauteil verbunden werden müssen. Eine geeignete Fügetechnik ist somit unabdingbar, um den industriellen Einsatz zu gewährleisten.
Unter den Fügeverfahren, die Metallschäume und Intermetallics in Gesamtbauteile einbinden können, haben sich moderne Lötverfahren als viel versprechend erwiesen. Das Hochtemperaturlöten im Vakuumofen und das Induktionslöten unter Schutzgasatmosphäre stellen Verfahren dar, die den Anforderungen der Grundmaterialien gerecht werden und beispielsweise Gefügeänderungen der Grundwerkstoffe durch zu starke Wärmeeinbringung während des Fügeprozesses verhindern. Die Prozesstemperaturen dieser Lötverfahren sind vergleichsweise gering und insbesondere beim Induktionslöten werden die Bauteile nur lokal aufgeheizt, was den Wärmeeintrag insgesamt reduziert. Alles in allem erlauben Lötverfahren die Herstellung qualitativ hochwertiger Verbindungen mit hoher Fügefestigkeit und bieten sowohl für Metallschäume als auch für Intermetallics zukunftsweisende Lösungsansätze.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Erich Lugscheider, Lehr- und Forschungsgebiet Werkstoffwissenschaften der RWTH Aachen, Tel.: 0241 16602-0, E-Mail: lugscheider@msiww.rwth-aachen.de
Pressearbeit: AiF, Silvia Behr, E-Mail: presse@aif.de, Tel.: 0221 37680-55
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften
Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.
Neueste Beiträge
Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen
Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…
Organoide, Innovation und Hoffnung
Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…
Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis
Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…