Schlaue Baustoffe nehmen Schmutz auf und waschen ihn weg
Ein europäisches Konsortium aus Privatunternehmen, Forschungseinrichtungen und der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Europäischen Kommission führt ein Programm zur Untersuchung innovativer Baustoffe durch, die beim Kampf gegen die Luftverschmutzung helfen sollen. Die „schlauen“ Baustoffe (Putz, Mörtel, Baubeton und Anstriche) werden im Rahmen des Projekts PICADA (Photo-catalytic Innovative Coverings Applications for De-pollution Assessment – Bewertung der Reinigungswirkung von Anwendungen innovativer fotokatalytischer Deckschichten) entwickelt. Spezielle Baustoffe und Beschichtungen, die Titandioxid (TiO2) enthalten, können organische und anorganische Luftschadstoffe „einfangen“ und „verzehren“, nachdem sie ultravioletten und/oder Sonnenstrahlen ausgesetzt wurden. Die „abgebauten“ Schadstoffe können dann vom Regen weggewaschen werden. Die neuen Baustoffe sollten helfen, die Konzentration von Stickoxiden (NOx-Gase), die Atemprobleme verursachen und die Smogbildung auslösen, sowie von anderen Giftstoffen wie Benzol zu verringern. Das Gesamtprojekt wird 3,4 Millionen Euro kosten, wovon die Europäische Kommission bis zu 1,9 Millionen Euro trägt.
„Schlaue Beschichtungen können zu einer Revolution führen, nicht nur bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung, sondern auch bei der Lösung des hartnäckigen Problems ‚städtischer Smog’ durch Architekten und Stadtplaner“, erklärte der Europäische Forschungskommissar Philippe Busquin. „Das PICADA-Projekt ist eng mit dem Auftrag unseres Programms verknüpft, für wettbewerbsfähiges und nachhaltiges Wachstum zu sorgen, und fördert eine intensive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen europäischen Unternehmen.“
Der Beitrag der Europäischen Kommission
Verschiedene Arten schlauer Baustoffe wurden unter Versuchsbedingungen in Bezug auf Feuchtigkeit, Temperatur und ultraviolette Strahlung im INDOORTRON der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Kommission in Ispra (Italien) geprüft, wobei ein wirklichkeitsnahes Umfeld simuliert wurde. NOx-Gase und organische Verbindungen diffundieren durch die poröse Oberfläche und heften sich an die Titandioxid-Nanopartikel der Baustoffe und Beschichtungen. Die Aufnahme von UV-Licht durch das eingeschlossene TiO2 führt zu seiner „Fotoaktivierung“ und dem nachfolgenden Abbau der an die Partikel gehefteten Schadstoffe. Die dabei erzeugten säurehaltigen Produkte werden vom Regen weggewaschen und/oder durch das in den Baustoffen enthaltene alkalische Kalziumkarbonat neutralisiert.
Nachweis des Zukunftspotenzials
Die von dem Konsortium entwickelten innovative Stoffe müssen noch unter anderen Bedingungen geprüft werden, als sie im Labor herrschen. Doch zeigen erste Feldversuche mit ähnlichen fotokatalytischen Stoffen, dass die Luftqualität wesentlich verbessert werden kann. Im Jahre 2002 wurden 7000 Quadratmeter Straßenoberfläche in Mailand mit einem fotokatalytischen zementartigen Stoff bedeckt, worauf sich die Konzentration von Stickoxiden auf Straßenhöhe um 60 % verringerte.
Ähnliche Maßnahmen in Japan unter Verwendung fotokatalytischer Zemente und Pflastersteine führten zu einem deutlichen Rückgang der Luftverschmutzung. Beschichtungen auf der Grundlage von Titandioxid sind besser, weil sie eine sehr viel größere Oberfläche abdecken können als Zement, da Gebäude und Straßenmobiliar mit ihnen bedeckt oder gestrichen werden können.
Erfolge, wo andere Beschichtungen versagten
Für die reinigenden Eigenschaften dieser Stoffe ist das halbleitende fotokatalytische Titandioxid (TiO2) verantwortlich. Die enthaltenden Beschichtungen wirken, weil Luftwirbel ständig NOx und andere flüchtige und halbflüchtige Verbindungen über die Oberfläche der Gebäude treiben; die Moleküle haften lange genug an der Oberfläche, so dass der Oxidationsprozess sie abbauen kann.
Das laufende PICADA-Projekt
Das PICADA-Projekt lief am 1. Januar 2002 an und wird 2005 enden.
Seine Hauptziele sind folgende:
- Besseres Verständnis der chemischen Prozesse und Abläufe
- Bewertung der Kosten und der Dauerhaftigkeit der Beschichtungen
- Produktentwicklung und -vermarktung
Derzeit werden im INDOORTRON mehrere fotokatalytische Prozesse untersucht, bei denen die neuen Stoffe und Beschichtungen zum Einsatz kommen. Hier werden die europäischen Wissenschaftler messen, wie effizient die Beschichtungen Schadstoffmischungen (NOx und aromatische Verbindungen) abbauen können, die stark zur Smogbildung beitragen.
Kampf gegen NOx-Gase und Innenraum-Luftschadstoffe
Diese neuen Baustoffe und Beschichtungen werden der EU entscheidend dabei helfen, ihr Ziel einer Verringerung der NOx-Konzentration auf unter 21 ppb bis zum Jahr 2010 zu erreichen. Bis jetzt konzentrierten sich die europäischen Wissenschaftler auf die Entwicklung innovativer Stoffe für den Außenbereich. Künftig werden sie schwerpunktmäßig untersuchen, ob diese Produkte auch als reinigende Baustoffe und Beschichtungen in Innenräumen eingesetzt werden können.
Partnerfirma | Ansprechpartner | |
GTM Construction (Frankreich) | C. GOBIN | cgobin@gtm-construction.com |
CTG Italcementi (Italien) | L. BONAFOUS | l.bonafous@itcgr.net |
Millennium Chemicals (VK) | C. LEHAUT-BURNOUF | corinne.lehaut@millenniumchem.com |
Dansk Beton Teknik (Schweden-Dänemark) | A. HENRICHSEN | ah@dbt.dk |
CSTB (Frankreich) | R. COPE | cope@cstb.fr |
CNR ITC (Italien) | A. STRINI | alberto.strini@icite.mi.cnr.it |
NCSRD (Griechenland) | J. BARTZIS | bartzis@avra.ipta.demokritos.gr |
AUT/LHTEE (Griechenland) | N. MOUSSIOPOULOS P. LOUKA |
moussio@eng.auth.gr petroula@aix.meng.auth.gr |
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.picada-project.com/domino/SitePicada/Picada.nsf?OpenDataBaseAlle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften
Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.
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