Glasproduktion: Auf die Zähigkeit kommt es an
Freiburg – Die Heißformgebung von Glas hat eine jahrhundertealte Tradition. Produktionseffizienz und Qualitätssicherung werden aber noch heute erschwert, weil sie nach wie vor teilweise auf reinen Erfahrungswerten basieren. Das Klebeverhalten des Glases und seine Ursache ist ein Beispiel. Dieses Geheimnis hat Daniel Rieser jetzt gelüftet: Mit seiner Forschungsarbeit „zum Klebe- und Abriebverhalten von Formenwerkstoffen für die Heißformgebung von anorganischem Glas“ hat der 28jährige Physiker am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg den entscheidenden Parameter für das Kleben des Glases am Formwerkzeug festgemacht: seine Viskosität. Dafür erhielt der Doktorand im April 2004 den mit 1500 Euro dotierten Werkstoffmechanik-Preis 2004. Der von der Sinterstahl GmbH Füssen im Fraunhofer IWM gestiftete Preis prämiert Arbeiten von Nachwuchswissenschaftlern.
Seit Ende 2000 arbeitete Daniel Rieser im Rahmen seiner Doktorarbeit, an der Fakultät für Maschinenbau der Universität Karlsruhe, an der Frage, welches der entscheidende Parameter für das Klebeverhalten und die Stärke des Anhaftens des Glases sei. Dafür entwickelte er zunächst – immer mit Zielrichtung industrielle Produktion – eine Maschine, mit der sich für verschiedene Formenwerkstoffe bestimmen lässt, wie sie sich im Kontakt mit chemisch unterschiedlichen Glasarten verhalten. Sowohl das Kleben wie der Abrieb und das Verschleißverhalten lassen sich mit dem Laboraufbau quantitativ erfassen.
Frühere wissenschaftliche Arbeiten zur Bestimmung des Klebeverhaltens von Formenwerkstoffen und empirisch gewonnene Ergebnisse verschiedener Glashütten schienen bislang widersprüchlich. Nachwuchsforscher Rieser stellte nun fest, „dass ein Teil dieser Widersprüche darauf zurückzuführen ist, wann und vor allem wo die Temperatur-Messungen jeweils im Prozess durchgeführt wurden“. Seine Untersuchungen ergaben, dass zwar verschiedene Glas-Werkzeug-Kombinationen bei verschiedenen Temperaturen beginnen, aneinander zu kleben, dass jedoch die Glasviskosität jeweils dieselbe ist – unabhängig von Glasart und Formenwerkzeug.
Die Erkenntnisse aus Riesers Forschungsarbeit, zunächst ausgerichtet auf die Produktion von Hohlglas, sollen nun weiterentwickelt werden und auch in der Herstellung mikrostrukturierter Gläser und der Formgebung von Kunststoffen ihren Niederschlag finden. Die „hervorragende wissenschaftliche Leistung auf dem Gebiet der Werkstoffmechanik mit ihrem besonders innovativen Charakter“ lobte Laudator Dr. Lorenz Sigl anlässlich der Preisverleihung am Fraunhofer IWM in Freiburg. Der Leiter Vorentwicklung der Sinterstahl GmbH vertritt das stiftende Unternehmen im Kuratorium des Instituts. Sinterstahl, in Europa Marktführer bei gesinterten Teilen für Getriebe und Stoßdämpfer, hat seinen Sitz im bayrischen Füssen und gehört zum Plansee-Konzern. Im Stammwerk sowie an zwei Produktionsstandorten in Spanien und einem in USA sind mehr als 800 Mitarbeiter beschäftigt. Die Sinterstahl Gruppe ist mit 100 Millionen Euro Jahresumsatz der drittgrößte Unternehmensbereich von Plansee.
Daniel Rieser wird im Mai 2004 seine Doktorarbeit an der Universität Karlsruhe verteidigen. Nach seinem Physikstudium mit materialwissenschaftlichem Fokus an der Universität Freiburg und der Mitarbeit in der Entwicklungsabteilung des Automobilzulieferers Peguform, Bötzingen, war Rieser ans Fraunhofer IWM gekommen. Von der Niels-Bülow-Stiftung der Deutschen Glastechnischen Gesellschaft (DGG) erhielt der Doktorand ein dreijähriges Stipendium. Betreut wurde er von Professor Hermann Riedel, neben seiner Tätigkeit an der Universität Karlsruhe Geschäftsfeldleiter am Fraunhofer IWM in Freiburg, und Professor Peter Gumbsch, Leiter des Instituts für Zuverlässigkeit von Bauteilen und Systemen an der Universität Karlsruhe und des Fraunhofer IWM mit Institutsteilen in Freiburg und Halle.
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