Glasplättchen vom Zahn der Zeit zernagt

© Fraunhofer ISC - Besonders korrosionsanfällig ist das Sensorglas durch seinen hohen Gehalt an Calcium und Kalium. Der Block wird in dünne Scheibchen gesägt, poliert und in die Maske eingesetzt. Damit ist der Sensor im wesentlichen fertig.

Wie korrosiv eine Umgebung ist, erfassen dünne Plättchen aus Spezialglas in wenigen Wochen. Mit diesen Sensoren lässt sich im Freien Umwelt-Monitoring betreiben. In Innenräumen könnten empfindliche Produktionsprozesse wie etwa die Chipherstellung überwacht werden.


Wo rostet ein Jeep schneller – in der staubigen Sahara oder vor einem britischen Landsitz? Eine sehr einfache Quizfrage: Sicher das Auto im regenreichen England. Wie viel schneller es allerdings korrodiert, hängt nicht nur von der Niederschlagsmenge ab. Hinzu kommen Faktoren wie Luftfeuchte und Temperatur sowie gasförmige Schadstoffe, etwa Stickoxide und Schwefelverbindungen. Gewöhnlich werden all diese Parameter einzeln gemessen. Aussagen über korrosive Wirkungen sind dadurch schwer zu treffen, denn Korrosion wird vom Zusammenspiel aller variablen Faktoren beeinflusst. Mit wenige Zentimeter großen Plättchen aus Spezialglas lässt sich die komplexe Wirkung jedoch kalkulieren – und zwar ehe das Auto rostet. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC haben den Glassensor entwickelt und das Verfahren nach der deutschen VDI-Richtlinie 3955/2 validiert.

Die Plättchen bestehen aus besonders korrosionsempfindlichem, oberflächenpoliertem Glas. „An ihnen sehen wir Veränderungen, lange bevor die eigentlich gefährdeten Werk- und Wertstoffe angegriffen werden“, erklärt Hannelore Römich, Leiterin der Abteilung Kulturgüterschutz. In kleinen Haltern stellen die Forscher die Glassensoren am jeweiligen Ort auf. Nach einigen Wochen werten sie die Scheibchen mit Infrarotspektroskopie aus. Dadurch können sie quantifizieren, wie sich die Zusammensetzung des Glases verändert hat. Aus den Daten schließen sie, welche Schäden für andere anorganische Materialien wie Stein und Metall zu erwarten sind. Zudem lässt sich nachvollziehen, auf welche Schadstoffe die Korrosion zurückgeht. Unter dem Mikroskop sehen die Wissenschaftler, ob Mikroorganismen bei der Verwitterung eine Rolle spielen.

„An historischen Baudenkmälern, Kirchenfenstern und in Museen hat sich der Sensor bereits mehrfach bewährt“, fasst Hannelore Römich ihre Erfahrungen zusammen. „Die Glasplättchen trugen sehr dazu bei, die Bedingungen zum Erhalt der Kunstwerke zu verbessern.“ Vor kurzem haben die Forscher bei DaimlerChrysler in Sindelfingen überprüft, ob die Luft um den weltweit größten Produktionsstandort des Unternehmens zu korrosiv ist. Fehlanzeige, wie die Sensoren zeigten. Die Forscher sehen für ihren einfachen Test noch ein anderes Potenzial: So ließe sich damit etwa die Raumluft in der Chipherstellung kontrollieren, denn eine korrosive Atmosphäre schadet den empfindlichen Bauteilen. Für diese Anwendungen haben die Forscher die Empfindlichkeit des Sensors weiter verbessert. Mit speziellen Beschichtungen wird er drei- bis zehnmal sensitiver und damit schneller.

Ansprechpartner:

Dr. Hannelore Römich
Telefon: 0 93 42 / 92 21-7 03
Fax: 0 93 42 / 92 21-3 99
roemich@isc.fraunhofer.de

Dr. Peter Mottner
Telefon: 0 93 42 / 92 21-7 01
Fax: 0 93 42 / 92 21-7 99
peter.mottner@isc.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC
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Bronnbach 28
97877 Wertheim

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