Intelligente Membranen, maßgeschneiderte Moleküle
VolkswagenStiftung bewilligt rund 4,7 Millionen Euro für acht neue Vorhaben in den Materialwissenschaften
Materialien sollen leicht sein, Platz sparen, Umwelt und Energie schonen. Sie sollen optimale strukturelle und funktionelle Eigenschaften besitzen – sprich: Sie sollen möglichst viel können. Mit ihrer Förderinitiative „Komplexe Materialien: Verbundprojekte der Natur-, Ingenieur- und Biowissenschaften“ regt die VolkswagenStiftung Wissenschaftler an, die traditionellen Grenzen der Werkstoffdisziplinen zu überschreiten, von Erkenntnissen und Erfahrungen anderer Gebiete einschließlich der Biowissenschaften zu profitieren und Materialien zu entwickeln, die den sich verändernden Anforderungen gerecht werden. Für vier neue – die wir Ihnen im Folgenden kurz vorstellen – und vier Fortsetzungsvorhaben bewilligte die Stiftung jetzt rund 4,7 Millionen Euro:
1. 652.700 Euro für das Vorhaben „Switchable intelligent nanoporous mem-branes based on block copolymers“, das an der Universität Bayreuth bearbeitet wird von Professor Dr. Jürgen Köhler vom Lehrstuhl für Experimentalphysik IV, Professor Dr. Georg Krausch vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie II und Professor Dr. Axel Müller vom Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie II – sowie an der Universität Duisburg-Essen, Standort Essen, von Professor Dr. Mathias Ulbricht vom Lehrstuhl für Technische Chemie II.
2. 887.700 Euro für das Vorhaben „From molecule gated nanowires toward electron transport with single redox molecules“. Die beteiligten Wissenschaftler sind Privatdozent Dr. Thomas Wandlowski vom Forschungszentrum Jülich GmbH, Institut für Schichten und Grenzflächen ISG 3; Professor Dr. Marcel Mayor vom Department of Chemistry der Universität Basel/Schweiz; Professor Dr. Nongjian Tao vom Department of Electrical Engineering der Arizona State University, Tempe/USA – und Dr. Dirk Mayer, der ebenfalls am Forschungszentrum Jülich GmbH forscht, dort am Institut für Bio- und Chemosensoren ISG 2.
3. 760.400 EUR für das Vorhaben „Cluster-jet addressing of nano-particles to provide functional structures“. An der Universität Bochum sind Dr. Jan Meijer vom Zentralen Labor für Ionenstrahlen und radioaktive Nuklide und Dr. Dirk Reuter vom Lehrstuhl für Angewandte Festkörperphysik beteiligt. An der Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg, ist in das Projekt integriert Dr. Hartmut Wiggers vom Institut für Verbrennung & Gasdynamik, an der Universität Kassel Dr. Ivo Rangelow vom Institut für Technische Physik, AG Mikrostrukturierung.
4. 465.000 EUR für das Vorhaben „Learning from diatoms: new synthetic concepts for the formation of highly ordered silica structures at ambient conditions“. Die beteiligten Forscher sind Professorin Dr. Claudia Steinem vom Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensorik der Universität Regensburg, Professor Dr. Armin Geyer vom Fachbereich Chemie der Universität Marburg und Professor Dr. Manfred Sumper vom Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie der Universität Regensburg.
Es folgen Informationen zu diesen vier Kooperationsvorhaben; im Anschluss eine Kurzübersicht der weiteren neu bewilligten Projekte.
Zu 1: Intelligente Membranen
Natürliche Membranen haben eine faszinierende Eigenschaft: Sie lassen nur „ausgewählte“ Stoffe durch. Wie „Türsteher“ entscheiden molekulare Erkennungsmechanismen darüber, welche Stoffe passieren dürfen und welche nicht. Das Ziel der Arbeitsgruppen ist es, diese Fähigkeit natürlicher Membranen auf künstliche zu übertragen. Sie entwickeln dazu Membranen auf Polymerbasis mit Porengrößen zwischen zwei und 20 Nanometern, die sich von außen auf „Durchlass“ oder „Nichtdurchlass“ schalten lassen: etwa durch die Änderung der Temperatur, des pH-Werts oder auf Grund von Lichteinstrahlung. Bei der Herstellung profitieren die Wissenschaftler von den Selbstorganisationseigenschaften der so genannten binären und ternären Blockcopolymere. Sollten die Wissenschaftler Erfolg haben, eröffnen sich – vor allem im Vergleich zu anorganischen Membransystemen – ganz neue Möglichkeiten hinsichtlich Flexibilität und Durchlassvermögen.
Kontakte:
Universität Bayreuth
Experimentalphysik IV
Prof. Dr. Jürgen Köhler
Telefon: 09 21/55 – 4000
E-Mail: juergen.koehler@uni-bayreuth.de
Physikalische Chemie II
Prof. Dr. Georg Krausch
Telefon: 09 21/55 – 2750
E-Mail: georg.krausch@uni-bayreuth.de
Makromolekulare Chemie II
Prof. Dr. Axel Müller
Telefon: 09 21/55 – 3399
E-Mail: axel.mueller@uni-bayreuth.de
Universität Duisburg-Essen Standort Essen
Technische Chemie II
Prof. Dr. Mathias Ulbricht
Telefon: 02 01/1 83 – 3151
E-Mail: mathias.ulbricht@uni-essen.de
Zu 2: Elektronentransport mit einzelnen Molekülen
Ziel des deutsch-amerikanisch-schweizerischen Wissenschaftlerteams ist es, maßgeschneiderte Bio-Moleküle mit Metallelektroden zu verbinden, deren Abstand im Größenbereich einzelner Moleküle liegt. Wie lässt sich unter diesen – allein wegen der Größenordnung höchst komplizierten – Bedingungen eine funktionierende Kontaktierung realisieren? Wie kann man den Ladungstransport mit Hilfe einzelner Redox-Moleküle steuern? Diese Fragen zielen ins Herz des Forschungsthemas, nämlich auf die elektrischen Eigenschaften von anorganisch-molekularen Hybridstrukturen. Die Arbeitsgruppen, die in ihren jeweiligen Disziplinen über hervorragende Expertise verfügen, haben sich mit der Beantwortung dieser interdisziplinären Fragen ein ausgesprochen ehrgeiziges Ziel gesetzt. Um trotz vielfältiger Hürden verlässliche Ergebnisse für das noch junge Forschungsgebiet der molekularen Elektronik zu gewährleisten, werden sie ihr Thema von zwei verschiedenen Richtungen aus angehen. Ihr Projekt wird wichtige, neue Einblicke erlauben in chemische, physikalische und biologische Phänomene und in die Prozesse des Ladungstransports und der Selbstorganisation funktionaler Moleküle – und das im Größenbereich weniger Nanometer.
Kontakte:
Forschungszentrum Jülich GmbH
Priv.-Doz. Dr. Thomas Wandlowski
Telefon: 0 24 61/61 – 3462
E-Mail:Th.Wandlowski@fz-juelich.de
Dr. Dirk Mayer
Telefon: 0 24 61/61 – 4023
E-Mail: Dirk.Mayer@fz-juelich.de
Zu 3: Geschriebene Nanostrukturen
Die jungen Wissenschaftler dieses Forschungsverbunds wollen eine faszinierende neue Technik entwickeln, mit der sie auf Nanoskalen präzise strukturieren können. Das Besondere ihrer „Cluster-Jet“-Methode: Hier wird nicht chemisch, sondern rein physikalisch agiert – die Struktur wird mit Hilfe von Clustern gewissermaßen „geschrieben“. Nanopartikel haben besondere chemische und elektrische Eigenschaften und dienen deshalb als Grundlage völlig neuer elektronischer Bauelemente, katalytischer Systeme oder von Oberflächenbeschichtungen. Für viele Anwendungen in Nano-Dimensionen reicht eine selbst organisierende Abscheidung – meist aus einer flüssigen Phase – aus. Kommt es allerdings darauf an, einzelne Partikel in Größenordnungen kleiner als zehn Nanometer exakt zu positionieren, dann helfen die bislang zur Verfügung stehenden Methoden nicht weiter. Gerade diese Anforderungen aber stellen sich mit Blick auf Zukunftstechnologien wie Quanten-Punkte, Ein-Elektron-Transistoren oder Quanten-Computer: Hierfür sind Techniken zur exakten Platzierung einzelner Nanopartikel nicht verfügbar. An diesem Punkt soll die „Cluster-Jet“-Methode zum Einsatz kommen. Sie basiert auf einer Quelle, mit der Nanopartikel aus der Gasphase hergestellt werden. Ziel der Methode ist es, einzelne Partikel mit einer räumlichen Auflösung von zehn Nanometern oder darunter auf einer vorstrukturierten Substratoberfläche anzuordnen.
Kontakte:
Universität Bochum
Zentrales Labor für Ionenstrahlen und radioaktive Nuklide
Dr. Jan Meijer
Telefon: 02 34/3 22 – 4238
E-Mail: jan.meijer@ruhr-uni-bochum.de
Angewandte Festkörperphysik
Dr. Dirk Reuter
Telefon: 02 34/32 – 25864
E-Mail: dirk.reuter@ruhr-uni-bochum.de
Universität Duisburg-Essen Standort Duisburg
Institut für Verbrennung & Gasdynamik
Dr. Hartmut Wiggers
Telefon: 02 03/3 79 – 3156
E-Mail: hartmut.wiggers@uni-duisburg.de
Universität Kassel
Institut für Technische Physik
Dr. Ivo Rangelow
Telefon: 05 61/8 04 – 4507
E-Mail: rangelow@hrz.uni-kassel.de
Zu 4: Silica aus dem Reagenzglas
Die Siliziumdioxid-Zellwände von Kieselalgen sind ein herausragendes Beispiel nanostrukturierter Materialien in der Natur. Bisher haben Wissenschaftler vergeblich versucht, die Komplexität dieser hierarchisch aufgebauten Biomaterialien als ebenso perfektes künstliches System nachzustellen. Dieser Herausforderung nehmen sich die beteiligten Forscher jetzt an und bedienen sich dazu des natürlichen Prinzips der Abscheidung. Ihr Ziel ist es, solche Siliziumstrukturen sowohl zwei- als auch dreidimensional auf innovative Weise herzustellen: im Reagenzglas, unter Umgebungsbedingungen und auf kurzer Zeitskala. Als Grundlage dient ihnen das molekulare Verständnis des in der Natur verwirklichten Prinzips der Silikat-assoziierten Verbindungen. Um entsprechende Strukturen zu erhalten, müssen sie zwei Komponenten zusammenbringen: Die eine katalysiert die Siliziumdioxid-Fällung, die andere dirigiert die Siliziumdioxid-Struktur. Besonders attraktiv für künftige Anwendungen: die Synthese von Siliziumdioxid bei niedrigen Temperaturen.
Kontakte:
Universität Regensburg
Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensorik
Prof. Dr. Claudia Steinem
Telefon: 09 41/9 43 – 4547
E-Mail: claudia.steinem@chemie.uni-regensburg.de
Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie
Prof. Dr. Manfred Sumper
Telefon: 09 41/9 43 – 2833
E-Mail: manfred.sumper@vkl.uni-regensburg.de
Universität Marburg
Fachbereich Chemie
Prof. Dr. Armin Geyer
Telefon: 0 64 21/2 82 – 2030
E-Mail: geyer@staff.uni-marburg.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.volkswagenstiftung.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften
Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.
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