Die Straße im Labor – "300.000 km in einer Woche"
Fahrmanöver wie Kurvenfahren, Bremsen, Beschleunigen und Schlechtweg belasten ein Auto. Verschleiß und Ermüdung können die Folge sein. Damit kein Versagen des Bauteils auftreten kann, muss die Betriebsfestigkeit bei Neuentwicklungen z. B. für eine geforderte Laufleistung von 300 000 Kilometern – die angenommene Lebensdauer eines Autos – überprüft werden. Spezielle Prüfstände sind „Straßensimulatoren“, mit denen Achsen oder auch ganze Fahrzeuge geprüft werden. Finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 1,25 Millionen Mark, erwarb das Institut für Maschinelle Anlagentechnik und Betriebsfestigkeit der TU Clausthal (Prof. Dr.-Ing. Harald Zenner) einen neuen Achsprüfstand. Er ist an deutschen Universitäten einzigartig.
Wie kommt die „Straße ins Labor“ ? In sogenannten „Nachfahrversuchen“ werden die Belastungen auf das Fahrzeug auf dem Prüfstand experimentell simuliert. Die Belastungen entstehen während der Fahrt durch die im Radaufstandspunkt (Kontakt: Reifen – Fahrbahn) angreifenden Kräfte. Diese können in Fahrversuchen jedoch nicht direkt gemessen werden. Messtechnisch zugänglich sind nur die Antwortsignale dieser Kräfte und Momente im Radmittelpunkt mittels spezieller Messräder. Die Radbelastungen sind die „Antwort“ des schwingungsfähigen Systems (Fahrzeug) auf die einwirkende Straße. Die Antwortsignale sind abhängig von der Abstimmung des Fahrwerks wie der Federrate, der Dämpfung und der Massenverteilung infolge Zuladung.
Die am Messrad im Fahrversuch gemessenen Antwortsignale werden im Prüflabor reproduziert. Möglich wird dies durch Kenntnis des Übertragungsverhaltens ÜV des Schwingungssystems Prüfstand mit Fahrzeug. Das ÜV beschreibt das Verhältnis von Antwortsignal (hier: Messradsignal) zu Eingangssignal (hier: Prüfstandssteuersignal) im Frequenzbereich. Die „Kunst“ besteht darin, die richtigen Steuersignale zu erzeugen. Das ÜV kann durch geeignete Testsignale experimentell bestimmt werden (Systemidentifikation). Die Steuersignale ergeben sich aus X=ÜV-1·Y. Mit ihnen wird der Prüfstand zur „Straße im Labor“. Durch eine Überhöhung der Belastung und eine geeignete Kürzung der Antwortsignale (Omission), wird die Belastungsgeschichte eines Kunden-Fahrzeugs von z. B. 300.000 km in ca. 1 Woche realisiert.
Die Vorteile der Laborerprobung gegenüber Fahrversuchen sind u. a.
- Unabhängigkeit von Witterungseinflüssen
- Unabhängigkeit von Fahrereinflüssen
- Gute Reproduzierbarkeit
- Einfache Überwachung und Geheimhaltung
- Zeitersparnis durch 24h-Betrieb
- Möglichkeit der Manipulation des Prüfprogramms
- Bessere Inspektionsmöglichkeiten
- Keine Unfälle
Der Achsprüfstand ermöglicht die Simulation von 3 Kräften und einem Moment (Bremsen) pro Rad, also insgesamt 8 Kanäle. Jeder Kanal wird durch einen Hydraulikzylinder realisiert. Es können PKW-Hinter- oder Vorderachsen geprüft werden, Bild 1.
Während des Prüfzeitraumes kann sich das Übertragungsverhalten des Schwingungssystems Prüfstand – Fahrzeug verändern. Ziel eines aktuellen DFG-Forschungsvorhabens ist die Beurteilung des zeitvarianten Übertragungsverhaltens auf die Genauigkeit der Vorhersage der Lebensdauer von Bauteilen.
Weitere Informationen
Institut für Maschinelle Anlagentechnik und Betriebsfestigkeit
Dipl.-Ing. Heiko Mauch
Tel. 05323 72 28 21
Fax. 05323 72 22 35 16
E-Mail: Heiko.Mauch@IMAB.TU-Clausthal.de
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Weitere Informationen:
http://www.imab.tu-clausthal.de/Imab_Betriebsfestigkeit.htmAlle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften
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