Hoffnung für Bypass-Patienten
DBU-Projekt will „künstliches Gewebe“ umweltentlastend herstellen
Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle entwickelt hochreines Biopolymer als Basis für Operationsmaterial – 640.000 Euro Förderung
Bisher kennt man sie nur als kompostierbaren, aber teuren Ersatz herkömmlicher Kunststoffe. Doch das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle (UFZ) in Leipzig (Sachsen) will spezielle, von Bakterien erzeugte, umweltfreundliche Kunststoffe (Polymere) für den menschlichen Körper bald erstmalig auch als Implantat und Nahtmaterial nutzbar machen. „Die hervorragenden medizinischen Eigenschaften wurden bisher kaum berücksichtigt. Dabei haben Untersuchungen gezeigt, dass Biopolymere für den Menschen gut verträglich sind“, erläuterte Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Osnabrück. Da diese Polymere mindestens siebenmal so teuer seien wie herkömmliche Kunststoffe, hätten sie sich bisher nicht durchsetzen können. In der Medizin spielten die Kosten jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Zudem belaste das Herstellungsverfahren des UFZ die Umwelt weit weniger: So werde der Lösungsmittelverbrauch um 85 Prozent gesenkt, bei gleichzeitiger Steigerung der Produktreinheit. Die DBU fördert das Vorhaben mit 640.000 Euro.
Diese neuen Polymerwerkstoffe versprächen durch ihre besonders hohe Reinheit und ihre für den Menschen sehr gut verträgliche Struktur vor allem bei Bypass-Operationen schnelle Erfolge. Bypass-Patienten leiden unter einer krankhaften Verengung der Herzkranzgefäße, die auf Dauer das Herz schädigt. Um die Blutversorgung des Herzens wieder herzustellen, legt man mithilfe entnommener Bein- oder Bauchvenen eine „Umleitung“ um den Engpass. Etwa 70.000 Operationen dieser Art würden jährlich in Deutschland durchgeführt. Für diese Patienten, die nach dem Eingriff zunächst erheblich geschwächt seien, könne der Einsatz der neuen Materialien den Gesundungsprozess beschleunigen: „Aus hochreinen Polymeren hergestellte sogenannte Coronar Stents könnten wie eine stabilisierende Hülle um die Nahtstellen gelegt werden und damit die Wunde schützen“, erläuterte Brickwedde. Der menschliche Körper baue diese nach und nach ohne Nebenwirkungen ab.
Bisherige Ersatzstoffe aus anderen Materialien hätten sich gerade bei diesem Abbauprozess als schwer verträglich herausgestellt, da z.B. entstehende Milchsäure die Heilung verzögert habe. Beim Abbau dieses speziellen Biopolymers hingegen entstehe die für den Menschen ohne Probleme verträgliche Buttersäure. Doch nicht nur Bypass-Patienten könnten durch das Projekt der UFZ auf beschleunigte Heilung hoffen: „Bestehen die Polymere den Praxistest erfolgreich, ist eine Anwendung für alle Weichgewebe denkbar“, sagte Brickwedde. So seien auch sogenannte „Hautaufwuchssysteme“ für Diabetiker und Verbrennungsopfer geplant. 2,5 Millionen Diabetiker in Deutschland litten unter schmerzhaften Geschwüren („offene Beine“), in Europa müssten sich jährlich 60.000 von ihnen sogar einer Amputation unterziehen. Für sie könnten die hochwertigen Polymerwerkstoffe eine Chance zur Heilung bedeuten.
Bisher habe man die notwendige Stoffreinheit nur durch ein aufwändiges Verfahren erreicht, bei dem für die Herstellung von einem Kilogramm Werkstoff etwa 850 Liter Lösungsmittel verbraucht worden seien. Um eine höhere Reinheit und geringere Umweltbelastung zu erreichen, setze das UFZ spezielle, patentierte Bakterien ein. Ein ebenfalls bereits patentiertes Verfahren erlaube es, den Lösungsmittelverbrauch auf 120 Liter pro Kilogramm zu senken – bei gleichzeitiger Steigerung der Ausbeute um 300 Prozent. Den gewonnenen Werkstoff (eingetragener Markenname METHANOMER) wolle das UFZ nun zu einem Produkt für medizinische Anwendungen verbessern. Dabei solle er so weit veredelt werden, dass er sich als flexibler biomedizinischer Werkstoff für eine breite Anwendungspalette bei Implantaten eigne.
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