Es wird heiß: Forschen bei 2000°C

Der Hochtemperaturofen wird für Forschungszwecke genutzt.
Bild: Samet Kurt / Universität Augsburg

Ein neuer Hochtemperaturofen ermöglicht es, im KI-Produktionsnetzwerk an der Universität Augsburg faserverstärkte keramische Verbundwerkstoffen für Luft- und Raumfahrt zu erforschen.

Rot glühen Hitzeschilde von Raumfähren beim Wiedereintritt in die Atmosphäre. Obwohl enorme Kräfte und Temperaturen wirken, geschieht nichts, denn: Sie bestehen aus keramischen Verbundwerkstoffen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Augsburg forschen im Rahmen des KI-Produktionsnetzwerks im Bereich „Generative Designmethoden und Werkstoffentwicklung“, wie diese Materialien entstehen und verbessern sie. Seit kurzem ergänzt ein besonderer Hochtemperaturofen die Laborausstattung. Er ermöglicht einzigartige Einblicke in die Herstellung keramischer Verbundwerkstoffe.

Der Ofen

Der Hochtemperaturofen, der das Team rund um Prof. Dr. Dietmar Koch (Leiter des Lehrstuhls für Materials Engineering an der Universität Augsburg, Direktoriumsmitglied KI-Produktionsnetzwerk) unterstützt, erlaubt den Forschenden im Bereich der keramischen Verbundwerkstoffe den dafür nötigen Vorgang der thermischen Hochtemperaturbehandlung genau zu untersuchen. Im Unterschied zu handelsüblichen Backöfen wird das Gerät bis zu 2000°C heiß. Bei einem Hochtemperaturvorgang ist er mit Schutzgasen wie Stickstoff oder Argon gefüllt, damit Sauerstoff – ein hoch reaktives Gas – nicht Teil der chemischen Reaktion wird. Was ihn zudem besonders macht, sind seine Messsysteme, die es ermöglichen, jeden Schritt der Herstellung keramischer Verbundwerkstoffe mitzuverfolgen:

Keramische Verbundwerkstoffe

„Unser Ausgangsmaterial sind polymere Faserverbundwerkstoffe“, erklärt Professor Koch. Dabei handelt es sich um Verstärkungsfasern aus Kohlenstoff oder um keramische SiC Fasern, die in einer Matrix – in diesem Fall ein Polymer, also einem Kunststoff − eingebettet und damit verbunden sind. Diese werden in dem Hochtemperaturofen mit Wärme behandelt, von dem Polymer bleibt eine poröse Kohlenstoffstruktur zurück. „Im Ofen schmelzen wir anschließend Silicium und geben die poröse Kohlenstoffstruktur hinein. Diesen Prozess nennt man Silicierung“, erläutert Koch. Dabei entsteht Siliciumcarbid, eine keramische Matrix, die gemeinsam mit den Verstärkungsfasern einen keramischen Verbundwerkstoff bildet. Er hält extrem hohen Temperaturen stand, ist leicht und weist hervorragende mechanische Eigenschaften auf – zum Beispiel ein schadenstolerantes Verhalten. Das bedeutet, dass keramische Verbundwerkstoffe nicht so leicht zerspringen wie der Porzellanteller zuhause. Grund hierfür sind die enthaltenen Fasern, die die Energie eines Schlages auffangen. Insgesamt macht all dies die Verbundkeramiken interessant für Luft- und Raumfahrt.

„Wir wollen verstehen, wie sich das Material verändert und welche Parameter wichtig sind, um gute Bauteileigenschaften zu erhalten“, erklärt Koch weiter. Deshalb ist beispielsweise eine Wärmebildkamera integriert, welche die Temperaturverteilung auf der gesamten Oberfläche des Werkstücks anzeigt sowie ein Pyrometer, das punktuell und exakt die Temperatur feststellt. Ein Infrarotspektrometer erlaubt es, austretende Gase zu erkennen und zu analysieren, während eine Waage Masseänderungen – sei es Abnahme durch entweichende Gase oder Zunahme bei der Silicierung – im Auge behält. Und auch die Änderung der Probengeometrie, also grob gesagt des „Aussehens“ eines Werkstücks, wird mitverfolgt.

Digitaler Zwilling

Um die entscheidenden Parameter aus der Datenmenge herauszufiltern, erhalten die Forschenden Unterstützung von einer KI, denn: „Wenn ein Experiment eine hohe Festigkeit zum Ergebnis hat und man diesen Zustand wünschenswert findet, dann interessiert uns, welche Umstände hierzu geführt haben. Die Temperatur? Die Länge des Hochtemperaturvorgangs? Die Möglichkeiten sind vielfältig“, konkretisiert Koch. Deshalb werden alle Daten aus dem Prozess sowie aus der Überwachung des Werkstückes dazu verwendet, im Bereich „Digitale Zwillinge für Produkt, Werkstoff, Prozess und Produktionsnetzwerk“ des KI-Produktionsnetzwerks einen „digitalen Zwilling“ von ihm abzubilden. Dieser „virtuelle Ofen“ kann alle Möglichkeiten durchprobieren und entsprechende Zusammenhänge finden. „Die Forschung um und mit dem Hochtemperaturofen zeigen, wie eng verzahnt die einzelnen Forschungsaspekte des KI-Produktionsnetzwerk sind und wie sie sich gegenseitig bereichern“, kommentiert der Direktor des KI-Produktionsnetzwerks, Prof. Dr. Markus Sause, den Neuerwerb.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr.-Ing. Dietmar Koch
Lehrstuhlinhaber
Materials Engineering
Telefon: +49 821 598 – 69220
Mail: dietmar.koch@mrm.uni-augsburg.de

https://www.uni-augsburg.de/de/

Media Contact

Dr. Manuela Rutsatz Stabsstelle Kommunikation und Marketing

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Selen-Proteine …

Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung. Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von…

Pendler-Bike der Zukunft

– h_da präsentiert fahrbereiten Prototyp des „Darmstadt Vehicle“. Das „Darmstadt Vehicle“, kurz DaVe, ist ein neuartiges Allwetter-Fahrzeug für Pendelnde. Es ist als schnelle und komfortable Alternative zum Auto gedacht, soll…

Neuartige Methode zur Tumorbekämpfung

Carl-Zeiss-Stiftung fördert Projekt der Hochschule Aalen mit einer Million Euro. Die bisherige Krebstherapie effizienter gestalten bei deutlicher Reduzierung der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe – dies ist das Ziel eines Projekts…