Evolution eines Katalysators

Evolution eines Katalysators
(c) Wiley-VCH

Entdeckung von Katalysatormolekülen für die organische Synthese durch einen evolutionären Algorithmus.

Mit einem evolutionären Rechenverfahren hat ein Forschungsteam erstmals einen organischen Katalysator entdeckt, der eine bessere Leistung zeigt als bekannte Katalysatoren. Wie in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichtet, produzierte ein genetischer Algorithmus für eine gängige Reaktion in der organischen Synthese Molekülstrukturen, die katalytisch hoch aktiv waren, aber als Katalysatoren zuvor noch nicht untersucht wurden. Das Rechenverfahren könnte sich allgemein für die Suche nach besseren molekularen Katalysatoren eignen, schreibt das Team.

Automatisierte, lernende Systeme können bereits Materialeigenschaften und Molekülstrukturen hochgenau vorhersagen. Eine automatisierte Suche nach neuen, besseren Katalysatoren für die Synthese war damit bislang jedoch noch nicht möglich. Dabei ist es eine der Hauptaufgaben der chemischen Forschung, Katalysatoren für chemische Reaktionen zu entwickeln. Denn je effektiver der Katalysator ist, desto leichter läuft die Reaktion ab, desto weniger Energie wird verbraucht und desto weniger Nebenprodukte entstehen.

Weshalb automatisierte Systeme in der Katalysatorforschung Schwierigkeiten haben, liegt an den Übergangszuständen, erklärt Jan Halborg Jensen, Professor für Chemie an der Universität von Kopenhagen und Korrespondenzautor der Studie. Denn Katalysatoren beeinflussen den Übergangszustand, den Moment in einer Reaktion, an dem es sich entscheidet, ob bei einer Reaktion ein Produkt entsteht oder nicht. Hier mache die Kurzlebigkeit und Komplexität dieses Moments mit mehreren beteiligten Molekülen die Entwicklung von Modellen sehr schwierig.

Um dennoch neue Katalysatoren zu finden, wandten Jensen und sein Team daher ein von der Evolution inspiriertes Selektionsverfahren an. Hierbei prüft ein sogenannter genetischer Algorithmus einen Satz von Ausgangsmolekülen auf die Eignung für die Reaktion. „Dann paart man die geeignetsten Moleküle, indem man immer zwei Elternmoleküle willkürlich zerschneidet und die Fragmente rekombiniert“, erklärt Jensen den Vorgang „Wenn man das oft genug macht, kann die finale Population sehr unterschiedlich von der Ausgangspopulation aussehen– ungefähr so, wie sich ein Chihuahua von seinen wölfischen Vorfahren unterscheidet.“

So besaßen die vom Computer vorgeschlagenen Endmoleküle als neues Strukturmotiv einen viergliedrigen Azetidinring, der in der Ausgangspopulation nicht zu finden war. Eine dieser Azetidinverbindungen wurde synthetisiert und auf ihre Leistungsfähigkeit als Katalysator in der Morita-Baylis-Hillmann-Reaktion getestet. Wie die Forschenden feststellten, schnitt es deutlich besser ab als der zuvor verwendete klassische Katalysator DABCO (1,4-Diazabicyclo[2.2.2]octan). Azetidine wurden bislang noch nicht als Katalysatoren für diese Reaktion vorgeschlagen. „Der Algorithmus entdeckte also etwas vollständig Neues”, stellte Jensen die Bedeutung einer rechnergestützten chemischen Forschung heraus.

Voraussetzung für die Entdeckung neuer Katalysatoren auf diese Weise sei das Wissen um den entscheidenden Übergangszustand bei der in Frage stehenden Reaktion, erläutert Jensen. Sei dieser genau bekannt, so ließen sich prinzipiell durch genetische Algorithmen neue und bessere Organokatalysatoren identifizieren.

Angewandte Chemie: Presseinfo 09/2023

Autor/-in: Jan H. Jensen, Københavns Universitet (Denmark), https://chem.ku.dk/ansatte/alle/?pure=en/persons/300883

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Die „Angewandte Chemie“ ist eine Publikation der GDCh.

Originalpublikation:

https://doi.org/10.1002/ange.202218565

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Dr. Karin J. Schmitz Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

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