Forschende entwickeln vielversprechenden Wärmespeicher

Das neue Material zur Wärmespeicherung
Bild: Uni Halle / Marian Sorge

Stabil, effizient, umweltschonend:

Ein neues Material zur Wärmespeicherung könnte dabei helfen, Häuser energetisch deutlich zu verbessern. Entwickelt wurde es von Forschenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität Leipzig. Mit ihm lässt sich überschüssige Wärme speichern und bei Bedarf wieder an die Umgebung abgeben. Im Gegensatz zu bereits bekannten Stoffen kann das neue Material deutlich mehr Wärme aufnehmen, ist stabiler und es besteht aus unbedenklichen Substanzen. In einer neuen Studie im „Journal of Energy Storage“ beschreibt das Team den Bildungsmechanismus dieses Materials.

Bei der Erfindung handelt es sich um einen sogenannten Latentwärmespeicher. Dieser kann durch einen Wechsel des Aggregatzustands von fest zu flüssig sehr viel Wärme aufnehmen. Erhärtet das Material, wird dabei die gespeicherte Wärme wieder abgegeben. „Das Prinzip kennen viele von Handwärmekissen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Thomas Hahn vom Institut für Chemie der MLU. Die Erfindung aus Halle soll aber nicht in Manteltaschen zum Einsatz kommen, sondern zum Beispiel in der Bauindustrie. Dort könnte sie in Form großer Platten in Wände integriert werden, die so während der Sonnenstunden am Tag Wärme aufnehmen und später bei niedrigeren Temperaturen wieder abgeben können. So ließe sich viel Energie sparen: Das neue Material speichert den Berechnungen der Forschenden zufolge bei einer Aufheizung von zehn Grad Celsius des Materials bis zu 24 Mal mehr Wärme als herkömmlicher Beton oder Gips.

Anders als bei Handkissen schmelzen die Platten aus dem Stoffgemisch jedoch nicht, wenn sie Wärme aufnehmen. „Der eigentlich flüssige Wärmespeicher ist in unserer Entwicklung in einem Gerüst aus festem Silikat eingeschlossen und kann durch hohe Kapillarkräfte nicht austreten“, erklärt Hahn. Für die Herstellung kommen vor allem umweltverträgliche Stoffe zum Einsatz: ungefährliche Fettsäuren, wie sie in Seifen und Cremes vorkommen. Die verwendeten Zusätze, die dem Material seine Festigkeit und erhöhte Wärmeleitfähigkeit verleihen, können aus Reishülsen gewonnen werden.

In der aktuellen Studie beschreibt das Team Schritt für Schritt, wie sich die Struktur des Materials bildet und wie sich die genutzten Chemikalien gegenseitig beeinflussen. Unterstützung erhielt das Team hierbei von den Forschenden um Prof. Dr. Kirsten Bacia von der MLU, die den Mechanismus mittels Fluoreszenzmikroskopie sichtbar gemacht haben. „Das Wissen darüber ist für die weitere Optimierung und auch für eine mögliche Produktion im industriellen Maßstab wichtig“, sagt Felix Marske, der die Entwicklung im Rahmen seiner Promotion bei Thomas Hahn vorantrieb. Noch findet die Produktion nämlich in kleinen Mengen im Labor statt. Das neue Material könnte künftig aber in Kombination mit weiteren Schritten dabei helfen, Gebäude energetisch deutlich effizienter zu gestalten oder auch Photovoltaik- und Batteriesysteme passiv zu kühlen, um deren Wirkungsgrade weiter zu erhöhen.

Das Herstellungsverfahren wurde bereits zum Patent angemeldet. Die Arbeit der Forschenden wurde zudem mehrfach ausgezeichnet: 2019 erhielt das Team den Hugo-Junkers-Preis des Landes Sachsen-Anhalt, 2020 den „Clusterpreis Automotive“ des IQ Innovationspreises Mitteldeutschland.

Originalpublikation:

Studie: Marske F., Dasler J., Haupt C., Bacia K., Hahn T., Enke D. Influence of surfactants and organic polymers on monolithic shape-stabilized phase change materials synthesized via sol-gel route. Journal of Energy Storage (2022). doi: 10.1016/j.est.2022.104127
https://doi.org/10.1016/j.est.2022.104127

http://www.uni-halle.de

Media Contact

Tom Leonhardt Stabsstelle Zentrale Kommunikation
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…