Ganz schön verfault
Mitunter entdeckt man Schönheit an ganz ungewöhnlichen Orten. Wie Phoenix aus der Asche entsteht beispielsweise aus faulendem Holz am Waldboden die begehrte Trüffelbuche. Einzigartig gemustert, ist sie seit der Antike ein gesuchter Rohstoff für die Möbelherstellung. Nur ist die Suche nach natürlich entstandenen Trüffelbuchen aufwändig.
Selbst wer Baumstämme absichtlich im Wald verrotten lässt, muss Jahre warten, bis er hoffen kann, ein von Pilzen verziertes und dennoch nutzbares Holz zu erhalten. Forscher der Empa haben nun eine Technologie entwickelt, mit der Harthölzer wie Buche, Esche und Ahorn mit Pilzkulturen behandelt werden können, so dass sich die Musterung im Holz kontrollieren, steuern lässt.
Die feinen schwarzen Linien ziehen sich hierbei durch das Holz als Spuren eines Kampfes. Mal schlängeln sie sich unruhig aufeinander zu und trennen kleine Parzellen auf ihrem hellen Untergrund ab.
An anderen Stellen fliessen die dunklen Zeichnungen ruhig und gelassen als Mahnmal einer Grenze, die keiner der Beteiligten überschreiten mag. Pilze haben hier im Holz ein Gefecht um Territorium und Ressourcen ausgetragen und sich mit dunkel pigmentierten Linien deutlich voneinander abgegrenzt.
Die feinen Fäden der Pilzgemeinschaft schützen mit diesen Demarkationslinien ihre Kolonie aber nicht nur vor anderen Pilzen – die Pigmentgrenze sorgt zudem dafür, dass Bakterien und Insekten fernbleiben und dem Lebensraum ein ideales Mass an Feuchtigkeit erhalten bleibt.
«Wir konnten in der Natur wachsende Pilzarten identifizieren und analysieren, um jene mit den günstigsten Eigenschaften als Holzveredler auszuwählen», sagt Empa-Forscher Hugh Morris von der Abteilung «Applied Wood Materials» in St. Gallen. Der Brandkrustenpilz etwa oder die Schmetterlingstramete hinterlassen mit dem Farbstoff Melanin pigmentierte schwarze Linien und bleichen gleichzeitig das umliegende Holz dank ihres Enzyms Laccase aus.
«So entsteht ein Muster mit besonders starkem Kontrast im Holz», erklärt Morris. Je nach Kombination der eingesetzten Pilzspezies, gestalten sich die Linien wild und ungestüm oder nahezu geometrisch präzis. Morris ist sich sicher, dass den Pilzen beizeiten sogar das Schreiben von Worten im Holz abgerungen werden kann.
Besonders vorteilhaft an den im Empa-Labor verwendeten Pilzen ist deren sanfter Biss: Denn trotz des ausgeprägten Zeichentalents zernagen die ausgewählten Kandidaten ihren Untergrund kaum. «Das Holz wird zwar von den Pilzen grosszügig mit Pigmenten versorgt, behält aber seine Stabilität und Form bei», so der Biologe.
Dass der Prozess je nach gewünschtem Ergebnis gesteuert werden kann, liegt jedoch nicht nur an der Art der verwendeten Fäulniserreger. Die Forscher entwickelten zudem ein Verfahren, bei dem das Holz bereits innert Wochen zur Verarbeitung bereitsteht.
Grund ist unter anderem, dass die gewählten Pilzarten bei deutlich geringerer Feuchtigkeit im Holz zur Tat schreiten. Daher muss der Rohstoff nach seiner Veredlung und vor der Verarbeitung zum Möbel nicht erst langwierig, kosten- und energieintensiv getrocknet werden.
Gemeinsam mit dem Industriepartner Koster Holzwelten AG in Arnegg (SG) sind die Forscher daran, einen effizienten und ökologisch nachhaltigen Produktionsweg zu implementieren. Hierzu gehört die Nutzung regionalen Holzes. «Buchenholz ist ein in der Schweiz häufiges, aber für Möbeldesigner uninteressantes Hartholz», erklärt Firmeninhaber Tobias Koster.
Mit Marmorholz aus einheimischer Buche könne man jedoch am Schweizer Holzmarkt, dessen jährlicher Umsatz rund drei Milliarden Franken betrage, gesuchte Produkte anbieten. Zusätzlich zu Möbeln, Parkettböden und Küchenfronten kann Marmorholz auch für dekorative Objekte und Musikinstrumente verwendet werden.
Bereits in der Antike wurden aus dem gemusterten Holz Unikate geschaffen. Mit der neuen Technologie lassen sich diese Einzelstücke nun schneller, nachhaltiger und erst noch mit der gewünschten Marmorierung herstellen.
Dr. Hugh Morris
Applied Wood Materials
Tel. +41 58 765 7429
hugh.morris@empa.ch
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