Hochfeste und defektresistente Gläser
Moderne Gläser finden sich heute als Schlüsselkomponente in nahezu allen Technologiefeldern – wenngleich oft kaum als solche wahrgenommen.
Diese besondere Rolle beruht meist auf der optischen Transparenz sowie der Möglichkeit, Gläser praktisch universell in einer Vielzahl möglicher Formen herzustellen – seien es optische Fasern oder Glasfasern in Verbundwerkstoffen, z. B. für die Flügel von Windkrafträdern, Glasscheiben im Automobil oder in der Architektur, dünne Gläser auf Mobiltelefonen oder größeren berührungsempfindlichen Displays, oder sogar hochflexible Gläser für rollbare Solarmodule.
Das derzeit größte Problem stellt jedoch die leichte Zerbrechlichkeit oder zumindest die Anfälligkeit gegen Beschädigungen, zum Beispiel durch Kratzen oder einfach Herunterfallen, dar.
Diesen Nachteil zu überwinden, ist das Ziel des Schwerpunktprogramms (SPP) 1594 „Topologisches Design ultrafester Gläser“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Das von Prof. Dr. Lothar Wondraczek von der Universität Jena koordinierte Programm hat in seiner ersten Projektphase so relevante Forschungsergebnisse vorlegen können, dass es von der DFG auch in den kommenden drei Jahren gefördert wird.
Etwa fünf Millionen Euro stellt die DFG den bundesweit 20 beteiligten Arbeitsgruppen dafür ab 2016 zur Verfügung. Über eine Million Euro gehen davon an die Jenaer Universität, wo u. a. vier Doktorandenstellen am Otto-Schott-Institut für Materialforschung in den Arbeitsgruppen von Prof. Wondraczek und seiner Kollegin, Junior-Professorin Dr. Delia S. Brauer, gefördert werden.
Ordnung in der Unordnung finden
Seit 2012 wird im Schwerpunktprogramm an der Verbesserung der mechanischen Widerstandsfähigkeit von Glaswerkstoffen gearbeitet. „Aufgrund geringer Widerstandsfähigkeit vor allem gegen Oberflächenschädigungen können die einzigartigen mechanischen Eigenschaften von Glas bisher noch nicht optimal genutzt werden“, erläutert Prof. Wondraczek, der auch Sprecher des SPP-Programmkomitees ist.
„Die große Frage ist also, wie durch eine verbesserte Kenntnis des molekularen Aufbaus von Glaswerkstoffen Strategien entworfen werden können, die Bildung solcher Schädigungen bereits in ihren Anfangsstadien zu vermeiden.“ Im Forschungsnetzwerk werden neben den klassischen anorganischen Oxidgläsern insbesondere metallische Gläser betrachtet.
Das verbindende und gleichzeitig herausfordernde Element liegt in der atomaren Struktur der Gläser, welche im Gegensatz zu kristallinen Materialien keine Ordnung aufweist. Es gilt also, Ordnung in der Unordnung zu finden. So konnten die Jenaer Materialforscher u. a. bereits deutlich defektresistentere Gläser mit einer höheren Kratzfestigkeit entwickeln, die beispielsweise für Touch-Displays geeignet sein könnten, nennt Lothar Wondraczek ein Beispiel aus der ersten Projektphase.
In Zukunft sollen in Jena auch weiterhin vor allem die klassischen Glastypen mit ihrer großen technologischen wie auch wirtschaftlichen Bedeutung weiterentwickelt werden. Wondraczek nennt u. a. ultradünne Gläser mit einer Dicke von weniger als 100 Mikrometer (µm), die rollbar sein sollen und sich etwa in flexiblen Displays verwenden lassen könnten. Auch innovative Flachgläser und Faser-Materialien stehen auf der Wunschliste der Jenaer Forscher. „Das Schwerpunktprogramm mit seinen vielfältigen Maßnahmen ist eine ideale Basis, um die Forschungsziele zu erreichen“, unterstreicht Prof. Wondraczek.
Kontakt:
Prof. Dr.-Ing Lothar Wondraczek
Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Universität Jena
Fraunhoferstr. 6
07743 Jena
Tel.: 03641 / 948500
E-Mail: lothar.wondraczek[at]uni-jena.de
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