Keramiken aus dem „Sand“ des roten Planeten

Vasen, Ringe und Tabletten aus Marskeramik in unterschiedlichen Brennstadien © TU Berlin/David Karl

Wissenschaftler des Fachgebiets Keramische Werkstoffe an der TU Berlin haben in Kooperation mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung erstmals komplexe Bauteile aus simuliertem Marsboden gefertigt und die theoretische Möglichkeit gezeigt, stabile Gefäße wie Vasen nur mit Ressourcen des roten Planeten zu fertigen.

Ihre Ergebnisse wurden im Open-Access-Journal „PLOS One“ veröffentlicht. Mit ihrem Ansatz möchten die Wissenschaftler einen Beitrag für die Forschungen zur Langzeiterkundung des roten Planeten leisten.

Die Ziele sind ambitioniert: In den 2030er-Jahren plant die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA mit ihren internationalen Partnerinnen und Partnern den ersten bemannten Flug zum Planeten Mars – eine Reise in die Tiefen des Weltalls, die von Forscherinnen und Forschern weltweit begleitet wird.

Ein Team der TU Berlin vom Fachgebiet Keramische Werkstoffe am Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien der Fakultät III Prozesswissenschaften befasst sich ebenfalls mit Experimenten, die eine mögliche Reise zum roten Planeten in den Fokus stellen.

Simulierter Marsboden aus vulkanischer Erde ermöglicht Herstellung komplexer geometrischer Formen

Die Wissenschaftler haben für ihre Publikation „Towards the colonization of Mars by in-situ resource utilization: Slip cast ceramics from Martian soil simulant” mit Hilfe des simulierten Marsbodens „JSC-Mars-1A“ erstmals komplexe geometrische Formen wie Ringe und Vasen gefertigt.

Das dem Marsboden (Regolith) nachempfundene Material ist vulkanischen Ursprungs und stammt von der Flanke des höchsten Bergs auf Hawaii, dem Mauna Kea. Die Materialien wurden vom NASA Johnson Space Center entwickelt und der Wissenschaftsgemeinde unter anderem für sogenannte In-situ-Ressourcennutzung-Studien (engl. in-situ resource utilization, kurz ISRU) zur Verfügung gestellt. Ihre Beschaffenheit simuliert den Mars-Regolith.

Ressourcennutzung lokaler Materialien als Grundlage

Der Mars und die Erde sind zwischen 56 und 401 Millionen Kilometer voneinander entfernt. Eine Reise dorthin würde nach derzeitigen Erkenntnissen bis zu acht Monate dauern.

„Im Falle eines Marsaufenthalts wird es für Astronautinnen und Astronauten wichtig sein, eigene Produkte aus lokalen Materialien herzustellen. Diese Praxis wird ‚in-situ resource utilization‘ genannt und bildet die Grundlage für unsere Versuche“, erklärt David Karl. Er ist gemeinsam mit Franz Kamutzki Projektverantwortlicher der Studie. Beide sind wissenschaftliche Mitarbeiter im Team von Fachgebietsleiter Prof. Dr. Aleksander Gurlo.

„Unsere ‚Marskeramik‘ besteht aus einer Erde, die in chemischer Hinsicht der des Mars‘ ähnlich ist. Für die Verarbeitung haben wir den Marssimulanten nur mit Wasser gemahlen, in Gipsformen gegossen und gebrannt“, erläutert Franz Kamutzki den Prozessansatz. „Es kamen nur ‚Marsboden‘, Gips, Wasser und Energie zum Einsatz – alles Ressourcen, die auf dem Mars vorhanden sind oder erzeugt werden können.“

Der Vorgang: Mit Wasser mischen, mahlen und brennen

„Anfangs haben wir das Material vielen Vorprozessen unterzogen: Wir haben es thermisch vorbehandelt, vorgemahlen, vorgesiebt, organische Additive in Form von Dispergatoren und Bindemitteln hinzugefügt und letztlich festgestellt, dass die denkbar einfachste Variante am stabilsten funktioniert“, sagt David Karl.

Die Wissenschaftler versetzten den Marssimulanten mit Wasser in einem Verhältnis von circa 50 zu 50 und haben ihn für 48 Stunden mischgemahlen. Der dadurch entstandene Schlicker wurde anschließend in Gipsformen gegeben – etwa für Vasen –, nach kurzer Zeit entformt, luftgetrocknet und bei unterschiedlichen Temperaturen von 1000 bis 1130 Grad Celsius gebrannt. Das Ergebnis sind keramische Bauteile, die, je nach Brenntemperatur, ähnliche oder sogar höhere Druckfestigkeiten im Vergleich zu Porzellan aufweisen.

„Wir waren sehr überrascht von den guten mechanischen Eigenschaften unserer Marskeramiken – theoretisch sind sie hierdurch für alle Anwendungen interessant, für die heute auf der Erde Porzellan und Tonkeramiken genutzt werden: angefangen von Geschirr über technische Bauteile zu Baumaterialien“, fasst Franz Kamutzki die Bedeutung der Experimente zusammen.

Zukunftsvisionen: ferngesteuerter 3-D-Druck von Bauteilen mit flexiblen Geometrien

Angesprochen auf den Nutzen von Vasen auf dem Mars erklären die Wissenschaftler: „In der konzeptionellen Phase unseres Projektes haben wir ausgiebig diskutiert, welche Werkzeuge für eine menschliche Mars-Kolonisation wesentlich sein würden. Letztlich haben wir uns für die Form unserer ‚Marskeramiken‘ auf eine Geometrie geeinigt, die in der menschlichen Zivilisationsgeschichte von allen Kulturen produziert, genutzt und hinterlassen wurde und noch heute weltweit Verwendung findet.“

Das Team betont außerdem, dass viele andere komplexe Formen mit der entwickelten Prozessroute hergestellt werden könnten. Der Schlickerguss mit Gipsformen sei für die Produktion von großen Stückzahlen mit gleicher Geometrie sinnvoll. Zurzeit arbeitet das Team an neuen Prozessen, bei denen das entwickelte Schlickersystem mittels 3-D-Druck verarbeitet wird. Theoretisch böte eine solche ferngesteuerte beziehungsweise vollautomatische Prozessierung die Möglichkeit, Bauteile mit flexiblen Geometrien zu erzeugen – sogar bevor Menschen den roten Planeten betreten.

Publikation

Die ersten Ergebnisse des Projekts wurden in dem Open-Access-Journal „PLOS One“ veröffentlicht.

“Towards the colonization of Mars by in-situ resource utilization: Slip cast ceramics from Martian soil simulant”. David Karl, Franz Kamutzki, Andrea Zocca, Oliver Goerke, Jens Guenster, Aleksander Gurlo (2018): https://doi.org/10.1371/journal.pone.0204025

Fotomaterial zum Download
http://www.tu-berlin.de/?201728

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:

David Karl
Technische Universität Berlin
Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien
Tel.: +49 (0)30 314-22368
E-Mail: david.karl@ceramics.tu-berlin.de
http://www.keramik.tu-berlin.de

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Stefanie Terp idw - Informationsdienst Wissenschaft

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