KI für bessere und schnellere Photovoltaikmaterialien

KI-gestützte Entdeckung effizienter Perowskit-Solarzellenmaterialien.

Dr. Jianchang Wu Copyright: Kurt Fuchs / HI ERN

Die Suche nach nachhaltigen Energielösungen ist seit Jahrzehnten ein Schwerpunkt der wissenschaftlichen Forschung. Solarenergie, eine saubere und erneuerbare Energiequelle, hat sich als vielversprechende Alternative zu herkömmlichen fossilen Brennstoffen erwiesen. Besonders Perowskit-Solarzellen haben aufgrund ihrer Flexibilität und Nachhaltigkeit große Aufmerksamkeit erregt.

Ein kollaborativer Ansatz

Ein jüngster Durchbruch in der Materialwissenschaft hat die Entdeckung neuartiger Perowskit-Materialien beschleunigt. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und hochdurchsatzfähiger Synthese konnten Forscher vielversprechende Moleküle identifizieren, die die Effizienz von Perowskit-Solarzellen erheblich verbessern können.

Ein internationales Team, bestehend aus Wissenschaftlern des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN), einer Zweigstelle des Forschungszentrums Jülich, und Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), hat diesen innovativen Ansatz entwickelt. Sie kombinierten die Rechenleistung der KI mit einer vollständig automatisierten Hochdurchsatzsynthese, die auch auf andere Bereiche der Materialforschung, wie die Suche nach neuen Batteriematerialien, übertragen werden kann. Die Ergebnisse dieser Forschung wurden in der renommierten Zeitschrift Science veröffentlicht.

Die Kraft des KI-gesteuerten Materialdesigns

Die Forscher begannen mit der Erstellung einer virtuellen Bibliothek aus einer Million Molekülen, die Perowskit-Solarzellen besonders effizient als Leiter für positive Ladungen machen. Diese Moleküle wurden von Tenure-Track-Professor Pascal Friederich vom KIT-Institut für Nanotechnologie und Professor Christoph Brabec vom HI ERN produziert und getestet. „Mit nur 150 gezielten Experimenten wurde ein Durchbruch erzielt, der sonst Hunderttausende von Tests erfordert hätte. Der entwickelte Workflow eröffnet neue Möglichkeiten zur schnellen und kosteneffizienten Entdeckung von Hochleistungsmaterialien in einer Vielzahl von Anwendungsfeldern“, erklärt Brabec. Mit einem der entdeckten Materialien wurde die Effizienz einer Referenz-Solarzelle um etwa 2 Prozent auf 26,2 Prozent gesteigert.

Eine Datenbank mit den Strukturformeln von etwa einer Million virtueller Moleküle, die aus kommerziell erhältlichen Substanzen produziert werden können, bildete den Ausgangspunkt am HI ERN. Die KIT-Forscher untersuchten Energielevels, Polarität, Geometrie und andere Eigenschaften mit etablierten quantenmechanischen Methoden aus 13.000 zufällig ausgewählten virtuellen Molekülen.

KI-Training mit Daten von nur 101 Molekülen

Um die Forschung möglichst authentisch zu gestalten, wählten die Forscher 101 Moleküle mit unterschiedlichen Eigenschaften aus. Mithilfe eines robotergestützten Systems wurden diese Moleküle am HI ERN automatisch synthetisiert, um ihre Effizienz zu messen. Christoph Brabec, der die Arbeit am HI ERN leitete, erklärte: „Für den Erfolg unserer Strategie war es entscheidend, dass wir dank unserer hochautomatisierten Syntheseplattform wirklich vergleichbare Proben generieren und somit zuverlässige Effizienzwert bestimmen konnten.“

Die KIT-Forscher trainierten ein KI-Modell basierend auf den Effizienzen und den Eigenschaften der zugehörigen Moleküle. Das Modell schlug zusätzlich 48 Moleküle zur Synthese vor, basierend auf zwei Kriterien: erwartete hohe Effizienz und unvorhersehbare Eigenschaften. „Wenn das Machine-Learning-Modell unsicher ist, die Effizienz vorherzusagen, lohnt es sich, das Molekül zu produzieren, um es genauer zu untersuchen“, erklärt Pascal Friederich zum zweiten Kriterium. „Es könnte mit einer hohen Effizienz überraschen.“

Nah am Optimum: Dank geschicktem Einsatz von KI konnten Forschende neue Materialien für hocheffiziente Solarzellen identifizieren
Copyright: Kurt Fuchs / HI ERN

Tatsächlich konnten die von der KI vorgeschlagenen Moleküle für den Bau außergewöhnlicher Solarzellen verwendet werden, darunter auch solche, die den Stand der Technik anderer Materialien übertreffen. „Wir können nicht sicher sein, dass wir das beste Molekül unter einer Million gefunden haben, aber wir sind dem Optimum sicherlich sehr nahe“, erklärt Friederich.

KI versus chemische Intuition

Dank der intuitiven Fähigkeiten der KI waren die Forscher in der Lage, die molekularen Vorschläge bis zu einem gewissen Grad zu verstehen. Darüber hinaus basierten die KI-Vorschläge auf Merkmalen wie dem Vorhandensein bestimmter chemischer Gruppen wie Amine, die die Chemiker zuvor übersehen hatten.

Christoph Brabec und Pascal Friederich sind überzeugt, dass ihre Strategie die Materialforschung revolutionieren und zur Optimierung kompletter Komponenten beitragen wird.

Die transformative Kraft der KI in der Materialwissenschaft

Die Integration von KI und Hochdurchsatzsynthese stellt einen großen Fortschritt in der Materialwissenschaft dar. Durch die Automatisierung des arbeitsintensiven Prozesses der Materialentdeckung können Forscher nun riesige chemische Räume erkunden und bahnbrechende Materialien in noch nie dagewesener Geschwindigkeit identifizieren.

Die Forschungsergebnisse, die in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Erlangen-Nürnberg, des südkoreanischen Ulsan National Institute of Science, der chinesischen Universität Xiamen und der University of Electronic Science and Technology in Chengdu, China, entwickelt wurden, wurden kürzlich in der renommierten Zeitschrift Science veröffentlicht.

Originalquelle: https://www.fz-juelich.de/de/aktuelles/news/pressemitteilungen/2024/mit-ki-schneller-zu-besseren-photovoltaik-materialien

Originalveröffentlichung
Jianchang Wu, Luca Torresi, ManMan Hu, Patrick Reiser, Jiyun Zhang, Juan S. Rocha-Ortiz, Luyao Wang, Zhiqiang Xie, Kaicheng Zhang, Byung-wook Park, Anastasia Barabash, Yicheng Zhao, Junsheng Luo, Yunuo Wang, Larry Lüer, Lin-Long Deng, Jens A. Hauch, Dirk M. Guldi, M. Eugenia Pérez-Ojeda, Sang Il Seok, Pascal Friederich, Christoph J. Brabec
Zeitschrift: Science
Artikel-Titel: Inverse design workflow discovers hole-transport materials tailored for perovskite solar cells
Veröffentlichungsdatum: 12.12.2024
DOI: 10.1126/science.ads0901
Webseite: https://www.fz-juelich.de/de

Kontaktpersonen
Prof. Christoph Brabec
Institut für Energietechnologien, Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (IET-2 / HI ERN)
Tel: +49 9131/85-25462
E-Mail: c.brabec@fz-juelich.de

Jessica Pölloth
Institut für Energietechnologien, Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (IET-2 / HI ERN)
Tel: +49 9131-12538204
E-Mail: j.poelloth@fz-juelich.de

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Dr. Regine Panknin
Pressesprecherin Forschungszentrum Jülich
Tel.: +49 2461/61-9054
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