Komfortabler und sicherer: neues Konzept für Chemikalienschutzanzüge

Chemikalienschutzanzug mit mehr Tragekomfort und Sensoren für Vitalfunktionen
(c) DITF

Chemikalienschutzanzüge (CSA) schützen vor Kontakt mit chemischen, biologischen oder radioaktiven Stoffen. Die Anzüge bringen gut und gerne 25 Kilogramm auf die Waage. Neue Materialien und ein verbessertes Design erhöhen den Tragekomfort. Integrierte Sensorik überwacht die Vitalfunktionen.

Bei Gefährdungen durch chemische, biologische oder radioaktive Stoffe schützen Chemikalienschutzanzüge (CSA) Menschen vor körperlichem Kontakt. CSA bestehen aus Atemgerät, Kopfschutz, Tragegestellen und dem Anzug selbst. So kommt ein Gewicht von rund 25 Kilogramm zusammen. Der Aufbau aus einem mehrfach beschichteten Gewebe macht die CSA steif und schränkt die Bewegungsfreiheit erheblich ein. Die Einsatzkräfte sind dadurch einer starken physischen Belastung ausgesetzt. Aus diesem Grund ist die gesamte Einsatzdauer bei Verwendung eines CSA auf 30 Minuten beschränkt.

In einem Verbundvorhaben zusammen mit verschiedenen Firmen, Instituten und Berufsfeuerwehren wird derzeit daran gearbeitet, sowohl den textilen Materialverbund als auch die Hartkomponenten und Verbindungselemente zwischen beiden völlig neu zu gestalten. Das Ziel ist ein sogenannter „AgiCSA“, der für die Einsatzkräfte aufgrund der leichteren und flexibleren Konstruktion deutlich mehr Komfort bietet. Im Teilvorhaben der DITF entwickelt das Team einen körpernahen Anzug, der besser individuell angepasst werden kann. Darüber hinaus werden in das Material Sensoren integriert, mit denen online wichtige Körperfunktionen der Einsatzkraft überwacht werden können.

Unterstützung bekamen die DITF zu Beginn des Projekts von der Feuerwehr Esslingen. Sie stellte einen heute standardmäßig zum Einsatz kommenden Komplett-CSA zur Verfügung. Dieser wurde an den DITF auf seine Trageeigenschaften getestet werden. Dabei untersuchen die Denkendorfer Forscherinnen und Forscher, an welchen Stellen Optimierungsbedarf für verbesserten ergonomischen Tragkomfort besteht.

Ziel ist die Konstruktion eines chemikalien- und gasdichten Anzugs, der relativ eng am Körper anliegt. Schnell wurde klar, dass man sich vom bisherigen Konzept von Geweben als textilem Grundmaterial lösen und in Richtung elastischer Maschenwaren denken musste. Bei der Umsetzung dieser Idee kamen den Forscherinnen und Forschern neuere Entwicklungen im Bereich der Maschentechnologie in Form von Abstandsgewirken zu Hilfe. Durch die Verwendung von Abstandstextilien lassen sich viele Anforderungen erfüllen, die an das Grundsubstrat gestellt werden.

Abstandstextilien weisen eine voluminöse, elastische Struktur auf. Aus einer Vielzahl verwendbarer Fasertypen und dreidimensionaler Konstruktionsmerkmale wurde für den neuen CSA ein 3 Millimeter dickes Abstandstextil aus einem Polyester-Polfaden und einer flammhemmenden Fasermischung aus Aramid und Viskose ausgewählt. Dieses Textil wird beidseitig mit Fluor- bzw. Butylkautschuk beschichtet. Dadurch erhält das Textil eine Barrierefunktion, die das Eindringen giftiger Flüssigkeiten und Gase verhindert. Die Beschichtung erfolgt durch ein neu entwickeltes Sprühverfahren am fertig konfektionierten Anzug. Der Vorteil dieses Verfahrens im Gegensatz zum bisher üblichen Beschichtungsprozess ist, dass die gewünschte Elastizität des Anzugs erhalten bleibt.

Eine weitere Neuheit ist die Integration eines schräg verlaufenden Reißverschlusses. Dieser erleichtert das An- und Ausziehen des Schutzanzugs. Während dies bislang nur mit Hilfe einer weiteren Person möglich war, kann der neue Anzug prinzipiell von der Einsatzkraft alleine angelegt werden. Vorbild für das neue Design sind moderne Trockenanzüge mit schräg verlaufendem, gasdichtem Reißverschluss.

In den neuen AgiSCA sind zudem Sensoren integriert, die die Übertragung und Überwachung der Vital- und Umgebungsdaten der Einsatzkraft wie auch deren Ortung via GPS-Daten erlaubt. Diese Zusatzfunktionen unterstützen erheblich die Einsatzsicherheit.
Für die Hartkomponenten, also den Helm sowie die Rückentrage für die Pressluftversorgung, werden leichte carbonfaserverstärkte Verbundmaterialien der Firma Wings and More GmbH & Co. KG verwendet.

Erste Demonstratoren sind verfügbar und werden von den Projektpartnern geprüft. Die Kombination von aktueller Textiltechnologie, Leichtbaukonzepten und IT-Integration in Textilien hat in diesem Projekt zu einer umfassenden Verbesserung eines hochtechnologisierten Produkts geführt.

Förderung und Partner:

BMBF-Projekt „Entwicklung eines Chemikalienschutzanzuges mit erhöhter Beweglichkeit für effizientere Einsatzkonzepte durch erhöhte Autonomie der Einsatzkräfte (AgiCSA)“
Das Vorhaben greift die Ziele des Rahmenprogramms der Bundesregierung „Forschung für die zivile Sicherheit 2018-2023 und der Fördermaßnahme „KMU-innovativ: Forschung für die zivile Sicherheit“ vom 3. Juli 2018 auf.

Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung

Projektpartner:
• PM Atemschutz GmbH, Mönchengladbach
• HB Technologies AG, Tübingen
• Wings and More GmbH & Co. KG, Ebersbach
• Bergische Universität Wuppertal

Assoziierte Partner:
• Werkfeuerwehr der Currenta GmbH & Co. OHG, Krefeld-Uerdingen
• Feuerwehr Viersen

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Frank Gähr
Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung
Stellv. Leiter Kompetenzzentrum Textilchemie, Umwelt & Energie
Tel. 0711 / 9340-132
frank.gaehr@ditf.de

https://www.ditf.de/de/

Media Contact

Sabine Keller Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf

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