Kurze Ketten für langes Leben

Quelle: https://www.nature.com/articles/s41560-022-01155-x

Materialforscher/innen der FAU optimieren Leistung und Stabilität mehrschichtiger organischer Solarzellen.

Akzeptorschichten aus Oligomeren können die Leistung organischer Solarzellen steigern und zugleich eine lange Lebensdauer gewährleisten. Das haben Materialwissenschaftler/innen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in aufwändigen Laborexperimenten bewiesen. Organische Solarzellen sind einfacher herzustellen als herkömmliche Siliziummodule und zugleich deutlich flexibler einsetzbar, weil sie beispielsweise biegsam und transparent sein können. Ihre Erkenntnisse haben die Forschenden im renommierten Fachjournal „Nature Energy” veröffentlicht.*

Spätestens der Ukrainekrieg führt uns nachdrücklich vor Augen, wie wichtig es ist, möglichst rasch unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden. Der zügige Ausbau regenerativer Energieversorgung ist einer der Schlüssel dazu. Bei der Photovoltaik etwa zählt längst nicht mehr nur das Ringen um mehr Leistung, sondern auch die Erschließung neuer Einsatzfelder, denn die Fläche für Solarkollektoren ist in dichtbesiedelten Industrieländern wie Deutschland sehr begrenzt.

Aus diesem Grund wird mit Hochdruck an der organischen Photovoltaik geforscht: Organische Solarzellen bestehen aus kohlenstoffbasierten Halbleitern, die – im Unterschied zum herkömmlich verwendeten Silizium – aus einer Lösung heraus direkt auf eine Trägerfolie gebracht werden. Dadurch sind die Module biegsam, auf Wunsch durchscheinend oder sogar völlig transparent, was ein breites Einsatzspektrum in urbanen Räumen ermöglicht – bis hin zur Nutzung von Fensterflächen.

Das Beste aus zwei Welten

Bei der Wahl des perfekten Werkstoffs für die Halbleiterschichten steht die Forschung jedoch vor einem Dilemma: „Wenn wir beispielsweise Polymere mit sehr langen Molekülketten verwenden, ist das Modul robust gegenüber Temperatureinflüssen und lange haltbar“, sagt Prof. Dr. Christoph Brabec, Inhaber des Lehrstuhls für Werkstoffwissenschaften (Materialien der Elektronik und der Energietechnologie) der FAU und Direktor des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg (HI ERN). „Allerdings sind Polymere nicht so gut definiert und haben aufgrund ihrer Komplexität mehr Defekte, was zu einer schlechteren Leistungsausbeute bei schwachem Licht führen kann.“ Am HI ERN wird deshalb verstärkt an einer Alternative für den Elektronentransfer geforscht: an sogenannten Oligomeren. Ihre Ketten sind kürzer, sie lassen sich präzise designen und ihre Effizienz im Nah-Infrarot-Licht ist wesentlich besser als die von Polymeren. Der Nachteil: Oligomere sind temperaturempfindlicher und generell instabiler.

Die internationale Arbeitsgruppe um Christoph Brabec will das Beste aus beiden Welten vereinen – niedermolekulare Nichtfulleren-Halbleiter, die eine hohe Leistungsausbeute haben und zugleich robust und langlebig sind. Im Visier haben sie dabei die Derivate eines besonderen Moleküls mit dem Namen Y6, das symmetrisch aufgebaut ist und neben Kohlenstoff aus Stickstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoff-, Schwefel- und Bromatomen besteht. „Wir haben das Molekül in unzähligen Versuchen modifiziert und seine Eigenschaften als Akzeptorschicht untersucht“, erklärt Difei Zhang, die als Doktorandin die Experimente an der FAU durchgeführt hat. Bei den Untersuchungen – beteiligt waren an der Studie auch Forschende der South China University of Technology (SCUT) – kamen zum Beispiel zweidimensionale Weitwinkel-Röntgenstreuungsmessungen zum Einsatz, mit denen die Mikrostruktur und das Verhalten der Molekülketten analysiert wurde.

The winner is: OY3

Das aufwändige Feintuning der molekularen Struktur brachte schließlich einen vielversprechenden Kandidaten hervor: ein Oligomer mit dem Kürzel OY3. „OY3 hat eine durchschnittliche Leistungseffizienz von 15 Prozent – ein Wert, den wir auch bei einigen anderen Derivaten gemessen haben“, sagt Christoph Brabec. „Was uns darüber hinaus beeindruckt hat, ist die hervorragende Photostabilität.“ So zeigte das Oligomer auch nach 200 Betriebsstunden noch 94 Prozent seiner anfänglichen Leistung. Weitere Messungen ergaben eine Lebensdauer von mehr als 25000 Betriebsstunden – bei einem durchschnittlichen Betrieb von 1500 Stunden pro Jahr bedeutet das eine Lebensdauer von über 16 Jahren.

Brabec: „Diese Parameter sind bislang einzigartig für mehrschichtige organische Photovoltaikmodule und erfüllen alle Anforderungen an eine zügige Kommerzialisierung. Unsere Strategie des gezielten Oligomer-Designs hebt die organische Photovoltaik auf eine neue Effizienzstufe und bringt sie ganz nah an die praktische Anwendung.“

*Originalpublikation: „Organic Solar Cells Using Oligomer Acceptors for Improved Stability and Efficiency” in Nature Energy, https://doi.org/10.1038/s41560-022-01155-x 

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Christoph J. Brabec
Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften (Materialien der Elektronik und der Energietechnologie)
Tel.: 09131/85-25426
christoph.brabec@fau.de

Alle Pressemitteilungen sowie Pressebilder finden Sie auch unter http://www.fau.de/tag/presse-6/

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Presse und Kommunikation
Schlossplatz 4
91054 Erlangen, Germany
Tel: +49 9131 85-70229
Fax: +49 9131 85-70220

presse@fau.de
http://www.fau.de

https://www.youtube.com/unifau
https://facebook.com/Uni.Erlangen.Nuernberg
https://twitter.com/unifau
https://instagram.com/uni_fau/

Media Contact

Katrin Piecha Stabsstelle Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…