Material mit Nebeleffekt schafft angenehmes Laserlicht

Aerobornitrid streut das Licht eines Laserstrahls homogen in alle Richtungen. Foto: Florian Rasch

Mit einer Porosität von 99,99 % besteht es praktisch nur aus Luft und gehört damit zu den leichtesten Stoffen der Welt: Aerobornitrid heißt das Material, das ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) entwickelt hat.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie damit eine zentrale Grundlage geschaffen haben, um Laserlicht als Leuchtelement zu verwenden. Basierend auf einer Bor-Stickstoff-Verbindung entwickelten sie eine dreidimensionale Nanostruktur, die Licht sehr stark streut und kaum absorbiert.

Bestrahlt mit einem Laser gibt das Material eine gleichmäßige Beleuchtung ab, die je nach Lasertyp sehr viel effizienter und leistungsstärker als LED-Licht ist. Mit Laserlicht könnten Lampen für Autoscheinwerfer, Beamer oder Raumbeleuchtungen zukünftig kleiner und heller werden.

Ihre Ergebnisse stellt das Forschungsteam in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins Nature Communications vor, die heute (18. März) erschienen ist. Das Projekt ist Teil der europaweiten Forschungsinitiative „Graphene Flagship“, an der insgesamt rund 150 Forschungsgruppen aus Wissenschaft und Industrie in 23 Ländern beteiligt sind.

Mehr Licht auf kleinstem Raum

In Forschung und Industrie wird Laserlicht schon länger als „nächste Generation“ von Lichtquellen gesehen, die Leuchtdioden (LEDs) in ihrer Effizienz noch übertreffen könnten. „Für sehr helles oder viel Licht braucht man eine große Anzahl von LEDs und damit Platz. Die gleiche Menge an Licht könnte man aber auch mit einer um ein Tausendstel kleineren Laserstruktur erhalten“, unterstreicht Dr.-Ing. Fabian Schütt das Potential.

Der Materialwissenschaftler aus der Arbeitsgruppe „Funktionale Nanomaterialien“ der CAU ist Erstautor der Studie, an der weitere Forschende aus Deutschland, England, Italien, Dänemark und Südkorea beteiligt sind.

Leistungsstarke kleine Lichtquellen erlauben zahlreiche Einsatzmöglichkeiten. Erste Testanwendungen wie in Autoscheinwerfern gibt es bereits, doch flächendeckend konnten sich Laserlampen noch nicht durchsetzen. Das liegt zum einem an dem intensiven, gerichteten Licht des Laserstrahls. Zum anderen ist Laserlicht monochromatisch, es besteht also aus nur einer Wellenlänge. Das führt zu einem unangenehmen Flackern, wenn ein Laserstrahl von einer Oberfläche reflektiert wird.

Poröse Struktur streut das Licht extrem stark

„Bisherige Entwicklungen zum Laserlicht arbeiten normalerweise mit Leuchtstoffen, sogenannten Phosphoren. Sie erzeugen allerdings ein relativ kaltes Licht, sind nicht langzeitstabil und wenig effizient“, sagt Professor Rainer Adelung, Leiter der Arbeitsgruppe.

Das Kieler Forschungsteam setzt daher auf einen anderen Ansatz: Sie entwickelten eine stark streuende Nanostruktur aus Bornitrid, das auch als ,,weißes Graphen“ bezeichnet wird und extrem wenig Licht absorbiert. Diese Struktur besteht aus einem filigranen Netz unzähliger feiner Hohlröhren von wenigen Mikrometern.

Trifft ein Laserstrahl darauf, wird er im Inneren der Struktur extrem stark gestreut und ein homogenes Licht wird abgegeben. „Unser Material wirkt quasi wie ein künstlicher Nebel, der ein gleichmäßiges, angenehmes Licht erzeugt“, erklärt Schütt. Die starke Streuung trägt außerdem dazu bei, dass störendes Flackern für das menschliche Auge nicht mehr sichtbar ist.

Die Nanostruktur sorgt nicht nur dafür, dass das Material dem intensiven Laserlicht standhält, sondern kann auch verschiedene Wellenlängen streuen. Rotes, grünes und blaues Laserlicht lässt sich so mischen, um neben normalem Weiß gezielte Farbeffekte zu kreieren – zum Beispiel für den Einsatz bei innovativen Raumbeleuchtungen. Hier könnten extrem leichtgewichtige Laserdioden in Zukunft zu ganz neuen Designkonzepten führen.

„Um künftig mit LEDs konkurrieren zu können, muss allerdings auch die Effizienz von Laserdioden noch verbessert werden“, so Schütt. Für den Schritt vom Labor in die Anwendung sucht das Forschungsteam jetzt Industriepartner.

Breite Anwendungsmöglichkeiten für Aeromaterialien

Mittlerweile können die Kieler Forschenden ihre Methode, hochporöse Nanostrukturen zu entwickeln, für unterschiedliche Ausgangswerkstoffe einsetzen, neben Bornitrid auch Graphen oder Graphit. Auf diese Weise entstehen immer mehr neue, leichtgewichtige Stoffe, sogenannte „Aeromaterialien“, die besonders innovative Anwendungen erlauben.

Zurzeit forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Firmen und anderen Hochschulen unter anderem an der Entwicklung selbstreinigender Luftfilter für Flugzeuge.

Über das “Graphene Flagship”:
Das Graphene Flagship ist mit einer Milliarde Euro Gesamtetat die größte Forschungsinitiative der Europäischen Union. Rund 150 Forschungsgruppen aus Wissenschaft und Industrie in 23 Ländern sind beteiligt, um Graphen vom Labor in die Anwendung zu bringen. Das Material wird durch seine besondere Kombination von Eigenschaften wie gute Leitfähigkeit und hohe Stabilität bei gleichzeitiger Flexibilität als Zukunftsmaterial für zahlreiche Anwendungen im Bereich Energie oder Elektronik gesehen.

Weitere Informationen:
https://graphene-flagship.eu/

Originalpublikation:
F. Schütt, M. Zapf, S. Signetti, J. Strobel, H. Krüger, R. Röder, J. Carstensen, N. Wolff, J. Marx, T. Carey, M. Schweichel, M.-I. Terasa, L. Siebert, H.K. Hong, S. Kaps, B. Fiedler, Y.K. Mishra, Z. Lee, N.M. Pugno, L. Kienle, A.C. Ferrari, F. Torrisi, C. Ronning, R. Adelung. ‘Conversionless efficient and broadband laser light diffusers for high brightness illumination applications’, Nat. Commun., VOL 11 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-14875-z

Bildmaterial steht zum Download bereit:
https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2020/079-Laserlicht-1.jpg
Bildunterschrift: Aerobornitrid streut das Licht eines Laserstrahls homogen in alle Richtungen.
Foto: Florian Rasch

https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2020/079-Laserlicht-2.jpg
Bildunterschrift: Dr.-Ing. Fabian Schütt, Materialwissenschaftler an der Uni Kiel, erforscht leichtgewichtige Aeromaterialien und ihre Anwendungsmöglichkeiten.
Foto: Julia Siekmann

https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2020/079-Laserlicht-3.jpg
Bildunterschrift: Bornitrid, auf dem das neue Leichtmaterial basiert, wird aufgrund seiner ähnlichen atomaren Struktur auch als „weißes Graphen“ bezeichnet.
Foto: Julia Siekmann, Uni Kil

https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2020/079-Laserlicht-4.png
Bildunterschrift: Durch die innere Struktur kann das Material verschiedene Wellenlängen streuen, also grünes, rotes und blaues Laserlicht.
Grafik: Fabian Schütt

https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2020/079-Laserlicht-5.jpg
Bildunterschrift: In dem feinen Netz aus einer Vielzahl von Hohlröhren, jede nur wenige Mikrometer groß, werden einfallende Laserstrahlen so stark gestreut, dass ein homogenes weißes Licht reflektiert wird.
Mikroskopbild: Fabian Schütt

Details, die nur Millionstel Millimeter groß sind: Damit beschäftigt sich der Forschungsschwerpunkt »Nanowissenschaften und Oberflächenforschung« (Kiel Nano, Surface and Interface Science – KiNSIS) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Im Nanokosmos herrschen andere, nämlich quantenphysikalische, Gesetze als in der makroskopischen Welt. Durch eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Physik, Chemie, Ingenieurwissenschaften und Life Sciences zielt der Schwerpunkt darauf ab, die Systeme in dieser Dimension zu verstehen und die Erkenntnisse anwendungsbezogen umzusetzen. Molekulare Maschinen, neuartige Sensoren, bionische Materialien, Quantencomputer, fortschrittliche Therapien und vieles mehr können daraus entstehen. Mehr Informationen auf http://www.kinsis.uni-kiel.de

Dr.-Ing. Fabian Schütt
Arbeitsgruppe „Funktionale Nanomaterialien“
Institut für Materialwissenschaft
Telefon: +49 431 880-6024
E-Mail: fas@tf.uni-kiel.de
Web: www.tf.uni-kiel.de/matwis/fnano/de

F. Schütt, M. Zapf, S. Signetti, J. Strobel, H. Krüger, R. Röder, J. Carstensen, N. Wolff, J. Marx, T. Carey, M. Schweichel, M.-I. Terasa, L. Siebert, H.K. Hong, S. Kaps, B. Fiedler, Y.K. Mishra, Z. Lee, N.M. Pugno, L. Kienle, A.C. Ferrari, F. Torrisi, C. Ronning, R. Adelung. ‘Conversionless efficient and broadband laser light diffusers for high brightness illumination applications’, Nat. Commun., VOL 11 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-14875-z

https://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/079-laserlicht

Media Contact

Dr. Boris Pawlowski Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Schimpanse in einem tropischen Wald, der genetische Anpassungen zum Überleben zeigt.

Parallele Pfade: Das Verständnis von Malariaresistenz bei Schimpansen und Menschen

Die nächsten Verwandten des Menschen passen sich genetisch an Lebensräume und Infektionen an Überleben des am besten Angepassten: Genetische Anpassungen bei Schimpansen aufgedeckt Görlitz, 10.01.2025. Schimpansen verfügen über genetische Anpassungen,…

Ballaststoffreiche Lebensmittel fördern Darmgesundheit und Antikrebswirkung

Du bist, was du isst – Stanford-Studie verbindet Ballaststoffe mit Modulation von Anti-Krebs-Genen

Die Ballaststofflücke: Ein wachsendes Problem in der amerikanischen Ernährung Ballaststoffe sind bekanntlich ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Ernährung, doch weniger als 10 % der Amerikaner konsumieren die empfohlene Mindestmenge. Eine…

RNA-bindendes Protein RbpB reguliert den Stoffwechsel der Darmmikrobiota in Bacteroides thetaiotaomicron.

Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl – RNA-Protein-Entdeckung für eine bessere Immunität

HIRI-Forscher entschlüsseln Kontrollmechanismen der Polysaccharidverwertung in Bacteroides thetaiotaomicron. Forschende des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg haben ein Protein sowie eine Gruppe kleiner Ribonukleinsäuren (sRNAs) in…