Materialwissenschaft der Universität Jena erhält neues Spezial-Mikroskop
Stellen Sie sich vor, Sie könnten mit bloßem Auge ein Sandkorn so vergrößern, dass es wie ein Gesteinsbrocken aussieht, der den Raum zwischen Jena und Erfurt vollkommen ausfüllt und mit 40 km Höhe den Mount Everest bei Weitem übersteigt. Das – grob vereinfacht – leistet das neue Transmissionselektronenmikroskop (TEM), das jüngst am Lehrstuhl für Metallische Werkstoffe der Universität Jena installiert worden ist.
Es ist in der Lage, Auflösungen bis hin zu einzelnen Atomen zu erreichen. Atomdurchmesser liegen in der Größenordnung von rd. drei zehnmillionstel Millimetern (2 bis 4Å). „Das neue Mikroskop erreicht eine Auflösung von 0,8 Ångström, was die direkte Abbildung nahezu aller Atomsorten ermöglicht“, freut sich Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Markus Rettenmayr.
Das hohe Auflösungsvermögen wird durch eine Korrekturlinse („Aberrationskorrektor“) erreicht, wodurch der unvermeidliche Abbildungsfehler der magnetischen Linsen, die den Elektronenstrahl formen, ausgeglichen wird. Das TEM, das einen Wert von über 3,5 Mio. Euro hat, ist das einzige Gerät in Thüringen, das mit einem solchen Korrektor ausgestattet ist.
Kompliziertes Hightech-Kunstwerk
Da dieses Hightech-Kunstwerk einer langen Einarbeitungszeit für die Bediener bedarf, wird es vor allem vom Otto-Schott-Institut und vom Institut für Festkörperphysik der Universität Jena und ihren Forschungspartnern genutzt. Aktuell werden damit u. a. Phasenumwandlungen untersucht. Die Eigenschaften zahlreicher Legierungen entstehen während der Herstellung durch Ausbildung der Mikrostruktur, die in der Regel durch Phasenumwandlungen erfolgt.
Die wichtigste Phasenumwandlung ist die Erstarrung aus der Schmelze, aber auch im Festen finden Phasenumwandlungen noch statt. „Über frühe Stadien der Phasenumwandlungen konnte man bisher nur wenig Informationen gewinnen, obwohl sich da schon viel entscheidet“, sagt Rettenmayr.
„Wenn es mehrere Phasen gibt, die sich bilden können, möchten wir gerne die Gründe dafür erforschen, welche Phase sich zuerst bildet“, nennt der Werkstoffexperte ein Forschungsprojekt, bei dem man sich viel vom neuen TEM erhofft.
20 Tonnen schweres Beton-Fundament
Das Gerät besitzt eine hohe elektronische und mechanische Stabilität und es wurden im Institut für Festkörperphysik optimale Bedingungen geschaffen. Das TEM steht auf einem 20 Tonnen schweren Beton-Fundament, das mechanisch komplett vom Rest des Gebäudes entkoppelt ist und deshalb völlig schwingungsfrei steht.
Der TEM-Raum ist durch 80 cm dicke Betonwände von der Außenwelt abgeschirmt. Das Gerät wird von einem separaten Raum aus gesteuert; sprechen oder – viel schlimmer – in die Hände klatschen würde zu Schwingungen führen und das Bild für Minuten unscharf werden lassen.
„Die herausragende Stärke des Gerätes liegt in den Möglichkeiten einer präzisen chemischen Analytik“, betont Markus Rettenmayr. Neben fünf bildgebenden Detektoren ist das Gerät noch mit zwei Spektrometern zur chemischen Analyse ausgestattet. Diese profitieren immens von der Elektronenquelle („kalter Feldemitter“), die sich durch eine geringe Energiebreite und einen hohen Richtstrahlwert auszeichnet. In der Kombination von moderner Elektronenquelle und modernen Detektoren ist ein derartiges Gerät noch nie verbaut worden. „Im Augenblick ist das TEM in Jena das europaweit beste in der chemischen Analytik“, ist Prof. Rettenmayr überzeugt.
Die Kosten für das Hochleistungsforschungsgerät haben Bund, Land und Universität getragen.
Prof. Dr. Dr. h. c. Markus Rettenmayr
Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Löbdergraben 32
07743 Jena
Tel.: 03641 / 947790 oder 947791
E-Mail: M.Rettenmayr[at]uni-jena.de
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