Mit biobasierten Klebstoffen die Kreislaufwirtschaft stärken
Forschende am Fraunhofer WKI entwickeln biobasierte Klebstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe und biogener Reststoffe. Klebstoffe mit ihren vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sind eine Schlüsseltechnologie, um Materialien zu verbinden und damit endliche Ressourcen zu schonen. Aufgrund ihres breiten Anwendungsspektrums sind Klebstoffe ein Wachstumsmarkt. Die Substitution konventioneller Klebstoffe durch biobasierte Klebstoffe leistet einen wichtigen Beitrag zur Realisierung einer biobasierten Kreislaufwirtschaft.
Unzählige Produkte, die uns im Alltag begegnen, werden mit Hilfe von Klebstoffen hergestellt. Beispiele sind Bücher, Handys, Matratzen, Autos oder Etiketten auf Flaschen. Die Klebtechnik als Fügetechnologie ermöglicht das sichere, flächige und kraftschlüssige Verbinden von Materialien, ohne deren Eigenschaften zu verändern.
Ein wichtiges Einsatzgebiet für Klebstoffe ist unter anderem der Leicht- und Hybridbau. Durch geschickte Kombination von Werkstoffen kann Gewicht eingespart werden. Leichte Werkstoffe, Bauteile, gegebenenfalls mit kombinierten Eigenschaften, und Produkte benötigen weniger Transportenergie und oft auch weniger Rohstoffe. Darüber hinaus ermöglichen schaltbare Klebstoffe eine deutliche Verbesserung der Recyclingfähigkeit durch einfache Materialtrennung nach der Nutzungsphase. Klebverbindungen dieser Varianten werden ein- und nach Gebrauch wieder ausgeschaltet, so dass die einzelnen Bauteile sinnvoll wiederverwendet werden können. Aber auch Produkte mit traditionellen Klebfugen lassen sich in vielen Fällen leicht trennen oder wiederverwenden.
Forschende des Fraunhofer WKI entwickeln biobasierte Klebstoffe, also synthetisch hergestellte Klebstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Ein Beispiel dafür ist ein neuartiger formaldehydfreier Klebstoff auf Basis von Lignin und Zuckeraldehyden. In einem anderen Projekt testen die Forschenden, ob sich Humine zum Kleben von Holz eignen. Die verwendeten Humine sind Reststoffe, die bei der Produktion der PET-Alternative Polyethylenfuranoat (PEF) anfallen und derzeit noch keine Anwendung finden.
Die Holzfaserplatte der Zukunft könnte ganz ohne herkömmlichen Klebstoff auskommen. Stattdessen werden in einem neu gestarteten Projekt die natürlichen Bindekräfte des Holzes genutzt: Zuerst werden diese Kräfte von den Forschenden aktiviert und dann fügen sie biobasierte »Präadhäsive« hinzu. Während des Heißpressens bildet sich der Klebstoff direkt auf der Oberfläche der Holzfasern.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln auch biologische Klebstoffe, die auf Pilzen, also lebenden, wachsenden Organismen basieren. Die Forschenden nutzen das organisch wachsende Pilzmyzel als natürliches Bindemittel, um aus pflanzlichen Reststoffen Dämmstoffe herzustellen.
Mit künstlich hergestellten Klebstoffen, die Prinzipien aus der Natur nachahmen, so genannten bioinspirierten Klebstoffen, finden die Forschenden heraus, ob sich diese als Fügetechnologie für Leichtbauteile im Mobilitätssektor eignen. Der biobasierte schaltbare PU-Flächenklebstoff ermöglicht es, plattenförmige Schichtwerkstoffe aus Holz oder Holz-Metall herzustellen, die erst im weiteren Verlauf der Prozesskette zu 3D-Bauteilen umgeformt werden. Zudem lassen sich durch die wiederlösbare Klebverbindung Holz und Metall nach der Nutzungsdauer sortenrein und schadensfrei voneinander trennen.
Bauen aus und mit Holz leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Durch die Kombination mit Beton erweitert sich der Einsatzbereich von Holzkonstruktionen und Substrate können besser hinsichtlich ihrer Eigenschaften ausgenutzt werden. Eine vom Fraunhofer WKI mitentwickelte Klebetechnologie ermöglicht die beschleunigte Herstellung von Holz-Beton-Verbundelementen (HBV-Elementen). Ziel ist es, das Bauen mit HBV-Elementen im mehrgeschossigen Hochbau als wettbewerbsfähige Alternative zu reinen Stahlbetonfertigteilen zu etablieren. Die Forschung trägt dazu bei, den Anteil nachwachsender Rohstoffe im Bauwesen zu erhöhen und damit Klima- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Wie gut sich Holz kleben lässt, hängt unter anderem von den holzeigenen Extraktstoffen ab. Gemeinsam mit Partnern untersuchen die Forschenden des Fraunhofer WKI in einem weiteren Projekt den Extraktstoffgehalt verschiedener Hölzer und deren Einfluss auf die Verklebungseigenschaften. Damit schaffen sie die Grundlage für holzartenspezifische Klebstoffsysteme oder Zusatzstoffe wie Primer in der Bauindustrie – auch für Laubhölzer, die in Zukunft voraussichtlich vermehrt eingesetzt werden.
Die Forschenden beschäftigen sich auch mit der Frage, wie borkenkäfergeschädigtes Fichtenkalamitätsholz unter anderem für die Herstellung von Holzwerkstoffen und geklebten Massivholzprodukten für die Bau- und Möbelindustrie genutzt werden kann, auch wenn dieses für bestimmte Zeit stehend im Wald oder in speziellen Trockenlagern gelagert wird. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen die entsprechenden Holzqualitäten zur Herstellung langlebiger Bauprodukte oder Holzwerkstoffe. Mit einem Leitfaden wollen sie zudem Waldbesitzenden und der Holzindustrie konkrete Handlungsempfehlungen geben.
Prüfstelle »Strukturelles Kleben« und »Eignungsnachweise Kleben«
Die Prüfstelle »Strukturelles Kleben« des Fraunhofer WKI ist für alle wesentlichen Klebstoffsysteme des tragenden Holzbaus nach ISO/IEC 17025 akkreditiert und nach Niedersächsischer Landesbauordnung (LBO) anerkannt. Somit ist das Fraunhofer WKI ein kompetenter Partner für die Entwicklung und Prüfung von Klebstoffen und verklebten Produkten sowohl des konstruktiven als auch des nicht-tragenden Holzbaus.
Mit Schreiben vom 30. September 2021 wurde das Fraunhofer WKI vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz als Prüfstelle für die Überprüfung der »Eignung zur Ausführung von Klebarbeiten zur Herstellung tragender Holzbauteile und von Brettschichtholz« anerkannt und kann Bescheinigungen über diese Eignung, auch genannt »Leimgenehmigungen«, ausstellen. Für die Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle (PÜZ) des Fraunhofer WKI, aber auch für den gesamten Holzbau in Deutschland ist dies ein Meilenstein.
WKI I AKADEMIE®
Die WKI | AKADEMIE® ist die Weiterbildungseinrichtung des Fraunhofer WKI. Im Themenkomplex »Kleben im Holzbau« bietet sie professionelle mehrtägige Lehrgänge über das Kleben tragender Holzbauteile und die Instandsetzung von geklebten tragenden Holzbauteilen an. Beide Lehrgänge erfüllen die Anforderungen nach DIN 1052-10. Teilnehmende können eine schriftliche Prüfung ablegen und damit eine erfolgreiche Teilnahme nach DIN 1052-10 nachweisen – zum Nachweis der fachlichen Eignung.
Veranstaltungshinweis: 28. Internationales Holzbau-Forum (IHF 2024)
Das »Internationale Holzbau-Forum« bietet Fachleuten aus der Holzbau-Branche eine Plattform, um sich umfassend über das Bauen mit Holztragwerken bzw. Holzkonstruktionen zu informieren und auszutauschen. In der begleitenden Ausstellung zeigen Hersteller und Forschungseinrichtungen aus dem Holzbaubereich neue Anwendungsbeispiele. Forschende werden am Stand des Fraunhofer WKI vertreten sein, um mit den Teilnehmenden über aktuelle Forschungsergebnisse ins Gespräch zu kommen.
Wir bauen die Zukunft aus nachwachsenden Rohstoffen. Seit 1946.
Nachhaltigkeit ist seit der Gründung des Fraunhofer WKI im Jahre 1946 das zentrale Thema. Der Gründer und Namensgeber Dr. Wilhelm Klauditz gilt als Pionier der modernen Holzwerkstoffindustrie. Heute nutzt das Fraunhofer WKI die ganze Bandbreite nachwachsender Rohstoffe, um daraus nachhaltige Werkstoffe, Bauteile und Chemieerzeugnisse zu entwickeln.
Das Institut mit Standorten in Braunschweig, Hannover und Wolfsburg ist spezialisiert auf Verfahrenstechnik, Formgebung und Komponentenfertigung mit Biowerkstoffen, biobasierte Bindemittel und Beschichtungen, Funktionalisierung, Brandschutz, Werkstoff- und Produktprüfungen, Recyclingverfahren sowie den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen in Gebäuden und Fahrzeugen. Darüber hinaus gehört das Fraunhofer WKI zu den führenden Forschungseinrichtungen im Bereich Innenraumluftqualität. Nahezu alle Verfahren und Produkte, die aus der Forschungstätigkeit des Instituts hervorgehen, werden industriell genutzt.
Mit seiner Forschung und Entwicklung leistet das Fraunhofer WKI einen wichtigen Beitrag für den Aufbau einer biobasierten Kreislaufwirtschaft (Zirkuläre Bioökonomie).
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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.
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