Mit Ionenstrahlen zu Hightech-Materialien
Projekt zur kontrollierten Galliumoxid-Fertigung gestartet.
Der Halbleiter Galliumoxid ist ein aussichtsreicher Kandidat für einen möglichen Einsatz in der Leistungselektronik. Eine industriell nutzbare Technologie zur kontrollierten Herstellung des Materials ist jedoch noch nicht in Sicht. Das liegt vor allem an seiner Fülle an möglichen Kristallstrukturen, die gleichzeitig nebeneinander vorkommen können und die sich in ihren für die Halbleiterindustrie relevanten Eigenschaften zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Diesem Problem widmet sich nun das mit 1,3 Millionen Euro geförderte Projekt GoFIB, ein Zusammenschluss von Forschenden des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität Oslo und der Universität Helsinki.
Die Forschenden haben Galliumoxid nicht grundlos zum Gegenstand ihrer Arbeit gemacht. Denn das Halbleitermaterial hat eine bemerkenswerte Eigenschaft: die Breite seiner Bandlücke. Sie beschreibt den energetischen Abstand zwischen dem Valenz- und dem Leitungsband eines Festkörpers. Bei Halbleitern ist bei sehr tiefen Temperaturen zunächst nur das Valenzband mit Ladungsträgern besetzt: Das Material ist nichtleitend. Durch Energiezufuhr können sie jedoch in das Leitungsband wandern und so einen Stromfluss ermöglichen. „Die Bandlücke von Galliumoxid gilt unter Fachleuten als ultrabreit“, sagt Dr. Gregor Hlawacek, Leiter der Abteilung Ioneninduzierte Nanostrukturen am Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung des HZDR. Diese Bandlücke macht das Material besonders attraktiv für Anwendungen in der Energiespeichertechnik und Leistungselektronik, gerade in Bereichen hoher elektrischer Feldstärken, bei denen heute etablierte Halbleitermaterialien unweigerlich zerstört würden.
„Die Idee zu GoFIB kam mit einer Entdeckung unserer norwegischen Partner: Sie konnten die Kristallstruktur von Galliumoxid in seiner stabilsten Form erstmalig durch Ionenbeschuss in eine andere überführen. Das ursprünglich vorliegende beta-Galliumoxid haben sie dabei in kappa-Galliumoxid verwandelt. In dieser Erscheinungsform – wir sagen dazu auch Modifikation – zeigt die Substanz eine große elektrische Polarisation, die um eine Größenordnung höher ist als die von Galliumnitrid, einem Material, das bereits zum Beispiel in der Optoelektronik etabliert ist. In dieser Form ist Galliumoxid zudem sehr stabil gegen weitere Bestrahlung”, beschreibt Hlawacek den Ausgangspunkt des Projekts.
Das Problem: Die unterschiedlichen Kristallstrukturen von Galliumoxid weisen jeweils verschiedene Bandstrukturen auf. Schon die kontrollierte Herstellung nur einer davon mittels moderner Dünnschichttechnologie ist schwierig. Der Polymorphismus – das gleichzeitige Vorliegen verschiedener Modifikationen des Materials – erschwert aufgrund des jeweils unterschiedlichen Kristallisationsverhaltens auch eine sequentielle Abscheidung, da es zu unkontrolliertem Wachstum unerwünschter Kristallphasen kommen kann. Das ließe sich jedoch in einen Vorteil ummünzen, wenn man die Kontrolle über die Schichtung dieser Modifikationen und das dann mögliche Nanostrukturdesign gewinnen könnte: Durch ihr gezieltes Neben- und Übereinanderstapeln lassen sich dann verschiedene Eigenschaften präzise beeinflussen.
Mit fokussiertem Ionenbeschuss gezielt Eigenschaften verändern
Das Team will nun an der norwegischen Entdeckung anknüpfen und eine Methode etablieren, mit der die kontrollierte polymorphe Umwandlung von Galliumoxid im festen Zustand mit Hilfe von Ionenstrahlen praktikabel wird, wie Hlawacek umreißt: „Der Ionenbeschuss verursacht einen sich allmählich ansammelnden Strahlenschaden, der zum Aufbau von Druckspannungen im Material führt und den Übergang in eine andere Modifikation zur Folge hat. Diese Methode lässt sich sowohl auf großen Wafer-Flächen als auch lokal begrenzt anwenden. Erste Erfahrungen aus Norwegen zeigen uns, dass auch die Dicke der umgewandelten Schicht gut kontrollierbar ist.“
Die Forschenden der Universität Helsinki unterstützen das im Mai 2022 gestartete und für drei Jahre konzipierte Projekt durch Simulationen der Bestrahlungs- und Diffusionsvorgänge, von deren Ergebnissen sie sich Hinweise auf optimale Prozessbedingungen erhoffen. Die Universität Oslo wird sich dabei der großflächigen Herstellung von kappa-Galliumoxid widmen sowie die angedachte Funktionalität der Schichten und Nanostrukturen überprüfen. Am HZDR sind die Strukturierung in der Ebene mithilfe von fokussierten Ionenstrahlen aus Helium, Neon, Lithium, Gallium und Zinn sowie die Suche nach geeigneten Charakterisierungs-Verfahren geplant.
Das Team will lokal begrenzte Nanostrukturen im sub-Mikrometer Bereich aus kappa-Galliumoxid in einer umgebenden Matrix aus beta-Galliumoxid herstellen. Der Clou solcher Strukturen: Sie ermöglichen anschließend die Erzeugung funktioneller Nanostrukturen mit optimierten elektrischen, optischen und thermoelektrischen Eigenschaften. Darüber hinaus können die Wissenschaftler*innen an den dabei entstehenden Grenzflächen zudem die Metallatomdiffusion studieren, deren Verständnis essentiell für Anwendungen in der Energiespeichertechnik ist.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Weitere Informationen:
Dr. Gregor Hlawacek
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
Tel.: +49 351 260 3409 | E-Mail: g.hlawacek@hzdr.de
Medienkontakt:
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Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
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Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
– Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
– Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
– Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt fast 1.5000 Mitarbeiter*innen – davon etwa 670 Wissenschaftler*innen inklusive 220 Doktorand*innen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
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