Mit kleinen Partikeln Großes bewirken
Projekt NanoSTeW geht neue Wege in der Kupferverarbeitung.
Neue kupferbasierte Werkstoffe für den 3D-Druck entwickeln und dabei das Thema Nachhaltigkeit ins Visier nehmen, das ist in den kommenden fünf Jahren das Ziel von Dr. Silja-Katharina Rittinghaus. Die Wissenschaftlerin der Bergischen Universität Wuppertal erhält vom Bundesministerium für Bildung und Forschung rund zwei Millionen Euro für den Aufbau einer neuen Nachwuchsgruppe.
„Im Projekt NanoSTeW suchen wir nach einer neuen Materialzusammensetzung, die möglichst fest und möglichst leitfähig ist, um sie zur Herstellung von Bauteilen in der additiven Fertigung, also im 3D-Druck, einzusetzen. Konkret fokussieren wir uns auf Kupfer und widmen uns einem Problem, das sich bei seinen Legierungen ergibt“, erklärt Gruppenleiterin Silja-Katharina Rittinghaus das Vorhaben. Und das steckt dahinter: Kupfer spielt in verschiedenen Anwendungsbereichen der Industrie aber auch in unserem Alltag eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel in elektronischen Geräten zum Schutz vor Überhitzung: Das Metall besitzt eine hohe Leitfähigkeit, sodass die im Betrieb entstehende Wärme durch das Kupfer schnell abgeführt wird. Reines Kupfer, das sich als metallisches Pulver auch im 3D-Drucker verarbeiten lässt, ist zwar am leitfähigsten, dann aber auch ein verhältnismäßig weicher Werkstoff. Um höchste technische Ansprüche zu erfüllen, muss das eingesetzte Material fester sein. Das gelingt über Kupferlegierungen, also Verbindungen mit anderen Metallen. Das Problem: Bislang bekannte Werkstoffe sind nicht mehr so leitfähig wie reines Kupfer, sodass die aus ihnen gefertigten Teile nicht das volle Potenzial an Kühlleistung ausschöpfen. Gesucht werden also neue Legierungen, die bei Wärmeleitfähigkeit und Festigkeit voll punkten.
Aus drei mach eins
In den Fokus des NanoSTeW-Vorhabens rücken dafür winzige Teile: Nanopartikel aus Silber und Yttriumoxid. Silber führt in Kombination mit anderen Elementen dazu, dass die Festigkeit des metallischen Stoffgemischs erhöht wird, ohne seine Leitfähigkeit negativ zu beeinflussen. Yttriumoxid sorgt dafür, dass das Material selbst bei hohen Temperaturen fester wird – ebenfalls ohne die Leitfähigkeit zu beeinträchtigen. Eine Neuheit ist es nun, beide Stoffe zugleich mit Kupfer zusammenzubringen. „Wir stellen uns der Aufgabe“, fasst Rittinghaus zusammen, „Kupfer, Silber und Yttriumoxid bestmöglich zusammenzusetzen und daraus für den 3D-Druck Kompositpulver neu zu entwickeln und gleich für zwei Anwendungsfälle zu testen.“ Gemeinsam mit ihren Projektpaten will Rittinghaus aus dem entwickelten Werkstoff Bauteile für eine Antriebskomponente für die Luft- und Raumfahrt fertigen sowie einen Keramikkühler mit Kupfer für das Thermomanagement in elektronischen Geräten und Bauteilen beschichten. Der Kühler könnte zukünftig beispielsweise im Bereich der Elektromobilität Anwendung finden, etwa in Batteriemanagementsystemen, wo er hilft, die Temperatur zu kontrollieren.
Der Umwelt zuliebe
Als zusätzliche Komponente rückt die Forschungsgruppe den Recyclingprozess in den Fokus. Ziel ist es, die gesamte Herstellung des neuen Stoffgemischs möglichst ressourcenschonend zu gestalten – und das auf verschiedenen Ebenen. „Einerseits schauen wir, wie brauchbar Kupfer für unser Pulver ist, das wir als Sekundärrohstoff aus anderen Produkten gewinnen können. In unserem Projekt ist das zum Beispiel Kupfer aus ausrangierten Solarpaneelen“, beschreibt Rittinghaus. Zum anderen berücksichtigen die Forschenden die Frage, wie das Kupfer aus den Herstellungsversuchen wiederverwertet werden kann, die im Ergebnis noch nicht die erwünschten Eigenschaften vorweisen.
Wissen, das sich übertragen lässt
Über die verschiedenen Projektschritte bringt das Vorhaben Wissenschaftler*innen mit Expertise aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammen: aus Materialwissenschaft, Werkstofftechnik, Chemie und Nanotechnologie, ebenso wie aus Physik, Verfahrenstechnik und Informatik. Daneben wird das Projekt von Paten aus der Industrie begleitet. Rittinghaus: „So wollen wir sicherstellen, dass sowohl wissenschaftliche als auch technische Aspekte berücksichtigt werden und eine wirtschaftliche Umsetzung möglich ist.“ Dadurch, dass im Projekt Bauteile für zwei verschiedene Anwendungsfälle – Raumfahrttechnik und Elektronik – entwickelt werden, die sich in ihren geometrischen und funktionalen Anforderungen unterscheiden, sollen das Potenzial, die Flexibilität sowie die Übertragbarkeit der entwickelten Lösungen auf weitere Materialsysteme verdeutlicht werden. „In NanoSTeW nutzen wir die Materialforschung, um Impulse für neue Anwendungen zu geben und wichtige Technologien zukunftsfähiger und nachhaltiger zu gestalten“, so Rittinghaus.
Zur Person: Dr. Silja-Katharina Rittinghaus
Silja-Katharina Rittinghaus ist seit 2022 Habilitandin am Lehrstuhl für Werkstoffe für die additive Fertigung von Prof. Dr. Bilal Gökce. Sie hat zunächst an der RWTH Aachen Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Werkstoff- und Prozesstechnik studiert. Ihre Promotion führte sie ans Fraunhofer-Institut für Lasertechnik, wo sie an Hochtemperaturwerkstoffen arbeitete. Ihre Forschungsinteressen liegen unter anderem im Bereich der Materialwissenschaft, Werkstofftechnik, Pulvermetallurgie und der Entwicklung von 3D-Druckprozessen. Ab dem 1. Januar 2025 leitet sie die Nachwuchsgruppe NanoSTeW.
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Das rote Gold
Die heutigen Anwendungsbereiche von Kupfer entwickeln sich stetig weiter, hinzu kommen neue innovative Einsatzfelder. Weltweit werden etwa 26 Millionen Tonnen Kupfer pro Jahr benötigt. Aufgrund seiner Eigenschaften gilt es als wichtiges Technologie- und Funktionsmetall insbesondere für die Energiewende. Allerdings ist es in Deutschland nur begrenzt verfügbar: Die eigenen Vorräte reichen nicht aus, um die Nachfrage langfristig zu bedienen. Um unsere Zukunft nachhaltig zu gestalten, Ressourcen zu schonen und das Land unabhängiger von Kupferimporten aus dem Ausland zu machen, ist die effizientere Nutzung von Kupfer besonders erstrebenswert. Hier setzt das Projekt NanoSTeW an: Hauptziel ist die Entwicklung von neuen Kupferwerkstoffen, die die Wärme noch besser ableiten können als die bisher eingesetzten, und durch eine umfassende Betrachtung der beteiligten Stoffkreisläufe die Nachhaltigkeit von kupferhaltigen Produkten zu fördern. Neben der Verringerung des ökologischen Fußabdrucks von Produktionsprozessen resultiert daraus ein weiterer Effekt: „Wenn die Wärmeleitfähigkeit der eingesetzten Werkstoffe erhöht werden kann, werden auch die Anlagen und die Bauteile, die sie kühlen, leistungsfähiger und langlebiger. Damit tragen wir ebenfalls zur Ressourcenschonung bei“, erklärt Forschungsgruppenleiterin Silja-Katharina Rittinghaus.
Wie soll das gelingen? Das Vorgehen im Projekt
Festigkeit und Haltbarkeit machen Metalle zu einer geeigneten Wahl für das 3D-Druckverfahren. Dabei wird schmelzbares Material, Flüssigkeiten oder – wie im Fall des Projekts NanoSTeW – Pulver erhitzt, schichtweise mit Laser- oder Elektronenstrahlung (hochenergetischer Strahlung) umgeschmolzen und zu einem dreidimensionalen Körper aufgebaut. Vorlage für den Aufbau ist ein digitaler Entwurf des Gegenstands, der zunächst in einer Grafiksoftware am Computer erstellt wird. Später macht eine Art Übersetzungsprogramm die Datei für den Drucker lesbar. In diesem Schritt können auch spezifische Einstellungen für das Gerät vorgenommen werden, wie Konturgenauigkeit und Geschwindigkeit des Drucks.
Nano-Komposit-Herstellung
Die erste Herausforderung liegt für die Beteiligten in der Herstellung des zusammengesetzten Pulvers. Neu entwickelte Ansätze ermöglichen, dass die Nanopartikel aus Silber und Yttriumoxid sowie ihre Komposite mit dem Kupferpulver unter minimalem Einsatz von Hilfsstoffen hergestellt und verarbeitet werden. Das vermeidet Verunreinigungen und Oxidation, die die Materialeigenschaften negativ beeinflussen würden. Und so läuft das ab: Mit einem Laser schießen die Forschenden zunächst auf einen Festkörper aus Silber bzw. Yttriumoxid. Dieser Laserablation genannte Vorgang führt zu Verdampfung und Plasmabildung, wodurch Nanopartikel aus der festen Oberfläche in die Flüssigkeit freigesetzt und abgeschreckt werden. Neu und damit eine der Innovationen des Forschungsansatzes ist nun der Schritt, zwei verschiedene Sorten von Nanopartikeln mit dem Kupfer zu verbinden. Auch dieser Vorgang spielt sich in einer den Prozess unterstützenden Flüssigkeit ab. Variierende pH-Werte spielen hierbei eine Rolle, die dazu führen, dass die Nanopartikel an der Kupferoberfläche haften. Ein Vorteil dieser Herstellungsmethode gegenüber beispielsweise Mahlprozessen ist, dass das Kupferpulver seine ursprüngliche Form behält und sich weiterhin gut im 3D-Druck verarbeiten lässt. „Außerdem“, so Rittinghaus, „ist das Gesamtverfahren sehr flexibel, sodass Menge und selbst Größe zugefügter Nanopartikel leicht variiert werden können.“
Nichts dem Zufall überlassen
Eine weitere Innovation liegt in der Gestaltung der nun folgenden Pulververarbeitung im 3D-Druck. „Bei diesem Schritt geht es darum, ein neues Verfahren zu entwickeln, mit dem das Material nach dem Umschmelzen durch Elektronenstrahlung auf eine bestimmte Weise erstarrt, die schließlich zu den idealen Materialeigenschaften führt: wärmeleitfähig und fest“, verweist die Wissenschaftlerin auf das Thema Texturdesign. Plan ist es, die Mikrostruktur von zwei- und dreidimensionalen Objekten aus dem Drucker gezielt einstellen zu können, beispielsweise über die im Druckprozess eingesetzte Software. So soll auch eine gleichmäßige Verteilung der Pulverbestandteile im Endprodukt, die für gute Materialeigenschaften wichtig ist, sichergestellt werden.
Die Forschungsgruppe erhofft sich umfassende wissenschaftliche Erkenntnisse über Nano-Komposite und deren Verarbeitungstechnologien: Während des gesamten Prozesses – von Partikel- und Kompositpulverherstellung bis zur gedruckten Struktur – werden das Material einschließlich seiner Nano- und Mikrostruktur, Bauteile sowie die genutzten Verfahren immer wieder analysiert, um gesicherte Aussagen über die Eigenschaften des Materials und damit die Fortschritte im Projekt zu treffen. Im Erfolgsfall sollen die neuen Technologien gemeinsam mit den Paten umgesetzt werden.
Hintergrund Nachwuchsgruppe NanoSTeW
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ermöglicht es jungen, exzellenten Wissenschaftler*innen im Rahmen einiger Programme, Mittel für eine eigene Nachwuchsgruppe einzuwerben. Für ihre wissenschaftliche Weiterqualifizierung erhalten sie die Möglichkeit – oft in einem interdisziplinären Team – neue Forschungsfragen zu bearbeiten.
Auf der Grundlage des Rahmenprogramms „Vom Material zur Innovation“ fördert das BMBF Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik. Die Wuppertaler Nachwuchsgruppe NanoSTeW wird im Anwendungsfeld „Nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen und Materialien“ fünf Jahre lang mit rund zwei Millionen Euro gefördert und von Dr. Silja-Katharina Rittinghaus an der Bergischen Universität Wuppertal geleitet. NanoSTeW steht für Nano-komponierte Schmelzmaterialien und deren Texturdesign für effizienten Wärmetransport in Strukturbauteilen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Silja-Katharina Rittinghaus
Lehrstuhl Werkstoffe für die additive Fertigung
E-Mail rittinghaus@uni-wuppertal.de
Weitere Informationen:
https://www.uni-wuppertal.de/de/news/detail/mit-kleinen-partikeln-grosses-bewirk… – Pressemeldung im Newsportal der Bergischen Universität mit weiterem Bildmaterial
https://mam.uni-wuppertal.de/de/ – Webseite Lehrstuhl Werkstoffe für die additive Fertigung
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