Molekulare Multiwerkzeuge

Schematische Darstellung des Austauschs von Oberflächen-Funktionen durch sichtbares Licht. © MPI-P

Das internationale Team von Wissenschaftlern hat Oberflächen entwickelt, die mit einem speziellen Molekül bedeckt sind, welches ein Ruthenium-Atom in seinem Zentrum hat. Dieser Molekül-Komplex ist fest mit der Oberfläche verbunden und wirkt quasi als molekularer Schraubenzieher.

„Man kann sich dieses Molekül als Schraubenzieher vorstellen, an den verschiedene Bits angedockt werden können. Dies bedeutet, dass wir die Oberfläche durch Wechsel der Bits mit verschiedenen Funktionen ausstatten können, wie z. B. wasserabweisenden Eigenschaften“, sagt Prof. Dr. Si Wu, Gruppenleiter am MPI-P (Abteilung von Prof. Dr. Hans-Jürgen Butt).

Das Andocken von solchen Bits – hier, sogenannten „Thioether-Gruppen“, organischen Molekülen, die ein Schwefelatom aufweisen – wurde bisher durch chemische Verbindungen bewerkstelligt, die nur schwer wieder entfernt werden konnten. Eine Entfernung war in der Vergangenheit nur über komplizierte chemische Methoden möglich, die gleichzeitig die funktionalen Thioether-Gruppen sowie die an der Oberfläche angebrachten Ruthenium-Komplexe zerstörte.

In ihrer Veröffentlichung zeigten die Forscher, dass die Entfernung der Thioether-Gruppen – also der Bits – einfach durch sichtbares Licht möglich ist. „Dies ist sehr wichtig wenn wir z. B. an Biomoleküle auf der Oberfläche denken, die durch UV-Licht zerstört werden können. Daher haben wir in unserer Arbeit mit sichtbarem Licht experimentiert, das weniger Energie besitzt und damit ggf. angedockte Biomoleküle nicht zerstört“, so Wu.

Mit der neu entwickelten Methode ist es somit möglich, Oberflächen sehr einfach zu strukturieren. Im Dunkeln wird die komplette Oberfläche mit einem Molekül mit gewünschten, beispielsweise wasserabweisenden, Eigenschaften funktionalisiert. Die Oberfläche wird daraufhin durch eine Schattenmaske beleuchtet.

Dies löst die Verbindungen zwischen dem Ruthenium-Komplex, der fest mit der Oberfläche verbunden ist, und der angedockten funktionalen Thioether-Gruppe. Nach Waschen der Oberfläche wird die Funktionalität somit an den belichteten Stellen entfernt, nur die unbelichteten Stellen bleiben zurück.

Da der Ruthenium-Komplex fest mit der Oberfläche verbunden ist, beim Waschen also zurückbleibt, kann er immer wieder genutzt werden, um andere „Bits“ – andere Funktionalitäten – auf die Oberfläche aufzubringen. Daher kann die Oberfläche mehrfach rekonfiguriert werden.
Ihre Resultate haben die Forscher nun in dem renommierten Journal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Über Prof. Dr. Si Wu
Si Wu wurde 1982 in Chongqing, China geboren. Er studierte Polymerchemie an der “University of Science and Technology of China (USTC)”, Hefei, China und erhielt einen Bachelor-Grad im Jahr 2005. Er wurde unterstützt durch das gemeinsame Promotionsprogram der USTC mit dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung. Im Jahr 2010 erhielt er seinen Doktorgrad mit einer Arbeit zu photoresponsiven Verbindungen von Azopolymeren. Seit 2012 ist er Gruppenleiter am MPI-P. 2018 wurde er als Professor an die USTC berufen und gründete eine neue Gruppe in Hefei. Aufgrund seiner Untersuchungen zu photoresponsiven Materialien bekam Si Wu eine Auszeichnung als eines der 10 führenden chinesischen Talenten in Wissenschaft und Technologie in Europa im Jahr 2016 in Dänemark verliehen.

Max-Planck-Institut für Polymerforschung
Das Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) zählt zu den international führenden Forschungszentren auf dem Gebiet der Polymerforschung. Durch die Fokussierung auf weiche Materie und makromolekulare Materialien ist das MPI-P mit seiner Forschungsausrichtung weltweit einzigartig. Seine Aufgabe ist es, neue Polymere herzustellen und zu charakterisieren. Zum Aufgabengebiet gehört auch die Untersuchung ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften. Das MPI-P wurde 1984 gegründet. Es beschäftigt mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem In- und Ausland, von denen die große Mehrzahl mit Forschungsaufgaben befasst ist.

Prof. Dr. Si Wu
Physics of Interfaces
Max Planck Institute for Polymer Research
Ackermannweg 10
D-55128 Mainz
Tel. +49(0)6131/379-196
email: wusi@mpip-mainz.mpg.de

https://www.nature.com/articles/s41467-018-06180-7

http://www.mpip-mainz.mpg.de/4392775/Dr_Si_Wu – Webseite von Prof. Dr. Si Wu
http://www.mpip-mainz.mpg.de – Webseite des MPI-P

Media Contact

Dr. Christian Schneider Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Überlebenskünstler im extremen Klima der Atacama-Wüste

Welche Mikroorganismen es schaffen, in den extrem trockenen Böden der Atacama-Wüste zu überleben, und welche wichtigen Funktionen sie in diesem extremen Ökosystem übernehmen – zum Beispiel bei der Bodenbildung –,…

Hoffnung für Behandlung von Menschen mit schweren Verbrennungen

MHH-Forschende entwickeln innovatives Medikament, um die Abstoßung von Spenderhaut-Transplantaten zu verhindern. Wenn Menschen schwere Verbrennungen erleiden, besteht nicht nur die Gefahr, dass sich die Wunde infiziert. Der hohe Flüssigkeitsverlust kann…

Neue Erkenntnisse zur Blütezeit-Regulation

Einfluss von Kohlenstoff- und Stickstoff-Signalwegen auf Blütenrepressoren bei Arabidopsis. In einer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift Plant Physiology hat ein internationales Forschungsteam, dem unter anderem Dr. Justyna Olas als eine…