Neue Beschichtung verhindert aseptische Entzündungen bei Hüftimplantaten

Beispiel für ein Hüftgelenkspfannenimplantat (Accolade II) Foto: Stryker European Operations B.V.

Ein Konsortium von elf Forschungs- und Industriepartnern hat sich unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT aus Aachen nun zusammengeschlossen, um eine neue Generation von Endoprothesen zur Behandlung aseptischer Lockerungserkrankungen zu entwickeln.

Das EVPRO-Projekt startete im Januar 2019 und wird von der Europäischen Union im Programm Horizon 2020 mit insgesamt 5,8 Millionen Euro gefördert. Ziel des Forschungsprojekts EVPRO ist es, der verkürzten Lebensdauer von Hüftrevisionsprothesen entgegenzuwirken und das Entzündungsrisiko zu reduzieren.

Die elf Projektpartner aus vier Ländern wollen so die Mobilität älterer Menschen und damit ihre Lebensqualität und ihr Wohlbefinden verbessern, indem sie Komplikationen im Zusammenhang mit implantierten Gelenkprothesen verringern und die Anzahl nachfolgender medizinischer Behandlungen reduzieren.

Die Partner erwarten, dass die Ergebnisse von EVPRO zu einer deutlichen Abnahme aseptischer Lockerungen beim Gelenkersatz führen werden.

Biologisch aktive Beschichtung lässt Implantate besser einwachsen

Die Forscher entwickeln im Projekt EVPRO innovative biologisch aktive Beschichtungen für die Hüftrevisionsendprothese, die in der Lage sind, Entzündungen an der Oberfläche der Endoprothese zu kontrollieren und die Knochenregeneration zu fördern. Die EVPRO-Beschichtung kombiniert ein neues bioaktives, adaptives, nano-funktionalisiertes, abbaubares Biomaterial mit extrazellulären Vesikeln, das in eine beständige knocheninstruktive, mikro- und nanoporöse TiO2-Oberfläche integriert ist.

Diese Beschichtungen werden an der Schnittstelle zwischen Implantat und entzündetem Gewebe eingebracht, um Entzündungen wahrzunehmen und selbstregulierend zu modulieren. Darüber hinaus können knochenbildende Zellen, sogenannte Osteoblasten, in die Beschichtung migrieren und einwachsen und so die Verbindung des Implantats mit dem Knochen stärken. Dies verbessert nicht nur die Heilung, sondern verlängert auch die Gesamtlebensdauer des Implantats.

Langfristig erwarten die Forscher, dass die Zahl der Operationen zum Ersatz abgenutzter Implantate abnimmt und sich dies direkt positiv auf die Dauer der erforderlichen Krankenhausaufenthalte und die Verschreibungen teurer Medikamente auswirkt. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts EVPRO entsprechen auf diese Weise den gesellschaftlichen Zielen der Europäischen Union, hunderttausenden von EU-Bürgern ein aktives Altern bei gleichzeitig hoher Lebensqualität zu ermöglichen.

Dr. Jochen Salber von der Chirurgischen Klinik des UMC Knappschaftskrankenhauses Bochum; Klinikum der Ruhr-Universität Deutschland sagt: »Auch wenn die EVPRO-Technologie sich noch in einem frühen Stadium befindet, birgt sie heute schon das Potenzial die Medinzintechnik in der Implantologie zu revolutionieren, denn sie kann die Therapie von Patienten mit aseptischer Lockerung der Endoprothese deutlich verbessern. Darüber hinaus könnten auch andere klinische Bereiche mit hohen Entzündungsraten von den Projektergebnissen stark profitieren.«

Entwicklung marktreifer Medizinprodukte

Gemeinsam mit dem Konsortium aus europäischen Universitäten und Partnern der Medizinprodukte- und Biotechnologieindustrie arbeitet das Fraunhofer IPT nun daran, ein marktreifes Produktportfolio für die neue Generation von Hüftrevisionsendprothesen aufzubauen.

In Kooperation mit den Unternehmen, die die neu entwickelte EVPRO-Technologie direkt nutzen können, arbeiten die Projektpartner bereits an passenden Vertriebskonzepten. Das Forschungsprojekt berücksichtigt dabei alle Prozessschritte zur Herstellung von Implantaten und bezieht auch präklinische Studien und spätere Endanwender ein.

Sobald die EVPRO-Implantate marktreif sind, wollen die Partner den Transfer der Beschichtungstechnologie von Hüftimplantaten auch auf primäre und sekundäre Knieimplantate prüfen, die ein Marktpotenzial von mehr als 3,2 Millionen Euro in der EU und den USA pro Jahr aufweisen. Später könnten auch weitere Gelenkersatzteile wie Schulter-, Knöchel- oder Ellbogenersatz direkt von der EVPRO-Technologie profitieren.

Darüber hinaus bieten weitere klinische Bereiche mit hohen Entzündungsraten vielversprechende Chancen für die weitere Nutzung der EVPRO-Technologie, beispielsweise beim Einsatz von Produkten wie Marknägeln oder Zahnimplantaten, Verbindungselementen wie Schrauben oder Nägeln sowie Wundauflagen für chronische Wunden oder schwere Verbrennungen.

Partner im EVPRO-Konsortium:

– Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland, (Bernd Giebel, Verena Börger, Stefan Landgräber)
– Lonza Netherlands B.V., Maastricht, Niederlande, (Bart van Dijk, Birgit Nelsen-Salz)
– Dublin City University, Dublin, Irland, (Damien King, Paul Cahill)
– Trinity College Dublin, Dublin, Irland, (Lorraine O´Discroll)
– Leibniz-Institut für interaktive Materialien, Aachen, Deutschland, (Barbara Dittrich, Cesar Rodriguez-Emmenegger)
– Universität Maastricht, Maastricht, Niederlande, (Daniel Molin, Nynke van den Akker)
– Meotec GmbH & Co. KG, Aachen, Deutschland, (Christoph Ptock)
– Stryker B.V., Amsterdam, Niederlande, (Eric Garling)
– Polytechnikum Turin, Turin, Italien, (Gianluca Ciardelli, Valeria Chiono)
– Knappschaftskrankenhaus Bochum, Bochum, Deutschland, (Jochen Salber, Siegfried Shah)

EVPRO erhält Förderung aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union Horizon 2020 im Rahmen der Fördervereinbarung Nr. 814495. Die hier präsentierten Materialien und Ansichten liegen ausschließlich in der Verantwortung der Autoren. Die EU-Kommission übernimmt keine Verantwortung für die Verwendung der dargestellten Informationen.

Dr. rer. nat. Claudia Skazik-Voogt

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT
Steinbachstraße 17
52074 Aachen
www.ipt.fraunhofer.de
claudia.skazik-voogt@ipt.fraunhofer.de

https://www.ipt.fraunhofer.de/de/presse/Pressemitteilungen/20190225_neue-beschic… Hier finden Sie diese Pressemitteilung und druckfähiges Bildmaterial.

Media Contact

Susanne Krause Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT

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