Neue Softwareplattform verbessert das Verständnis der Oberflächenbeschaffenheit von Industriebauteilen

Die Plattform contact.engineering ermöglicht es Nutzer*innen, Messwerte zur Oberflächenrauigkeit hochzuladen, zu analysieren und mit anderen zu teilen.
Bild: Rick Henkel, Lucas Frérot

Wissenschaftler entwickeln Plattform, die Messdaten zur Oberflächentopographie in einem digitalen Zwilling vereint.

  • Mit der kostenfreien Softwareplattform contact.engineering lassen sich Oberflächeneigenschaften vorhersagen
  • Die Plattform ermöglicht es, industrielle Endbearbeitungsprozesse systematisch zu optimieren
  • Nutzer*innen können über contact.engineering Messdaten veröffentlichen

Wissenschaftler der Universität Freiburg und der University of Pittsburgh/USA haben eine kostenfreie Softwareplattform entwickelt, welche die Analyse von Oberflächen erleichtert und standardisiert. Die Plattform contact.engineering ermöglicht es Benutzer*innen, einen digitalen Zwilling einer Oberfläche zu erstellen und so etwa vorherzusagen, wie schnell diese verschleißt, wie gut sie Wärme leitet oder an anderen Materialien haftet. Das Team um Dr. Michael Röttger vom Institut für Mikrosystemtechnik, Prof. Dr. Lars Pastewka und Antoine Sanner vom Institut für Mikrosystemtechnik und dem Exzellenzcluster livMatS der Universität Freiburg sowie Prof. Dr. Tevis Jacobs von der University of Pittsburgh/USA hat die Softwareplattform in der Fachzeitschrift Surface Topography: Metrology and Properties vorgestellt.

Topographie beeinflusst Materialeigenschaften

Alle technischen Materialien haben eine raue Oberfläche, auch wenn sie mit bloßem Auge glatt erscheinen. Unter dem Mikroskop betrachtet, gleichen die Oberflächen einer Berglandschaft. „Für Industrie und Forschung ist es von besonderem Interesse, deren Topographie genau zu kennen, da sie Eigenschaften wie Haftung, Reibung, Benetzbarkeit und Lebensdauer des Materials beeinflusst“, sagt Pastewka.

Zeit- und Kostenersparnis in der Fertigung

Hersteller müssen die Oberflächenbeschaffenheit von zum Beispiel Autobauteilen oder medizinischen Geräten sorgfältig kontrollieren, um eine einwandfreie Anwendung zu gewährleisten. Derzeit wird die optimale Oberflächenbeschaffenheit vor allem durch ein Trial-and-Error-Verfahren ermittelt, bei dem eine Reihe von Bauteilen mit unterschiedlichen Bearbeitungsmethoden hergestellt und ihre Eigenschaften getestet werden. Dies ist ein langsamer und kostspieliger Prozess. „Es wäre weitaus effizienter, die optimale Topographie für eine bestimmte Anwendung anhand wissenschaftlicher Modelle zu entwickeln, aber das ist derzeit nicht möglich“, sagt Jacobs. „Es würde erfordern, dass es wissenschaftliche Fortschritte bei der Verknüpfung von Topographie und Eigenschaften sowie technische Fortschritte bei der Messung und Beschreibung einer Oberfläche gibt.“

Contact.engineering ermöglicht diese Entwicklung und standardisiert das Verfahren: Die Plattform integriert automatisch die unterschiedlichen Daten verschiedener Messinstrumente, korrigiert Messfehler und schafft aus den Daten einen digitalen Zwilling der Oberfläche. Contact.engineering berechnet statistische Metriken und wendet mechanische Modelle auf die Oberflächen an, deren Verhalten sich auf diese Weise vorhersagen lässt. „Die Anwender*innen können so erkennen, welche topographischen Merkmale welche Eigenschaften beeinflussen. Dies erlaubt eine systematische Optimierung von Endbearbeitungsprozessen“, sagt Pastewka.

Open Science ermöglichen

Die Plattform dient auch als Datenbank, in der Anwender*innen Messergebnisse mit Kolleg*innen oder Projektpartner*innen teilen können. Benutzer*innen können ihre Oberflächenmessungen zudem der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Wenn sie ihre Daten veröffentlichen, wird ein Digital Object Identifier (DOI) erstellt, der in wissenschaftlichen Publikationen referenziert werden kann.

„Wir entwickeln contact.engineering stetig weiter und möchten noch weitere Analyse-Werkzeuge etwa zur chemischen Zusammensetzung der Oberflächen aufnehmen“, sagt Pastewka. „Ziel ist, dass die Anwender*innen einen möglichst umfassenden digitalen Zwilling erhalten. Deshalb begrüßen wir es auch, wenn Nutzer*innen aus Industrie und Forschung uns Verbesserungen an der Softwareplattform vorschlagen.“

Die Entwicklung von contact.engineering wurde vom Europäischen Forschungsrat, von der US National Science Foundation und vom Exzellenzcluster Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS) der Universität Freiburg gefördert.

Zur Anwendung contact.engineering: https://contact.engineering/

Faktenübersicht:
· Originalpublikation: Michael C. Röttger, Antoine Sanner, Luke A. Thimons, Till Junge, Abhijeet Gujrati, Joseph M. Monti, Wolfram G. Nöhring, Tevis D. B. Jacobs, Lars Pastewka: Contact.engineering – Create, analyze and publish digital surface twins from topography measurements across many scales. In: Surf. Topogr.: Metrol. Prop. 10 035032, DOI: 10.1088/2051-672X/ac860a
· Lars Pastewka ist seit 2017 Professor für Simulation an der Technischen Fakultät und Mitglied des Exzellenzclusters Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS) der Universität Freiburg.
· Pastewkas Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Simulation, Mikromechanik von Materialien, Materialoberflächen und Tribologie.
· Ein Team um Pastewka zeigte anhand von Computersimulationen, dass Flächen aus unterschiedlichen Materialien, die mit verschiedenen Methoden plastisch verformt werden, stets Oberflächenrauigkeit mit identischen statistischen Eigenschaften entwickeln. Zur Pressemitteilung: https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2020/gruende-der-rauheit

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Lars Pastewka
Institut für Mikrosystemtechnik
Exzellenzcluster Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS)
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-67480
E-Mail: lars.pastewka@imtek.uni-freiburg.de

Weitere Informationen:

https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2022/neue-softwareplattform-verbessert-…

Media Contact

Bastian Strauch Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

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