Qualitätsgesicherte Produktentwicklung in der Bekleidungsindustrie – Fehler frühzeitig erkennen und vermeiden
Aus dem Qualitätsmanagement ist bekannt, dass rund 75% aller Produktfehler in der Entwicklungsphase entstehen. Allerdings werden 80% dieser Mängel erst in späteren Arbeitsprozessen entdeckt und behoben.
Dabei erhöhen sich laut der so genannten Zehner-Regel die Kosten zur Fehlerbehebung von der Entwicklungs- über die Produktions- zur Nutzungsphase jeweils um den Faktor 10. Wenn der Fehler erst beim Kunden entdeckt wird, addiert sich zu den Fehlerkosten ein Imageverlust für das Produkt, der die reinen Fehlerkosten weit übersteigen kann.
Es ist klar: Je früher die Qualitätssicherung ansetzt, desto positiver die Effekte. Doch während sich in anderen Branchen – insbesondere der Automobilindustrie – bereits ausgereifte Verfahren zur präventiven Qualitätssicherung in der Produktentwicklung etabliert haben, finden diese in der Bekleidungsindustrie nahezu keine Anwendung.
Das Problem: Im kreativen Designprozess der Bekleidungsindustrie steht für die Entwicklung einer Vielzahl an Modellen innerhalb einer Kollektion nur sehr wenig Zeit zur Verfügung. Zudem variieren und verändern sich die textilen Materialien stetig. Inkompatibilitäten zwischen Material, Schnitt, Verarbeitung und Funktion sind an der Tagesordnung. Doch häufig werden solche Risiken nur für kurze Zeit wahrgenommen und geraten dann wieder in Vergessenheit, da keine zentrale Dokumentation und Prozessverfolgung stattfindet.
Die Entwicklungsprozesse laufen bei vielen Unternehmen eher unstrukturiert ab. Vieles erfolgt auf Zuruf. So ist auch ein geregelter Informationsrücklauf an das Design, z. B. in Bezug auf die Ergebnisse der Retourenanalysen der letzten Saison, nicht immer selbstverständlich.
Im Rahmen eines Forschungsprojektes (IGF-Nr. 17154 N) haben Wissenschaftler der Hohenstein Institute in Bönnigheim daher die Fragestellung untersucht „Welche QM-Werkzeuge sind für die kurzzyklische und kreative Produktentwicklung in der Bekleidungsindustrie geeignet?“ Projektleiterin Simone Morlock hatte mit ihrem Team immer die besonderen Anforderungen der Bekleidungsindustrie im Blick: „Unser Ziel war, eine Lösung zu finden, die sich stark an den Abläufen und Ansprüchen an die Kreativität sowie den organisatorischen und zeitlichen Möglichkeiten der Bekleidungsindustrie orientiert.“
Im Projekt wurden entscheidende Entwicklungspotentiale für die Bekleidungsbranche herausgearbeitet. Unter anderem wurden Checklisten entwickelt, mit deren Hilfe entworfene Modelle präventiv und systematisch geprüft werden können, und zwar bevor der weitere Herstellungsprozess, wie z.B. die Prototypenproduktion, angestoßen wird. So lassen sich Fehler effektiv vermeiden.
Besonders hervorzuheben ist die durch das Projekt initiierte Workshop-Reihe mit der Zielsetzung, die qualitätsgesicherte Produktentwicklung über die in der Branche bekannten PDM- / PLM- und ERP-Systeme umzusetzen. An den Workshops nahmen sowohl namhafte Bekleidungsunternehmen aus den Sparten Funktion, Wäsche, Berufsbekleidung und hochmodischer Konfektion als auch branchenbekannte Anbieter von ERP-, PDM- bzw. PLM-Systemen teil. Durch die enge Zusammenarbeit konnten sowohl die Anforderungen der Bekleidungshersteller als auch die Möglichkeiten und Lösungsansätze der Softwareanbieter dargestellt werden. Gemeinsame Standards wie Meilensteine, Prüfmechanismen und notwendige Systemfunktionen wurden definiert, um so zukünftig auch dem aufwändigen Customizing von EDV-Systemen entgegenzuwirken.
Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens können in der Praxis modular eingesetzt und miteinander kombiniert werden. Simone Morlock erwartet dabei spürbare finanzielle Vorteile: „Mit einer qualitätsgesicherten Produktentwicklung lassen sich Fehlerkosten signifikant reduzieren“. Doch dafür ist es wichtig, alle am Entwicklungsprozess beteiligten Mitarbeiter für Fehlerfolgen zu sensibilisieren. Es muss ein Bewusstsein für offensichtliche und vor allem versteckte Fehlerkosten geschaffen sowie deren Ursachen dauerhaft abgestellt werden. Für alle Unternehmen sind auch bei partieller Umsetzung von qualitätssichernden Maßnahmen positive Effekte zu erwarten, wie z.B. die Erhöhung der Produkt- und Prozessqualität sowie die dauerhafte Reduzierung von Entwicklungsschleifen und Fehlerkosten. In jedem Fall können Störfaktoren im Herstellungsprozess durch die Anwendung von Qualitätsmethoden zukünftig besser beherrscht werden.
Kontakt:
Simone Morlock
s.morlock@hohenstein.de
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Weitere Informationen:
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