…schwarz wie Ebenholz
Der junge Geiger landet in Berlin am Flughafen, sein teures Meister-Instrument im Gepäck und voller Vorfreude auf seinen Auftritt am nächsten Abend. Am Zoll wird er angehalten. Eine Stunde später verlässt er den Flughafen – ohne seine Geige. Sie wurde beschlagnahmt.
Wie bei vielen Geigen bestehen nämlich auch beim Instrument des jungen Künstlers Saitenhalter und Griffbrett aus Ebenholz, ein Tropenholz, das auf der CITES-Liste («Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora») der geschützten Hölzer steht. Somit darf Ebenholz nur eingeführt werden, wenn die legale Herkunft des Materials am Zoll nachgewiesen werden kann. Einige der 183 CITES-Länder wenden diese Bestimmung nicht nur auf das Rohmaterial an, sondern auch auf damit gefertigte Produkte wie Musikinstrumente.
Dies hat zur Folge, dass zahlreiche Musikerinnen und Musiker nicht mehr mit ihren Instrumenten auf Reisen gehen wollen, weil jeder Grenzübertritt zum Risiko wird. Zahlreiche Instrumente wurden so bereits beschlagnahmt. Doch nicht nur das Reisen ist schwierig. Auch wer mit entsprechenden Instrumenten handelt, kann sich strafbar machen, wenn er die legale Herkunft des Materials nicht nachweisen kann. Bereits das Anbieten entsprechender Produkte auf einer Internetplattform kann eine Anzeige zur Folge haben.
Alternative zu Tropenhölzern
Zurück zu unserem jungen Geiger: Er möchte weiterhin mit dem Meister-Instrument auf Tournee. Und natürlich möchte er keine Probleme am Zoll. Ausserdem will er sicher sein, dass er seine wertvolle Geige bei Bedarf legal verkaufen kann. Ein Zertifikat über die Herkunft des Holzes seiner Geige hat er jedoch nicht. Sein Geigenbauer erklärt ihm ausserdem, dass er nicht auf Ebenholz verzichten kann: Das Tropenholz ist aufgrund seiner Härte, der guten Bearbeitbarkeit und hervorragender Klangeigenschaften geradezu optimal für den Geigenbau. Zudem ist seine edle dunkle Farbe ein Hingucker. Das Holz einer Buche oder eines Schweizer Bergahorns kann da nicht mithalten.
Bis jetzt. Forschende der Empa und der ETH Zürich haben gemeinsam das Start-up «Swiss Wood Solutions» gegründet und einen Weg gefunden, Schweizer Hölzer so zu modifizieren, dass sie die Eigenschaften bedrohter Tropenhölzer wie Ebenholz oder Grenadill aufweisen. Letzteres wird vor allem für den Bau von Klarinetten und Oboen verwendet. Dabei wird Schweizer Bergahorn aus nachhaltiger Waldwirschaft zugeschnitten und in einer wässrigen Lösung eingelegt.
Danach wird das Holz getrocknet und mittels dem Heisspressverfahren komprimiert. Dies erlaubt es, Holzeigenschaften, die für den Instrumentenbauer besonders wichtig sind, gezielt einzustellen. So benötigt man etwa für den Klarinettenbau eine etwas geringere Holzdichte als für Griffbretter für Violinen. Auch die Ansprüche an Farbe und Schallleitungsgeschwindigkeit sind unterschiedlich, wie Oliver Kläusler, CEO von «Swiss Wood Solutions» erklärt: ««Mit unserem Verfahren können wir diese Parameter selber bestimmen. Das ermöglicht beispielsweise dem Geigenbauer eine gezieltere Feinabstimmung des Instruments.»
Besser als das Original
Das Spin-off ist nicht das erste Unternehmen, das sich auf Alternativen zu Tropenhölzern spezialisiert. Es gibt bereits entsprechende Materialien, zum Beispiel Holz-Kunststoff-Komposite oder Carbon-Materialien. Deshalb hat Kläusler im Frühling 2017 Hörtests mit professionellen Musikern und Musikstudierenden durchgeführt, um diese Materialien direkt miteinander zu vergleichen. Erfreuliches Ergebnis: «Swiss Ebony» belegte zusammen mit echtem Ebenholz Platz 1.
Der Geigenbauer Boris Haug aus Suhr hat daraus Saitenhalter für Profiinstrumente hergestellt, die anschliessend über Wochen bespielt wurden. «Eine Musikerin wollte unseren Cello-Prototyp gar nicht mehr herausrücken und bot uns an, uns stattdessen ihren hochwertigen Ebenholz-Saitenhalter zu überlassen», so Kläusler. Ihre Begründung: Ihr Cello klinge mit Swiss Ebony «sexier» als zuvor. Auch preislich kann die Ebenholz-Alternative mit ihrem natürlichen Vorbild bereits mithalten. Trotzdem wollen Kläusler und sein Team den Preis weiter senken und legen zudem grossen Wert darauf, den gesamten Produktionsprozess umweltfreundlich und nachhaltig zu gestalten.
Momentan ist «Swiss Wood Solutions» auf der Suche nach Investoren, um das Produkt auf den Markt zu bringen. Die bisherigen Entwicklungsarbeiten wurden durch zwei Grants der Gebert-Rüf-Stiftung finanziert. Zudem erhält das Spin-off Coaching-Unterstützung von verschiedener Seite, etwa von Experten der Kommission für Technologie und Innovation (KTI), des Empa-Inkubators «glaTec» und von «Venture Kick».
Da ist mehr als Musik drin
Künftig könnte das Schweizer Ebenholz für Lifestyle-Produkte wie Uhrenbauteile, Billard-Queues und Messergriffe Verwendung finden. Wie Gespräche mit potenziellen Kunden ergaben, entstehen in diesen Märkten zurzeit sehr ähnliche Herausforderungen wie auf dem Markt für Musikinstrumente. Zudem arbeitet das Spin-off momentan an einer neuen Methode zum Färben seiner Holzprodukte. Auch dies soll weitere Einsatzmöglichkeiten für das Material erschliessen. «Aber das ist Zukunftsmusik», so Kläusler. «Der kurzfristige Fokus liegt darauf, Musiker mit Instrumenten auszustatten, die höchsten musikalischen Ansprüchen genügen. Nachhaltig und ökologisch.» Und: Orchester könnten wieder bedenkenlos mit ihren eigenen Meister-Instrumenten auf Welt-Tournee gehen. Ohne schlechtes Gewissen.
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