Von spröde kaum noch eine Rede

REM-Aufnahme der Bruchkante einer Ti2AlN-Schicht mit plättchenartigem Gefüge. © Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM

Regenerativ erzeugter Wasserstoff ist ein idealer Energieträger, der künftig in Brennstoffzellen und Autos zum Einsatz kommen soll und Erdgas als Energielieferant ergänzt. Doch kann atomarer Wasserstoff bei hohen Temperaturen Metall verspröden lassen.

Lukas Gröner vom Fraunhofer IWM, MikroTribologie Centrum µTC, hat jetzt eine robuste Beschichtung entwickelt, die Stahl wirkungsvoll vor dem Eindringen von Wasserstoff schützt. Die Barrierewirkung dieser sogenannten MAX-Phasen-Schicht ist 3500-mal größer als die von unbehandeltem Stahl.

Die Ergebnisse hat er in der Zeitschrift Materials (doi: 10.3390/ma13092085) veröffentlicht.

Der Wind bläst, wann er will. Für die Produktion von Windenergie ist das ein echtes Problem, denn die Windräder liefern nicht immer Strom, wenn man ihn braucht. Und an windigen Tagen steht im Stromnetz mitunter mehr Strom zur Verfügung, als man gerade benötigt.

Deshalb ist es sinnvoll, das Überangebot an Wind- und auch an Solarstrom anders zu nutzen – beispielsweise für die Produktion von Wasserstoff. Wasserstoff ist ein umweltfreundlicher Energieträger, der sich sehr gut speichern lässt. Bei seiner Verbrennung entsteht als Abfallprodukt lediglich Wasser. Er kann Erdgas beigemischt und in Gaskraftwerken zur Energieerzeugung genutzt werden.

Er kann in Autos als Treibstoff dienen oder Strom und Heizwärme in Brennstoffzellen erzeugen. All das macht den Wasserstoff zu einem Hoffnungsträger der Energiewende. Noch aber sind einige Hürden zu überwinden, ehe der Wasserstoff in großem Stil zum Einsatz kommen kann. Eine Herausforderung besteht darin, dass atomarer Wasserstoff Metalle verspröden lässt.

Das kann dazu führen, dass Bauteile versagen. Atomarer Wasserstoff sammelt sich ausgerechnet an jenen Stellen im Bauteil an, die besonders beansprucht sind, etwa an Schweißnähten oder in Bereichen, die unter Spannung stehen. Insbesondere bei Bauteilen, die hohen Betriebstemperaturen ausgesetzt sind, kann die Wasserstoffversprödung zum Problem werden.

Die Wasserstoffbarriere vereint Stärken von Keramik und Metall

Der Physiker Lukas Gröner hat in seiner Promotionsarbeit am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, MikroTribologie Centrum µTC, und am Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg im Breisgau [2] deshalb spezielle Beschichtungen für Bauteile aus Stahl entwickelt und getestet, die das Eindringen von atomarem Wasserstoff nahezu unterbinden. Dabei handelt es sich um sogenannte MAX-Phasen-Materialien, an denen international seit mehr als zehn Jahren geforscht wird.

»MAX-Phasen haben verblüffende Eigenschaften, weil sie Merkmale von Keramiken und Metallen vereinen«, so Lukas Gröner, Wissenschaftler in der Gruppe Tribologische und funktionale Schichtsysteme. MAX-Phasen sind, wie Keramiken, unempfindlich gegen Angriff durch Sauerstoff und sehr hitzebeständig. Zugleich sind sie elektrisch leitend wie Metalle. Und anders als reine Keramiken sind sie nicht spröde, weshalb sie nicht zerbrechen.

Lukas Gröner ist es nun gelungen, dünne MAX-Phasen-Beschichtungen zu erzeugen, die den Stahl sehr gut vor Korrosion und Versprödung durch Wasserstoff schützen. In einer Vakuumkammer schied er dazu zunächst sehr präzise abwechselnde Lagen aus Alumniniumnitrid, einer Aluminiumstickstoff-Verbindung, und Titan auf einer Stahloberfläche ab mithilfe physikalischer Gasphasenabscheidung PVD. Anschließend wurde dieser nur etwa drei Mikrometer dicke Sandwichaufbau erhitzt, wobei sich eine sehr dünne MAX-Phasen-Schicht aus Titan, Aluminium und Stickstoff (Ti2AlN) bildete.

Die Herausforderung bestand für Lukas Gröner darin, das Abscheiden von Titan und Aluminiumnitrid so zu steuern, dass sich beim anschließenden Erhitzen parallele Ti2AlN-Plättchen ausbildeten. Das hat geklappt: »Die Plättchen liegen wie Ziegel in einem Mauerwerk dicht an dicht aufeinander«, beschreibt Lukas Gröner den Erfolg.

In seiner Promotionsarbeit untersuchte Lukas Gröner auch, wie sich die MAX-Phasen-Beschichtung verhält, wenn sie stark erhitzt wird – so wie es künftig in Gasturbinen oder Brennstoffzellen der Fall sein könnte. Um übliche Betriebsbeanspruchungen nachzustellen, erwärmte er das Material auf 700 Grad und ließ es bis zu 1000 Stunden im Ofen.

Dabei entstand an der Oberseite der Beschichtung eine dünne Lage aus einem speziellen Aluminium-Oxid – dem α-Al2O3. Wie sich im weiteren Verlauf der Untersuchungen zeigte, verstärkt dieser dünne Aluminium-Oxid-Belag die Barrierewirkung der Schutzschicht gegenüber Wasserstoff ganz erheblich.

Neuer Prüfstand misst Barrierewirkung gegenüber Wasserstoff

Um zu prüfen, wie gut die MAX-Phasen-Schicht das Eindringen von Wasserstoff ins Metall verhindert, entwickelte Lukas Gröner zunächst einen Prüfstand für blechförmige Proben neu. In diesem Versuchsstand verglich er unbeschichtete Stähle mit MAX-Phasen-beschichteten Stählen. Damit war es erstmals am Fraunhofer IWM möglich, das Eindringen des Wasserstoffs genau zu quantifizieren und den sogenannten Permeationsreduktionsfaktor (PRF) als Maß für die Barrierewirkung zu bestimmen.

Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Stähle mit einer MAX-Phasen-Schicht, die nicht erhitzt wurden, hielten den Wasserstoff immerhin 50-mal (PRF 50) besser zurück als unbehandelte Stähle. Besonders eindrucksvoll aber waren die Ergebnisse für die beschichteten Stähle, die erhitzt worden waren und eine α-Al2O3-Schicht gebildet hatten.

Diese hielten den Wasserstoff rund 3500-mal stärker zurück als der unbehandelte Stahl. »Das sind Werte, die den Anforderungen der Industrie absolut genügen«, betont Lukas Gröner.

Wie gut die MAX-Phasen-Schichten in der Anwendung funktionieren, testet Lukas Gröner derzeit in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern wie dem Forschungszentrum Jülich – beispielsweise an Hochtemperaturbrennstoffzellen (SOFC), die mit Betriebstemperaturen von rund 600 Grad Celsius arbeiten.

Gröner: »Die MAX-Phasen-Beschichtungen sind für solche Anwendungen ideal, weil sie die metallischen Bauteile vor Hitze schützen und zugleich den elektrischen Strom ableiten können, der im Inneren der Brennstoffzelle entsteht.«

Auch für Gasturbinen sei die Beschichtung geeignet. Denn dem Erdgas soll künftig mehr und mehr regenerativ erzeugter Wasserstoff beigemischt werden, was dazu führt, dass das Gas mit höherer Temperatur verbrennt.

Mehr Wasserstoff und höhere Temperaturen erhöhen aber das Risiko der Wasserstoffversprödung, weshalb eine Bauteil-Beschichtung mit α-Al2O3 hier sehr vorteilhaft sein kann.

Ob das neue Beschichtungsverfahren künftig von der Industrie als Dienstleitung angeboten wird oder in anderer Form den Weg in den Markt findet, kann Lukas Gröner derzeit noch nicht sagen. Auch müssen die einzelnen PVD-Beschichtungs-Prozessschritte noch optimiert werden. Dass sich mit MAX-Phasen-Schichten ein hervorragender Schutz vor Wasserstoff erzeugen lässt, hat Lukas Gröner aber in jedem Fall bewiesen.

Lukas Gröner l Telefon +49 761 5142-488 l lukas.groener@iwm.fraunhofer.de | Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, Freiburg l www.iwm.fraunhofer.de

Gröner, L.; Mengis, L.; Galetz, M.; Kirste, L.; Daum, P.; Wirth, M.; Meyer, F.; Fromm, A.; Blug, B.; Burmeister, F. Investigations of the Deuterium Permeability of As-Deposited and Oxidized Ti2AlN Coatings. Materials 2020, 13, 2085,
DOI: https://doi.org/10.3390/ma13092085

http://publica.fraunhofer.de/dokumente/N-593436.html – Lukas Gröner, Untersuchungen zur Synthese und Mikrostruktur von Ti2AlN-Dünnschichten sowie deren Schutzwirkung auf ferritische Stähle, Fraunhofer IWM Forschungsberichte, Band 24, Fraunhofer Verlag, Freiburg, 2020, ISBN 978-3-8396-1619-2

Media Contact

Katharina Hien Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM

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