Warum Teige an Oberflächen kleben

Auf den Gärtüchern bilden sich im Labor nach zwölf Wochen gesundheitsschädliche und zellstoffzersetzende Keime. Bild: Richard-Sebastian Moeller/KIT

Teige haften gerne fest an allen Oberflächen, mit denen sie beim Verarbeiten in Berührung kommen. Die Folge: Es werden zusätzliche Hilfsstoffe wie teure Spezialmehle, die nicht stauben, benötigt, die Reinigung wird aufwendiger, die Maschinen stehen währenddessen still und es kommt zu Produktionsausfällen.

Speziell auf Gärtüchern, wie man sie für manche Brotteige oder Hefeteig braucht, schimmeln Teigreste außerdem sehr schnell, da sie im Gärschrank bei Temperaturen um die 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit liegen. Die Tücher müssen daher immer wieder ersetzt werden.

„Wir haben deshalb untersucht, welchen Einfluss die Kontaktdauer von Teig und Werkstoff hat und wie sich die Oberflächenstruktur der Werkstoffe auf die Teighaftung auswirkt“, sagt Sebastian Moeller vom Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik des KIT.

Mit einem Laser-Raster-Mikroskop nahmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Struktur der Oberflächen von Gärtüchern, Transportbändern und Backblechen aus Edelstahl auf. Die Bilder werteten sie dann nach Oberflächenparametern wie Rauheitswerte, Höhenverteilung des Materials und Aufteilung des Oberflächenprofils in Spitzen-, Kern- und Talbereiche aus.

„Mit Versuchen in einer Zentrifuge haben wir außerdem die Haftkräfte von Teig ermittelt. Dabei haben wir Teigproben von den unterschiedlichen Arbeitsmaterialien geschleudert. Wir fanden heraus, dass auch die Dauer des Kontakts zwischen Teig und Oberfläche dafür entscheidend ist, wie stark er klebt“, so Moeller. Nach kurzer Kontaktzeit blieb am Edelstahl und an Transportbändern deutlich mehr Teig kleben als an Gärtüchern.

Bei den Transportbändern beeinflussten Waffel- oder Rippenstruktur die Klebrigkeit des Teiges. Sie verringerten die Kontaktfläche zum Teig, sodass sich geringere Adhäsionskräfte entwickelten. Bei den Gärtüchern konnte man erst nach längerer Kontaktdauer einen Unterschied zwischen den Materialien beobachten.

„Vor allem an Tüchern aus Polyester blieb deutlich mehr Teig kleben als an Baumwollgärtüchern. Eine Zunahme der Teighaftung war mit längerer Kontaktdauer aber bei allen Materialien zu erkennen“, sagt Sebastian Moeller. Zu gleichen Ergebnissen kamen die Partner von der TU München mit einer Kippapparatur im Labormaßstab.

Im nächsten Schritt wurden Gärtücher über zwölf Wochen in einer Bäckerei getestet. „Nach sechs Wochen bildeten sich auf allen Gärtüchern Mehl- und Teigrückstände. Da diese dann sehr schnell verderben können, sollte man die Tücher wechseln“, empfiehlt Moeller.

Durch Reinigungsvorgänge wie das Abbürsten und Waschen rauten sich außerdem die Polyestergärtücher auf, der Teig klebt damit weniger stark fest. Die Baumwolltücher hingegen bekamen eine flachere Struktur, was die Teighaftung verstärkte. „Je rauer und luftdurchlässiger ein Material ist, desto geringer das Haftverhalten. Besonders stark klebt der Teig bei den Backblechen, die ja keine Luft durchlassen“, so Sebastian Moeller.

Die Ergebnisse der Studie sollen in Zukunft dabei helfen, Materialien und Werkstoffe auszuwählen oder zu entwickeln, an denen Teige weniger stark haften und auf denen sich weniger Keime bilden. So wollen die Wissenschaftler Hygiene und Produktivität von Bäckereien steigern, die Rohstoff-, Entsorgungs- und Reinigungskosten senken und die Arbeitssicherheit erhöhen.

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen.

Seine 26 000 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

Weiterer Pressekontakt: Sandra Wiebe, Pressestelle, Tel.: +49 721 608-46212, sandra.wiebe@kit.edu

Media Contact

Monika Landgraf Karlsruher Institut für Technologie

Weitere Informationen:

http://www.kit.edu

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…