Wie aus einem Badeschwamm ein biobasierter industrieller Filter wird

Prof. Hermann Ehrlich betrachtet ein Stück des neuartigen Werkstoffs.
Bild: C. Mokry / TU Bergakademie Freiberg

TU Freiberg präsentiert neuen Verbundwerkstoff…

Aus einem gezüchteten marinen Schwamm entwickelten Forschende der TU Bergakademie Freiberg einen innovativen Werkstoff. Reagieren die Fasern des Schwamms mit einer kupferhaltigen Ammoniaklösung, wie sie beispielsweise in der Elektronikindustrie anfällt, entsteht das Mineral Atacamit. Dieses Mineral, das in der Natur nur sehr selten vorkommt, heftet sich so stark an die Schwammfasern, dass ein robustes Material entsteht, welches katalytische und antibakterielle Eigenschaften hat und somit potenziell als bio-basierter industrieller Filter eingesetzt werden könnte.

Aus einem gezüchteten marinen Schwamm entwickelten Forschende der TU Bergakademie Freiberg einen innovativen Werkstoff. Reagieren die Fasern des Schwamms mit einer kupferhaltigen Ammoniaklösung, wie sie beispielsweise in der Elektronikindustrie anfällt, entsteht das Mineral Atacamit. Dieses Mineral, das in der Natur nur sehr selten vorkommt, heftet sich so stark an die Schwammfasern, dass ein robustes Material entsteht, welches katalytische und antibakterielle Eigenschaften hat und somit potenziell als bio-basierter industrieller Filter eingesetzt werden könnte.

Professor Hermann Ehrlich legt ein Stück Schwamm in eine alkalische kupferhaltige Ammoniaklösung, die ein Kupferbad aus der Herstellung von Leiterplatten für Elektronikkomponenten simuliert. Zirka 12 Stunden später hat sich der Schwamm blau verfärbt – getrocknet ist er fester als vorher, aber immer noch sehr leicht. „Bei einem pH-Wert von 9 öffnen sich die Fasern des Spongins und die organischen Verbindungen des Proteins verändern sich“, erklärt Prof. Hermann Ehrlich.

Das in der Ammoniaklösung enthaltene Kupfer reagiert sofort mit den organischen Anteilen des Spongins, vor allem mit den Aminosäure-Resten, und bildet das Mineral Atacamit. „Entlang der Spongin-Faser wachsen, wie an einer Schnur, nanometerkleine Kristalle“, veranschaulicht der Wissenschaftler. Sie stabilisieren das Gerüst und sorgen gleichzeitig dafür, dass der Schwamm in seiner einzigartigen Mikroarchitektur erhalten bleibt.

Welche molekularen Vorgänge bei der Bildung des Minerals Atacamit im Verbund mit dem Spongin der Schwammfasern vor sich gehen, klärte das Team um Prof. Hermann Ehrlich nun grundlegend auf. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden in einer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift Advanced Materials (https://doi.org/10.1002/adma.202101682).

Anwendung als biobasierter Filter für Abwasserreinigung oder Schadstoffentfernung möglich

Das dreidimensionale und poröse Material ist von Natur aus ein Filter. Gepaart mit den Eigenschaften des Atacamits ergeben sich vielfältige Potenziale für eine Anwendung des neuen Materials als Alternative zu synthetischen Filtern. „Unser Team konnte erstmals experimentell nachweisen, dass der Verbundwerkstoff aus marinen Badeschwämmen prinzipiell bei der Entwicklung von Sensoren, Katalysatoren und antibakteriellen Filtersystemen eingesetzt werden kann“, verdeutlicht Mit-Autor Prof. Martin Bertau von Institut für Technische Chemie der TU Bergakademie Freiberg.

Neues Material ist vielfach wiederverwendbar

Taucht Prof. Hermann Ehrlich den blauen Schwamm mit den Kristallen in eine saure Lösung, läuft die Reaktion rückwärts ab: Der Schwamm ist wieder in seinem Ursprungszustand und kann erneut für weitere Anwendungen aufbereitet werden. „Das neu entwickelte Material ist also immer wieder recycelbar“, so der Freiberger Biomineraloge begeistert.

„Auch nach bis zu 100 Anwendungszyklen ist die Reaktionsfähigkeit des Spongin-Atacamit-Verbundwerkstoffs noch gegeben“, bestätigt auch sein Kollege Prof. Martin Bertau. „Ist der Werkstoff am Ende nicht mehr wiederzuverwenden, ist der Schwamm biologisch abbaubar und das Kupfer aus der Lösung wird zurückgewonnen. Idealerweise elektrochemisch mit erneuerbaren Energien. Dass das geht, haben wir bereits gezeigt“, erläutert der Chemiker.

Hintergrund: Biomineralogie und extreme Biomimetik an der TU Bergakademie Freiberg

Seit zwei Jahren entwickeln die Forschenden aus Deutschland, Polen, Australien, Spanien und der Ukraine neue biomimetische Modelle und Alternativen zu Plastikgerüsten für die moderne Werkstoffwissenschaft. Unterstützt werden sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus sowie der Alexander von Humboldt Stiftung. Die Extreme Biomimetik ist ein neues, seit 2013 etabliertes wissenschaftliches Spezialgebiet an der TU Bergakademie Freiberg, das sich mit der Untersuchung natürlicher und künstlicher Phänomene zur Entwicklung neuartiger bioinspirierter 3D-Verbundwerkstoffe im Zentimeter- bis Metermaßstab befasst.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. rer. nat. habil. Hermann Ehrlich, hermann.ehrlich@esm.tu-freiberg.de, +49 3731 39-2867
Prof. Dr. rer. nat. habil. Martin Bertau, martin.bertau@chemie.tu-freiberg.de, +49 3731 39-2384

Originalpublikation:

Tsurkan et al. (2021) Extreme Biomimetics: Designing of the first nanostructured 3D spongin-atacamite composite and its application. Advanced Materials https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/adma.202101682

http://www.tu-freiberg.de/

Media Contact

Philomena Konstantinidis Pressestelle
Technische Universität Bergakademie Freiberg

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Lange angestrebte Messung des exotischen Betazerfalls in Thallium

… hilft bei Zeitskalenbestimmung der Sonnenentstehung. Wie lange hat eigentlich die Bildung unserer Sonne in ihrer stellaren Kinderstube gedauert? Eine internationale Kollaboration von Wissenschaftler*innen ist einer Antwort nun nähergekommen. Ihnen…

Soft Robotics: Keramik mit Feingefühl

Roboter, die Berührungen spüren und Temperaturunterschiede wahrnehmen? Ein unerwartetes Material macht das möglich. Im Empa-Labor für Hochleistungskeramik entwickeln Forschende weiche und intelligente Sensormaterialien auf der Basis von Keramik-Partikeln. Beim Wort…

Klimawandel bedroht wichtige Planktongruppen im Meer

Erwärmung und Versauerung der Ozeane stören die marinen Ökosysteme. Planktische Foraminiferen sind winzige Meeresorganismen und von zentraler Bedeutung für den Kohlenstoffkreislauf der Ozeane. Eine aktuelle Studie des Forschungszentrums CEREGE in…