Altbewährtes neu entdeckt – Honig in der Medizin

Ändern sich die Ausgangsvoraussetzungen, wird Altbewährtes zur Innovation: Honig als natürliches Mittel zur Wundheilung geriet in Vergessenheit, als Antibiotika den Markt eroberten. Heutzutage wirken diese vielfach nicht mehr, und mit zunehmender klinischer Bedeutung von multiresistenten Keimen und chronischen Wunden rückt das Bienengold erneut ins Rampenlicht – auch bei anderen Erkrankungen.

Honig als uraltes Heilmittel

Honig stand schon früh auf unserer Speisekarte, wie steinzeitliche Höhlenzeichnungen beweisen. Der Weisheit des Hippokrates „Eure Nahrung soll euer Heilmittel sein, und eure Heilmittel eure Nahrung“ kam man bereits in Mesopotamien und im Alten Ägypten nach. Antike Ärzte wie Dioskurides und Galenos von Pergamon nutzten ihn ebenso wie der persische „Medicus“ Avicenna und Hildegard von Bingen. Jedes mittelalterliche Kräuterbuch beschreibt ausgiebig seine vielfältigen Anwendungen.

Das Arzneimittel Honig spielt rund um den Globus eine wichtige Rolle, so in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), im Ayurveda oder der Heilkunst afrikanischer Stämme und amerikanischer Ureinwohner. Man verwendet ihn bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes und der Atemwege, zur Wundheilung und bei vielen anderen Beschwerden. Als altbewährtes Hausmittel gegen Erkältungen hat sich Honig mit Zwiebeln bis heute gehalten.

Wo Antibiotika versagen: Honig gegen MRSA & Co.

Die antibiotische Wirkung von Honig tötet Bakterien, Viren und Pilze. Diese Eigenschaft nutzte man über Jahrhunderte zur Verbesserung der Wundheilung. Nur wenn sich die Verletzung nicht infiziert und sich keine Mikroorganismen ausbreiten erfolgen Wundverschluss und Abheilen. Bis in die Neuzeit haben Ärzte damit Schnitt- und Schürfwunden oder Verbrennungen behandelt.

Mit dem Aufkommen von Penicillin und anderen Antibiotika hat Honig viel an medizinischer Bedeutung verloren. Erst in den letzten Jahren besinnt man sich auf seine altbewährte Heilkraft, denn es gilt einen neuen Feind zu bekämpfen: Multiresistente Keime wie MRSA (Methocillin-resistente Staphylococcus aureus), ESBL (extended spectrum beta-lactamase) und VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) zeichnen sich durch mehrfache Resistenzen gegen die meisten Antibiotika aus. Bei vielen der gehäuft auftretenden resistenten Stämme wirken selbst Reserve-Antibiotika nicht mehr.

Gegen dieses Schreckgespenst der Medizin hilft Honig, denn seine bakterizide Wirkung ist von Resistenzmechanismen völlig unbeeindruckt. In vielen Fällen kann medizinischer Honig, den man mit Röntgenbestrahlung von lebensfähigen Mikroorganismen befreit hat, Infektionen vorbeugen und die Wundheilung beschleunigen.

Honig gegen chronische Wunden und Verbrennungen

Ähnlich wie multiresistente Keime gewinnen chronische Wunden zusehends klinische Bedeutung. Damit bezeichnet man offene Stellen, die über Wochen, oft sogar Monate nicht abheilen und immer tiefer in das Gewebe eindringen. Dazu gehören Druckgeschwüre (Dekubitus), Unterschenkelgeschwüre (Ulcus cruris) und das diabetische Fußsyndrom (DFS) – Krankheiten, die mit steigendem Altersdurchschnitt gehäuft auftreten. Störungen der Immunabwehr, Durchblutungsstörungen und/oder dauerhaft erhöhte Blutzuckerspiegel sorgen dafür, dass die Wunde offenbleibt und Bakterien eindringen. Zusammen mit toten Abwehrzellen und Exsudat bilden sie Eiter, der das Verheilen verhindert.

Ebenso bietet das Wegfallen der Hautbarriere bei großflächigen Verbrennungen Mikroorganismen ungehinderten Zutritt ins Körperinnere. Auch das Verheilen von Übergangsstellen von verhornter Haut zu Schleimhaut ist oftmals langwierig, beispielsweise nach einer Lidoperation (Blepharoplastik).

In all diesen Fällen ist es wichtig, die offene Stelle keimfrei und die Wundränder weich zu halten, damit umliegendes Epithelgewebe einwachsen und die Wunde verschließen kann. Hier haben sich Wundauflagen mit Honig in vielen klinischen Studien bewährt: Er hält die Haut feucht und elastisch, verhindert das Eindringen von Mikroorganismen und beschleunigt die Wundheilung.

Honig bei Hautkrankheiten, Zahnstein und Krebs?

Die keimtötende Wirkung von Honig und die Beeinflussung des Immunsystems bewähren sich bei zahlreichen Erkrankungen von Haut und Schleimhäuten. Dazu gehören Schuppenflechte (Psoriasis), Akne, Rosacea, chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen (Rhinosinusitis) und Ulzerationen des Verdauungstraktes: Er hemmt das Wachstum von Helicobacter pylori, der als Hauptursache von Magenschwüren und Zwölffingerdarmgeschwüren gilt.

Darüber hinaus gibt es erste klinische Studien, denen zufolge Honig in einem Kaugummi Plaque und letztlich Zahnstein und Paradontose verhindert oder in Form von Augentropfen gegen trockene Augen (Sicca-Syndrom) hilft. Sensationsmeldungen sprechen sogar von einer Heilung von Krebs durch die Anwendung von Honig. Hier ist man aber von klinisch eindeutigen Beweisen noch weit entfernt, und erste positive Befunde aus Zellkulturexperimenten sollten nicht zu vorschneller Euphorie verleiten.

Besondere bakterizide Wirkung: Manuka-Honig

Die bakterientötende Wirkung von Honig beruht vor allem auf hohem Zuckergehalt, niedrigem pH-Wert und keimtötendem Wasserstoffperoxid, welche das Enzym Glukose-Oxidase aus dem Honigmagen der Biene ständig nachproduziert. Ein seltenes Produkt aus Neuseeland schlägt hier alle Rekorde: Manuka-Honig. Mittlerweile weiß man, dass dafür Methylglyoxal (MGO) verantwortlich ist, das zusammen mit Wasserstoffperoxid, Leptosperin und Antioxidantien Bakterien besonders effektiv bekämpft. Sein Gehalt ist auf dem Etikett von Manuka-Honig angegeben, oft auch in Form des Unique Manuka Factors (UMF). Je höher die MGO-Konzentration, desto höher ist der Preis.

Medizinische Bedeutung anderer Bienenprodukte

Die medizinische Verwendung von Bienenprodukten (Apitherapie) beschränkt sich nicht auf Honig. Etliche weitere Substanzen aus dem Bienenstock finden heilkundliche Anwendung, sogar die Biene selbst, die man als Apis mellifica für homöopathische Globuli oder Essenzen verreibt und potenziert. Gleiches gilt für Bienengift (Apitoxin), das man als Apisinium in anthroposophischen Mitteln einsetzt oder zu Salben und Injektionslösungen gegen Gelenkentzündungen, Rheuma und chronische Schmerzen verarbeitet.

Propolis, das Kittharz des Bienenstockes, ist ein starkes Antibiotikum und wirkt entzündungshemmend. Das legendäre Königinnenfutter Gelée royal gilt als verjüngendes Wundermittel, dessen Wirksamkeit jedoch wissenschaftlich nicht belegt ist. Hieran hapert es auch bei Pollen, Bienenbrot (Perga) und Bienenwachs, die man oft als Mittel zur Stärkung von Gesundheit und Immunsystem anpreist. Dementsprechend oft finden sich Propolis, Gelée royale und Bienenwachs in Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika. Dabei müssen vor allem Menschen mit Allergieneigung auf mögliche Unverträglichkeiten achten.

Fazit zu Honig und Bienenprodukten in der Medizin

Klinisch am besten belegt sind die positiven Effekte von Honig, insbesondere Manuka-Honig, auf Wundheilung und bakterielle Infektionen. Es ist noch viel Forschungsarbeit notwendig, um weiteren Hinweisen zu gesundheitlichen Wirkungen von Honig, Propolis, Gelée royale und Bienenwachs nachzugehen. Aber die ersten Befunde geben Anlass zur Hoffnung, dass sich noch viele medizinische Innovationen mit den altbekannten Naturprodukten aus dem Bienenstock realisieren lassen.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

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Autor: Dr. Harald Stephan
Quelle: https://bienen.info/

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