Frühe Diagnose hat Vorteile für Alzheimer-Patienten

Im MRT sichtbar: Bei einem leichten intellektuellen Leistungsverlust kommt es zur geringen Volumenabnahme im Schläfenlappen (parahippokampaler Gyrus). / Foto: Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg.

Gedächtnisambulanz der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg untersucht jährlich 300 Patienten / Frühe Hirnveränderungen erstmals mit MRT nachgewiesen

Wenn Gedächtnis und Interesse an gewohnten Tätigkeiten nachlassen, kann dies ein Warnzeichen für eine beginnende Alzheimer-Demenz sein. Wissenschaftler der Sektion Gerontopsychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg weisen darauf hin, dass trotz fehlender Heilungssaussichten eine frühe Diagnose wichtig ist, da sich der Betroffene und seine Angehörigen rechtzeitig mit ihrer Erkrankung und seinen Folgen auseinandersetzen und eine medikamentöse Behandlung schwere Symptome hinauszögern und begleitende Beschwerden lindern kann.

Mit modernen Verfahren lässt sich die Diagnose heute immer früher stellen: Die Heidelberger Forscher konnten erstmals zeigen, dass die Magnetresonanztomographie (MRT) bereits in einem frühen Stadium, bevor schwere Leistungseinbußen auftreten, spezifische Veränderungen im Schläfenlappen des Großhirns sichtbar macht. Diese Ergebnisse wurden im „American Journal of Psychiatry“ veröffentlicht.

Sprechstunde der Sektion Gerontopsychiatrie seit 12 Jahren

Schon seit 12 Jahren bietet die Sektion Gerontopsychiatrie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg Sprechstunden für Patienten mit nachlassender geistiger Leistungsfähigkeit an. In dieser Woche konnte die Heidelberger Gedächtnisambulanz neu renovierte und patientenfreundlich gestaltete Räume im Westflügel der Psychiatrischen Universitätsklinik beziehen. „Die Ambulanz ist Bestandteil der Sektion für Gerontopsychiatrie, die bereits vor fast 25 Jahren durch Prof. K. Oesterreich gegründet wurde“, berichtet Prof. Dr. Johannes Schröder, Leiter der Sektion und Leitender Oberarzt der Psychiatrischen Klinik (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Christoph Mundt).

Etwa 300 Patienten und ihre Angehörigen suchen die Ambulanz im Jahr auf. Zunächst werden Beschwerden, Probleme und Auffälligkeiten gemeinsam besprochen, dann folgen neuropsychologische Tests, die Orientierung, Sprachfähigkeit und das Denk- und Erinnerungsvermögens des Betroffenen überprüfen. Ausgeschlossen werden andere Ursachen eines Leistungsverfalls wie mangelhafte Durchblutung, Stoffwechselstörungen oder eine Depression, die allerdings eine Alzheimer-Demenz auch begleiten können.

Befundmuster ermöglicht die Diagnose Alzheimer-Demenz

„Die Diagnose ergibt sich aus dem Mosaik verschiedener Befunde“, erklärt Prof. Schröder. Zunehmend spielen molekularbiologische Tests und moderne bildgebende Verfahren eine Rolle. So wird, falls diagnostisch erforderlich, bei einem kurzen stationären Aufenthalt Nervenflüssigkeit (Liquor) aus dem Rückenmarkskanal entnommen und auf verschiedene Proteine getestet. Denn die Ursache der Alzheimer-Erkrankung, die Ablagerung von überschüssigem Eiweiß (Amyloid) zwischen den Gehirnzellen, hinterlässt ihre Spuren im Liquor. Darin kann auch das sogenannte tau-Protein nachgewiesen werden, das die Früherkennung ebenfalls erleichtert.

Zweite Säule der Alzheimer-Frühdiagnostik ist die Untersuchung mit MRT, denn durch die Amyloidablagerungen sterben die Hirnzellen ab und die Gehirnsubstanz schrumpft. Davon sind nur bestimmte Hirnregionen betroffen. Während die Fähigkeiten für Bewegungen und Sehen verschont bleiben, sind Gedächtnis, Sprache und Orientierung oft beeinträchtigt. „Vor allem der mittlere Schläfenlappen, wo das Gedächtnis im sogenannten Hippocampus und den umgebenden Großhirnwindungen verankert ist, wird frühzeitig geschädigt“, sagt Prof. Schröder. Dies konnte er mit seinem Kollegen Privatdozent Dr. Marco Essig und Professor Dr. Johannes Pantel nachweisen. Sie untersuchten insgesamt 71 Personen, die entweder unter leichtem geistigen Leistungsverlust litten oder neuropsychologisch unauffällig waren.

Volumenabnahme im Schläfenlappen bereits bei leichtem Leistungsverlust

„Das untersuchte Gehirnareal im Schläfenlappen, der parahippokampale Gyrus, hatte bei den leicht auffälligen Personen ein um 7 bis 12 Prozent geringeres Volumen als bei den Kontrollpersonen“, erklärt Prof. Schröder. Alzheimer-Patienten zeigen hier eine deutlich geschrumpfte Hirnregion.

Patienten, bei denen das Befundmuster eine frühzeitige Diagnose sehr wahrscheinlich macht, können von der Einnahme bestimmter Medikamente profitieren. So sorgen Acetylcholinesterase-Hemmer und Memantine dafür, dass bestimmte Botenstoffe im Gehirn wie Acetylcholin oder Glutamat erhöht bzw. verringert vorhanden sind, was die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu erhalten scheint. Noch unsicher ist dagegen die Wirksamkeit der Statine, die derzeit erfolgreich zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt werden. Bislang unbestätigte Studien haben gezeigt, dass Patienten, die diese Medikamente einnehmen, seltener an einer Alzheimer-Demenz erkranken.

Literatur:
Pantel J, Kratz B, Essig M, Schröder J: Parahippocampal Volume Deficits in Subjects With Aging-Associated Cognitive Decline. American Journal of Psychiatry 2003, 160:379-382.
(Der Originalartikel kann bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden)

Kontakt:
Prof. Dr. Johannes Schröder: 06221 / 56 5468 (Sekretariat)

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Dr. Annette Tuffs idw

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