Glucocorticoide – Bald weniger Nebenwirkungen
Hydrocortison ("Cortison") und die synthetischen Derivate (Glucocorticoide) der Nebennierenhormone sind – trotz teilweise schwerer Nebenwirkungen – aus der Therapie von Kontaktekzemen und des atopischen Ekzems (Neurodermitis) nicht wegzudenken. In Zusammenarbeit mit Dermatologen der Ludwig-Maximilians-Universität München erforschen Pharmakologen der Freien Universität Berlin die Wirkungsweise dieser Steroidhormone auf molekularer Ebene, damit künftig eine schonendere Therapie von Hauterkrankungen möglich ist.
Die antientzündliche Wirkung von Glucocorticoiden ist unbestritten, aber wegen der viel diskutierten Nebenwirkungen ist die Akzeptanz der Therapie bei den Patienten sehr schlecht. Oft werden die Präparate deshalb zu zeitig abgesetzt – die akute Entzündung kann nicht ausheilen und flammt bald wieder auf. Während man in den USA vor allem die systemischen Nebenwirkungen wie das Cushing-Syndrom (mit Vollmondgesicht, Büffelnacken, Stammfettsucht) und die anhaltende Schrumpfung (Atrophie) der Nebennierenrinde fürchtet, sind es in Deutschland eher die Auswirkungen der lokalen Anwendung, die als sehr problematisch angesehen werden. Denn bei der längerfristigen Anwendung mittel und stark wirksamer Glucocorticoide, wie sie bei Neurodermitis erforderlich ist, kommt es häufig zu einer Hautatrophie. Durch die Hemmung der Fibroblastenvermehrung wird die Haut irreversibel dünner und kann bei mechanischer Belastung sogar reißen: Es bilden sich so genannte Striae, ähnlich den Schwangerschaftsstreifen, außerdem können feine Blutgefäße unter der Haut dauerhaft sichtbar werden (Teleangiektasien).
Obwohl bereits vor 15 Jahren Glucocorticoide entwickelt wurden, die – bei gutem therapeutischen Effekt – deutlich weniger Hautatrophie erzeugen, lagen die Ursachen hierfür lange im Dunkeln. Ebenso war es bislang nicht möglich, zwischen den einzelnen Substanzen eine Abstufung hinsichtlich Nutzen und Risiko zu treffen. Beide Themen werden in der Arbeitsgruppe von Prof. Monika Schäfer-Korting vom Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin erforscht. In Experimenten an isolierten Hautzellen gelang es den Wissenschaftlern, Parameter zu identifizieren, die die Nutzen/Risiko-Relation am Menschen widerspiegeln und daher bei neuen Substanzen dieser Wirkstoffklasse eine Prognose über den therapeutischen Wert ermöglichen.
Als besonders geeignet erwies sich die Selektivität des Eingriffs in das Zytokin-Netzwerk. Eine gute antientzündliche Wirkung spiegelt sich in der Abnahme der Hemmung der Interleukin-1-Synthese in den Keratinozyten wieder, während eine nur geringe Hemmung der Bildung dieses Zytokins durch Fibroblasten auf ein geringes Risiko einer Hautatrophie hinweist. Zur Zeit laufen Untersuchungen dieser Keratinozytenselektivität auf molekularer Ebene. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass sich der Abbau von Wirkstoffen mit besonders guter Nutzen/Risiko-Relation bei den beiden Zelltypen deutlich unterscheidet. So können Keratinozyten solche Glucocorticoide schnell, Fibroblasten hingegen nur langsam umwandeln.
Mittels partikulärer Trägersysteme ist es außerdem gelungen "High-Tech-Arzneimittel" zu entwickeln, die eine selektive Anreicherung der Wirkstoffe in der Epidermis (Oberhaut) – also dem Ort, an dem das Ekzem auftritt – bewirken. Im Korium (Lederhaut) hingegen, wo sich die Atrophie am stärksten manifestiert, steigen die Wirkstoffspiegel deutlich weniger stark an. In wie weit die Nutzen/Risiko-Relation im Einzelfall tatsächlich steigt, wollen die FU-Pharmakologen demnächst in Kooperation mit Dermatologen der Ludwig-Maximilians-Universität München mittels Haut-Ultraschall untersuchen. In naher Zukunft können so durch richtige Auswahl des Cortisonderivates unerwünschte Nebenwirkungen weitgehend vermieden werden. Ein Ende der Angst vor Cortison ist also in Sicht. Selbst bei Kindern, die am stärksten unter der Neurodermitis leiden, ist eine solche Therapie – zumindest kurzfristig – vertretbar.
Nähere Informationen erteilt Ihnen gern:
Univ.-Prof. Dr. Monika Schäfer-Korting, Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin, Königin-Luise-Str. 2 u. 4, 14195 Berlin-Dahlem, Tel.: 030 / 838-53283 oder -53284, Fax: 030 / 838-54399, E-Mail: msk@zedat.fu-berlin.de
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