Implantierbare Hörgeräte auf dem Prüfstand
Schätzungsweise ein Prozent der Patienten, die ein Hörgerät benötigen, können mit konventionellen Geräten nicht zufriedenstellend versorgt werden. Dann können implantierbare Hörgeräte helfen. Zwei Systeme befinden sich zur Zeit in Deutschland auf dem Markt. Über ihre Erfahrungen mit diesen Implantaten berichten Experten auf der Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie in Hamburg.
(Hamburg) In Deutschland sind schätzungsweise 14 Millionen Menschen schwerhörig. Die meisten leiden an einer so genannten Innenohr-Schwerhörigkeit, verursacht durch geschädigte Sinneszellen im Innenohr. Die Betroffenen können darum Gesprächen nicht mehr folgen und sich in lauter Umgebung nur schlecht orientieren. Eine wachsende soziale Isolation ist die Folge.
Den meisten Patienten können HNO-Ärzte mit konventionellen Hörgeräten helfen, die hinter oder im Ohr getragen werden. Allerdings haben auch die modernsten Geräte ihre Grenzen: „Das Ohrpass-Stück kann unangenehme Rückkoppelungsphänomene, etwa Pfeifen und Piepsen, sowie Entzündungen des Gehörgangs verursachen“, erklärt Professor Rudolf Leuwer von der HNO-Klinik der Universität Hamburg. Ebenso empfinden manche Patienten die „Verstopfung“ des Gehörgangs als störend und hören ihre eigene Stimme nur verfremdet. Auch die Miniaturisierung fordert ihren Tribut: Vor allem hohe Töne überfordern den winzigen Lautsprecher im Gehörgang, Verzerrungen und Rauschen stören die Patienten.
Diese Probleme gibt es bei voll- und teil-implantierbaren Hörgeräten nicht. „Ihr gemeinsames Merkmal ist die Umgehung des Trommelfells als akustischer Schallaufnehmer und die direkte Übertragung der Schallimpulse durch Vibrationen auf die Gehörknöchelchen“, beschreibt Leuwer die Vorteile der neuen Technik. Indiziert sind die Implantate bei Patienten mit mittel- bis hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit und einem Hörverlust vor allem bei hohen Tonfrequenzen.
Zwei Systeme stehen zur Zeit in Deutschland zur Verfügung: Das teil-implantierbare „Soundbridge“ und das „TICA“ genannte Vollimplantat. Bei dem teil-implantierbaren Gerät wird nur der elektromechanische Wandler, der umgewandelte Schallsignale als Vibration auf die Gehörknöchelchen überträgt, und die dazugehörige Empfängerspule implantiert. Stromquelle, Mikroprozessor und Mikrophon werden äußerlich getragen. Bei dem Vollimplantat werden alle Komponenten eingepflanzt.
Weltweit wurden bislang zirka 500 Patienten mit dem Teilimplantat versorgt. Das TICA ist derzeit nur in Deutschland verfügbar und wird von 33 Patienten getragen.
Leuwer hat seit 1999 insgesamt sechs Patienten ein Soundbridge-Gerät implantiert und im vergangenen Jahr erstmals ein TICA eingesetzt. Drei weitere Patienten werden zur Zeit auf ein TICA vorbereitet. Denn der Implantation müssen umfangreiche Untersuchungen vorausgehen.
„Unsere bisherigen Erfahrungen decken sich mit den Ergebnissen klinischer Studien“, sagt Leuwer. „Die Patienten haben ein subjektiv natürlicheres Empfinden von Geräuschen und Sprache.“ Das Risiko des Eingriffs liegt nicht höher als das herkömmlicher Mittelohr-Operationen. Zur technischen Überprüfung des TICA während der Operation haben die Hamburger Ärzte einen speziellen Test entwickelt.
Für die Experten sind die neuen Möglichkeiten „gleichzeitig faszinierend und vielversprechend“, so Leuwer, der jedoch für einen kritischen Umgang mit dieser neuen Technologie plädiert. So macht etwa der Austausch der Stromquelle nach drei bis fünf Jahren bei dem Vollimplantat einen erneuten, wenn auch kleinen operativen Eingriff erforderlich. Auch das Richtungshören sowie die Verarbeitung von Störschall kann aufgrund der bislang üblichen Versorgung nur eines Ohres in Einzelfällen beeinträchtigt sein.
„Aufgrund des Entwicklungsstandes der Implantologie und der hohen Kosten raten wir zur Zeit von einer beidseitigen Implantation jedoch noch ab“, sagt Leuwer. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten (DM 20.000,- für das Soundbridge, DM 50.000,- für das TICA incl. Operation) nur in Ausnahmefällen.
Pressekonferenz
Freitag, 25. Mai 2001, 13.00 Uhr
Raum „Planten und Blomen“, CCH, Am Dammtor, Hamburg
Pressestelle: Barbara Ritzert, ProScientia GmbH
Andecheser Weg 17; 82343 Pöcking; Tel.: 08157/93 97-0; Fax: 08157/93 97-97;
e-mail: ritzert@proscientia.de
Rückfragen an:
Prof. Dr. med. Rudolf Leuwer
Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52
20246 Hamburg;
Tel.: 040-42803-2374; Fax: 040-42803-6319
e-mail: leuwer@uke-uni-hamburg.de
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