Erste Nabelschnurbluttransplantation in Bayern
Team um Professorin Dr. med. Christine Bender-Götze behandelte leukämiekranken Jungen mit dem Nabelschnurblut seines neugeborenen Bruders
Bei einem mittlerweile fünfjährigen Patienten, der an akuter lymphatischer Leukämie erkrankt war, ist an der Kinderpoliklinik des Klinikums der Universität München erstmals in Bayern Nabelschnurblut erfolgreich transplantiert worden. Der Junge musste im Frühjahr 2000 in die Hochrisikogruppe eingestuft werden, da die herkömmliche Zytostatika-Therapie keine ausreichende Wirkung gezeigt hatte. Um einen Rückfall zu verhindern, wurden schließlich Stammzellen aus dem Nabelschnurblut eines neugeborenen Geschwisterchens transplantiert. Der kleine Patient ist ein Jahr nach dem Eingriff wohlauf.
Bei der Behandlung der bösartigen Erkrankung der weißen Blutkörperchen des Jungen zeichneten sich für die Ärzte an der Kinderpoliklinik in der Pettenkoferstraße rasch außergewöhnliche Probleme ab: „Die herkömmlichen Medikamente, Zellgifte oder „Zytostatika“, sprachen nicht in dem notwendigen Maß an“, berichtet Dr. Monika Führer, die behandelnde Kinderärztin. „Der Junge gehört zu der kleinen Gruppe von kindlichen Leukämie-Patienten (ca. 20%), die allein mit Medikamenten, die die Zellteilung hemmen, nicht gesunden können. In der vorbereitenden Kortisonphase, aber dann auch noch nach jenen dreißig Tagen, nach denen normalerweise das Knochenmark frei von Lymphoblasten sein sollte, fanden sich immer noch Reste dieser Tumorzellen, so dass wir den kleinen Patienten im Frühjahr 2000 in die Hochrisikogruppe einstufen mussten. Eine Knochenmarktransplantation musste also zwingend in die Therapie eingeplant werden.“
Nabelschnurblut als Alternative
Da die Mutter des Patienten bereits zu Beginn der Erkrankung schwanger war, rückte eine Nabelschnurbluttransplantation – als Alternative zur zunächst vorgesehenen Knochenmarktransplantation – prinzipiell in den Bereich des Möglichen. Denn wie seit geraumer Zeit bereits bekannt ist, enthält die Nabelschnur ebenso wie das Knochenmark einen relativ hohen Prozentsatz an Blutstammzellen, so dass sich unter bestimmten Voraussetzungen hier ein Ausweg bietet, soweit kein passender Knochenmarkspender zur Verfügung steht.
Blutstammzellen sind Zellen, aus denen der Körper lebenslang alle Zellen des Blutes bilden kann. Sie können zum Zweck einer Transplantation aus dem Knochenmark bzw. – nach einer speziellen Vorbehandlung – auch aus dem zirkulierenden Blut oder eben aus Nabelschnurblut entnommen werden. Bei einer auf der Transplantation von Stammzellen basierenden Therapie von Blutkrebspatienten werden zunächst die körpereigenen entarteten Stammzellen mittels einer hochdosierten Chemo- und Strahlentherapie zerstört und anschließend durch intakte blutbildende Zellen eines gesunden Spenders ersetzt. Entscheidend für die Akzeptanz der transplantierten Zellen ist, dass die Gewebeeigenschaften von Spender und Patient übereinstimmen, wobei eine solche Übereinstimmung insbesondere z. B. bei Geschwistern erwartet werden kann und hier das Risiko von Abwehrreaktionen folglich relativ gering ist.
Das Nabelschnurblut Neugeborener hat gegenüber Knochenmark und anderem Spenderblut den Vorteil, dass seine Zellen immunologisch unreif sind; die potentiellen Abwehrreaktionen, die sie beim Empfänger hervorrufen, sind geringer als diejenigen, die u. U. von anderen Blutstammzellen verursacht werden. Andererseits reicht die Menge an Nabelschnurblut pro Geburt in der Regel nur, um einen Patienten von maximal 40 Kilogramm Körpergewicht zu behandeln.
Ohne Risiko für die Mutter und das Neugeborene
Da Letzteres im Falle des vierjährigen Leukämie-Patienten keine Einschränkung bedeutete und zudem ein Schaden für die Mutter oder das Neugeborene ausgeschlossen werden kann, kamen Eltern und Ärzte nach intensiven Beratungs- und Aufklärungsgesprächen zu der Entscheidung, im Zusammenhang mit der anstehenden Entbindung die lebensrettenden Stammzellen aus dem Blut der Nabelschnur des Geschwisterchens zu asservieren. Sollte die Untersuchung der Gewebemerkmale nach der Entbindung eine Übereinstimmung ergeben, so sollte das Nabelschnurblut dem älteren Sohn transplantiert werden.
Unmittelbar nach der Entbindung wurden in einem Speziallabor in Gauting (Aktion Knochenmark-Spende Bayern, Leiter: Herr Dr. Knabe) die exakt 36,5 Milliliter Blut, die der Nabelschnur entnommen werden konnten, mittels einer Stammzell-Selektion gereinigt, um die Gefahr von Unverträglichkeitsreaktionen noch weiter zu minimieren. „Um jedes Risiko auszuschließen“, erinnert sich Frau Dr. Führer, „haben wir die lebensrettenden Stammzellen aus der Nabelschnur des neugeborenen Brüderchens in zwei separaten Transporten aus Gauting wieder zu unserem kleinen Patienten in die Pettenkoferstraße bringen lassen.“ Die Transplantation selbst verlief in Form einer rund einstündigen Transfusion völlig reibungslos. Der Patient nahm das Blut seines Geschwisterchens – eines kerngesunden Jungen – ohne jede Komplikationen an und konnte nach den üblichen Nachuntersuchungen und -behandlungen rechtzeitig zu Weihnachten 2000 nach Hause entlassen werden. „Er kommt regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen und entwickelt sich zu einem für sein Alter völlig normalen Jungen. Wenn nicht noch unvorhersehbare Komplikationen eintreten sollten, können wir ihm erlauben, im Spätsommer in den Kindergarten zu gehen“, freut sich Frau Dr. Führer.
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