Creutzfeldt, Jakob und die Prionen-die Karriere einer Krankheit
Thema in FORSCHUNG FRANKFURT 3/2001:
Genetischer Fehler und übertragbarer Prozess?
Im Jahr 1920 beobachtete der Kieler Neurologe Hans Creutzfeldt an einer 22-jährigen Patientin ungewöhnliche Symptome: Die junge Frau litt an spastischen Lähmungen, Sprachstörungen, unwillkürlichen Augenbewegungen, zwanghaftem Lachen und Bewusstseinsstörungen. Auf der anderen Seite der Erdkugel auf Papua-Neuguinea litten zur gleichen Zeit vor allem Frauen und Kinder des Fore-Stammes an ganz ähnlichen Krankheitserscheinungen. Die als Kuru bezeichnete Krankheit – Kuru bedeutet „Zittern“ oder „Schütteln“ – war hier bereits seit der Jahrhundertwende bekannt und wurde durch rituellen Kannibalismus übertragen. Es handelte sich in beiden Fällen um die gleiche Krankheit, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (Creutzfeldt-Jakob-Disease, CJD). Sie gehört zu den so genannten spongiformen Enzephalopathien, die durch ein schwammartig zersetztes Gehirn gekennzeichnet sind. Der Neuropathologe Professor Dr. Wolfgang Schlote beschreibt ein Stück Wissenschaftsgeschichte: Er berichtet über die Entdeckung und die Ursache der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und anderer Prionenerkrankungen des Menschen.
Seit 1995 gibt es eine neue Variante der Krankheit (vCJD), die durch Übertragung von BSE-Rindern ausgelöst wird. Bisher starben insgesamt 98 Engländer und drei Franzosen und ein Ire an vCJD. Die Erkrankung beginnt nicht mit neurologischen, sondern mit psychiatrischen Symptomen, vor allem Depressionen. Die Patienten sind im Endstadium der Krankheit bewusstseinsverändert, fast blind und taub und haben keine Kontrolle mehr über ihre Glieder, über Blase und Darm. Auf welchem Weg sich die Patienten mit BSE infiziert haben, ist noch unbekannt, zumal das Muskelfleisch infizierter Rinder nur wenig infektiös ist. Die Konzentration infektiöser Prionproteinmoleküle pro Gramm Gewebe liegt im Muskel bei weniger als zehn, in Leber, Lunge und Knochen bis zu 10000, in Darm, Lymphknoten und Milz bis zu einer Million und in Gehirn, Rückenmark und Knochenmark bis zu einer Milliarde. Einer der Betroffenen war Vegetarier. Die Infektion kann nicht in allen Fällen über Magen und Darm stattgefunden haben. Da sowohl die Magenbarierre als auch die Blut-Hirn-Schranke überwunden werden müssen; ist dieser Weg sogar eher unwahrscheinlich. Schutzmaßnahmen in den Schlachthöfen, in den medizinischen Instituten und in den Testlabors sind daher oberstes Gebot. Der Umgang mit den Patienten in der Klinik und auch zu Hause ist dagegen ungefährlich, wie von allen Kennern und auch vom Referenzzentrum für Prionkrankheiten in Göttingen betont wird; es besteht keine Ansteckungsgefahr.
In Deutschland wird die meldepflichtige Creutzfeldt-Jakob-Krankheit an der Universität Göttingen von der Prionforschungsgruppe unter der Leitung von Professor Dr. Sigrid Poser erfasst, die jährlich den neuesten Stand der Epidemiologie und der Möglichkeiten einer Frühdiagnostik herausgibt. Die Sicherung der Diagnose dieser bisher nicht heilbaren, tödlichen Krankheit ist nur durch pathologisch-anatomische Untersuchung nach dem Tod der Patienten möglich . Dafür ist das Institut für Neuropathologie der Universität München zuständig, das von Professor Dr. Hans A. Kretzschmar geleitet wird.
Eine weitere Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist die Gerstmann-Sträußler-Scheinker-Krankheit (GSS), die seit 1936 bekannt ist. Sie ist gekennzeichnet durch Gleichgewichtsstörungen, unsichere Bewegungen und im fortge-schrittenen Stadium zunehmende Demenz, tritt durchweg familiär auf und wird dominant vererbt. Diese eigenartige, stets familiäre, spongiforme Enzephalopathie ist ebenso wie CJD genetisch determiniert und kann durch ein infektiöses Agens übertragen werden. Eine dritte familiär auftretende Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wurde 1986 ent-deckt, die familiäre Schlaflosigkeit (Fatal Familial Insomnia, FFI), die mit motorischen, endokrinen und vegetativen Störungen einhergeht und deren Schwerpunkt im Thalamus des Zwischenhirns liegt. Bereits in vivo ist bei dieser Krankheit mit der Positronen-Emissionstomographie ein selektiver Stoffwechseldefekt im Thalamus erkennbar, sodass die Diagnose hier ebenso wie bei GSS bereits zu Lebzeiten möglich ist.
Nähere Informationen: Professor Dr. Wolfgang Schlote, Institut für Neuropathologie, Telefon: 069/6301-5571, Fax: 069/6301-7976, E-Mail: W.Schlote@em.uni-frankfurt.de
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