Nervenzellen lernen nach Verletzung
RUB-Neurophysiologen haben jetzt herausgefunden, dass Nachbarzellen die Aufgabe von zerstörten Gehirnbereiche mit übernehmen können. Doch nur für kurze Zeit nach der Schädigung erhält das Gehirn die Regenerationsfähigkeiten jugendlicher Zellen zurück.
- Gehirn wird wieder jung
- Nervenzellen lernen nach Verletzung
- MedRUBIN: Zweites RUBIN-Sonderheft erschienen
Verletzungen im Gehirn oder ein Schlaganfall können einen blinden Fleck im Gesichtsfeld verursachen. Die Nervenzellen, die für diesen Sehbereich Signale aus der Netzhaut empfangen und verarbeiten, sind verloren gegangen. Neurophysiologen um Prof. Dr. med. Ulf Eysel (Neurophysiologie, Medizinische Fakultät) haben jetzt herausgefunden, dass Nachbarzellen die Aufgabe der zerstörten Gehirnbereiche mit übernehmen können. Doch nur für kurze Zeit nach der Schädigung erhält das Gehirn die Regenerationsfähigkeiten jugendlicher Zellen zurück. Dieses „Zeitfenster“ wollen die Forscher nun für neue Therapien nutzen.
Gehirnarbeit sichtbar gemacht
Die Neurophysiologen haben die „Gehirnarbeit“ mit der Methode des „optical imaging“ sichtbar gemacht. Dabei beleuchten sie das Gehirn. Aktive und inaktive Hirngebiete reflektieren Licht unterschiedlich. Mit Hilfe eines speziellen Computerprogramms werden die Reflexionen der angestrahlten Zellen ausgewertet und die veränderten Reaktionen erfasst. Dabei stellte sich heraus, dass die an die zerstörten Zellen angrenzenden Hirnbereiche (rezeptive Felder) Die verloren gegangenen Funktionen mit übernehmen (neuronale Plastizität). Ein erwachsenes Gehirn erhält die Fähigkeiten des jugendlichen Gehirns zurück: die Nervenzellen verstärken alte Verschaltungen (Synapsen) oder bilden neue aus.
Des Rätsels Lösung: die Gene
Mit molekularbiologischen Methoden untersuchen die Forscher die Mechanismen der Selbstreparatur. Sie haben herausgefunden, dass nach einer Schädigung im Nervensystem bestimmte Wachstumsfaktoren vermehrt gebildet werden, die das Entstehen neuer Synapsen fördern. Dabei werden Gene aktiviert, die bereits nach der Geburt wirksam waren, im erwachsenen Gehirn aber ruhen. Das könnte ein Grund dafür sein, dass die Nervenzellen in der Umgebung des verloren gegangenen Gehirnbereichs wieder lernfähiger sind.
Lichtblitze am Rand des Flecks
Da sich die rezeptiven Felder am Rand einer Hirnschädigung durch Übung vergrößern lassen, haben Eysel und sein Team gemeinsam mit der Neurologischen Universitätsklinik Bergmannsheil ein Gesichtsfeldtraining entwickelt: Dem Patienten werden auf einem Monitor immer wieder Reize am Rand des ausgefallenen Sehbereichs gezeigt. Dabei werden Teile des gesunden Gesichtsfeldes und Teile des blinden Gebiets jeweils gemeinsam erregt. Nach und nach übernehmen die gesunden Nervenzellen am Rand der Schädigung auch die Bereiche des Gesichtsfeldes, die vorher von den verloren gegangenen Zellen abgebildet wurden. Schwache Zellverbindungen werden durch das „Training“ gestärkt oder neue Zellverknüpfungen entstehen. Doch der Zeitraum für diese maximale Lernbereitschaft der Zellen ist begrenzt. Danach ist ein vergleichbarer Lernerfolg nur mühsam zu erringen.
MedRUBIN erschienen
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in MedRUBIN 2001, neben anderen Themen: Und immer ist der Arzt dabei (Chirurgie); Abwehr aus dem Gleichgewicht: Allergie durch Grippeviren (Allergologie); Ohne Schnitt unter die Haut (Dermatologie); Ein (Kunst-)Herz für Kinder (Herzchirurgie); Mit Blutstammzellen gegen Krebs (Innere Medizin); Parkinsongenetik: Schutz und Vorsorge im Blick (Neurologie); Endlich hinein in die Lehrpläne (Ethik und Schmerz); Weniger Stress, weniger Rückenschmerzen (Medizinische Psychologie); „Hauptsache gesund“ (Humangenetik); Dicht am Herzschlag (Biomedizinische Technik); In der Bäckerhefe Erbkrankheiten auf der Spur (Zellbiochemie). MedRUBIN ist für 9 DM im Dekanat der Medizinischen Fakultät erhältlich (Tel. 0234/32-24960).
Weitere Informationen
Prof. Dr. med. Ulf Eysel, Institut für Physiologie, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, Tel.: 0234/32-23849, Fax: 0234/32-14192, E-Mail: eysel@neurop.ruhr-uni-bochum.de
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