Tumoren enthalten Nerven
Aufsehenerregende Entdeckung der Uni-Augenklinik Bonn
Tumoren führen eine Art Eigenleben. Man weiß, dass sie von eigenen Blutgefäßen ernährt werden, deren Anzahl dem Bedarf des Tumors angepasst ist und deren Entstehung durch komplizierte Mechanismen geregelt wird. Was aber steuert den Tumor, was sagt ihm zum Beispiel, ob, wann und wie schnell er wachsen soll? Welche Einflüsse des Körpers oder der Psyche gibt es, und wie werden diese dem Tumor vermittelt? In dem Bemühen, der Beantwortung dieser Fragen näherzukommen, ist jetzt der Arbeitsgruppe Elektronenmikroskopie an der Augenklinik der Universität Bonn unter Leitung von Prof. Dr. Manfred Spitznas eine aufsehenerregende Beobachtung gelungen: Die Forscher konnten erstmalig nachweisen, dass Tumoren Nerven enthalten.
Die Wissenschaftler untersuchten bislang mehrere Arten bösartiger und gutartiger Augentumoren sowie Gewebsproben von mehreren Harnblasenkarzinomen. Alle analysierten Wucherungen enthielten Nerven. Die Existenz von Nerven scheint also bei Tumoren allgemein üblich zu sein.
Dennoch sind die Bonner Forscher offenbar weltweit die ersten, die in Tumoren Nerven nachweisen konnten. Teamchef und Entdecker der Nervenfasern Privatdozent Dr. Peter Seifert: „Der Durchmesser und die Verteilungsdichte dieser Nerven sind äußert gering. Wir haben bei jedem Tumor unter hoher elektronenmikroskopischer Vergrößerung wochenlang etliche Präparate analysiert, bevor wir fündig wurden.“ Die Tragweite der neuen Beobachtungen ist noch nicht abzuschätzen. „Wir schauen nun auch in anderen Tumortypen nach, ob sie Nerven enthalten“, erklärt Seifert. Gleichzeitig will die Arbeitsgruppe versuchen, die Botenstoffe der Nerven, die so genannten Neurotransmitter, in Tumoren nachzuweisen. Eine solche Entdeckung würde Rückschlüsse darauf erlauben, wie die Wucherungen durch das Nervensystem beeinflusst werden.
Einen Neurotransmitter hat die Arbeitsgruppe schon gefunden: das Neuropeptid VIP. Seifert: „Über Funktionen der Nervenfasern in Tumoren lässt sich im Moment allerdings nur spekulieren.“ Die Wissenschaftler erwarten jedoch, dass ihre Befunde der Tumorforschung wichtige neue Impulse geben.
Weitere Informationen: Dr. Peter Seifert, Arbeitsgruppe Elektronenmikroskopie der Universitäts-Augenklinik, Tel.: 0228/287-6083, Fax: 0228/287-4817, E-Mail: pseifert@uni-bonn.de
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