Atopisches Ekzem: Kinder in Ostdeutschland sind häufiger betroffen
Kinder in Ostdeutschland sind stärker vom Atopischen Ekzem betroffen als Kinder in Westdeutschland. Außerdem leiden die Kinder ausländischer Mitbürger deutlich seltener an der juckenden Hautkrankheit als deutsche Kinder. Generell erkranken Mädchen häufiger als Jungen – vor allem wenn sie in Städten leben. Jährlich fallen in Deutschland sieben Millionen Mark Behandlungskosten an. Neue Erkenntnisse über das Leiden diskutieren Forscher auf dem 10. Kongress der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie in München.
In Nordeuropa und Australien erkranken mehr Kinder am Atopischen Ekzem – häufig auch Neurodermitis genannt – als anderswo. Weltweit schwankt die Erkrankungsrate zwischen ein und 17 Prozent. Eine erbliche Veranlagung, die Ernährung sowie Umwelteinflüsse sind an der Entstehung der entzündlichen Hautkrankheit beteiligt.
Ob auch Abgase das Risiko erhöhen, wollte Dr. Ursula Krämer vom Medizinischen Institut für Umwelthygiene in Düsseldorf wissen. Von 1991 bis 2000 untersuchte ihr Team im Rahmen einer Studie 3.709 Kinder auf das Atopische Ekzem. Die Standorte waren Halle und Altmark in Ost- sowie Duisburg und Borken in Westdeutschland.
Das Ergebnis: Die „Stadtkinder“ litten häufiger unter der Hauterkrankung als die „Landkinder“. Im Durchschnitt waren zehn von hundert deutschen Kindern erkrankt.
Von den Kindern ausländischer Mitbürger waren hingegen nur fünf Prozent betroffen. Insgesamt litten Mädchen mit 11 Prozent stärker an der Erkrankung als Jungen (acht Prozent). In den Städten erkrankten Mädchen dann besonders häufig, wenn sie in der Nähe stark befahrener Straßen wohnten. Messungen in Halle und Borken belegen, dass diese Kinder höheren Konzentrationen von Stickstoffdioxid (NO2) ausgesetzt sind. Der Zusammenhang zwischen Krankheitshäufigkeit und Schadstoffbelastung war 1991 jedoch stärker als bei der Untersuchung im vergangenen Jahr, da die Belastung geringer wurde.
Erstaunlich hoch fiel die Diskrepanz einer weiteren Ost-West-Studie der Dermatologischen Klinik der Technischen Universität München aus dem Jahr 2000 aus. In Westdeutschland waren 4,6 Prozent der 5-6-jährigen Vorschulkinder an einem Atopischen Ekzem erkrankt, in Ostdeutschland waren es elf Prozent. Bei anderen allergischen Erkrankungen konnten die Ärzte derartige Unterschiede nicht nachweisen.
Von Cortison und feuchten Wickeln
Die meisten kleinen Patienten haben eine günstige Prognose. Nur jeder zehnte muss einen schweren Verlauf befürchten. Bis zum 20. Lebensjahr ist die Mehrzahl gesund. In der Standardtherapie arbeiten Ärzte vor allem mit cortisonhaltigen Salben, die stets nur für kurze Zeit eingesetzt werden, um zu vermeiden, dass die Haut dünn wird. Hinzu kommen juckreizstillende Medikamente, sowie kurzzeitig Antibiotika.
An der Dermatologischen Klinik der Technischen Universität München hat sich – bei akuten Krankheitsschüben – eine Kombination von Cortison und fett-feuchten Wickeln bewährt. Doch auch steroidfreie Wickel waren hilfreich, wie eine Untersuchung belegt.
20 Kinder im Alter von zwei bis 17 Jahren bekamen an fünf aufeinander folgenden Tagen alle 12 Stunden einen fett-feuchten Wickel. Die kleinen Patienten wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe bekam einen Wickel mit einer cortisonhaltigen Salbe, die andere Gruppe nur eine fett-feuchte Bandage.
Zunächst unterschieden sich die Ergebnisse nicht. In beiden Gruppen ging es den Kindern signifikant besser: die Barrierefunktion der Haut verbesserte sich, die Kinder zeigten weniger entzündliche Hautreaktionen, die Besiedelung mit dem Bakterium Staphylococcus aureus sank. Am fünften Tag jedoch stieg die Bakterienzahl in der Gruppe ohne Steroide wieder an, während sie in der anderen Gruppe weiterhin sank.
Weitere signifikante Unterschiede maß das Ärzteteam um Professor Dietrich Abeck nur in der Kategorie Ödem/Papeln. Bei allen anderen Kriterien wie Wasserverlust, Krusten, Abschürfungen und Juckreiz schnitt die Steroidgruppe besser ab, jedoch nicht sehr deutlich. „Das liegt vermutlich daran, dass die Kinder schlicht vom Kratzen abgehalten werden“, meint Professor Abeck. „Der fett-feuchte Wickel ist auch ohne Wirkstoff hilfreich, in Kombination mit Steroidpräparaten (etwa Betamethasonvalerat) kann dessen Wirksamkeit aber noch gesteigert werden.“
Neue Therapie-Option
1984 wurde in Japan ein Pilz entdeckt, der die Substanz Tacrolimus liefert. Dieser Wirkstoff hemmt die Aktivität des Immunsystems – was sich zunächst die Transplantationsmediziner zunutze machten.
Inzwischen wird die Substanz in Salbenform auch beim Atopischen Ekzem in klinischen Studien erprobt – mit bislang guten Ergebnissen. Der Vorteil: Die Salbe erspart den Patienten die Nebenwirkungen cortisonhaltiger Präparate, die Haut wird nicht dünner.
Es ist jedoch noch unklar, inwieweit die Salbenanwendung nicht nur eine örtliche, sondern auch eine systemische Unterdrückung des Immunsystems bewirkt. „Ein abschließendes Urteil über Wirkungen und Nebenwirkungen“, so Abeck, „ist erst nach weiteren, breit angelegten Studien und der Beobachtung in der Praxis möglich.“ In Japan und den USA ist das Präparat bereits zugelassen, in Europa ist die Zulassung beantragt, aber noch nicht erfolgt.
Regulierungssignale fehlen
Die Signalkaskaden des Immunsystems, die zu der überschießenden Reaktion des Immunsystems führen, sind noch nicht eindeutig erforscht. Eine der Hauptursachen bei der Entstehung des Atopischen Ekzems scheint jedoch das Fehlen bestimmter Regulierungssignale zu sein. Dabei handelt es sich etwa um den Kontakt mit Bakterien, die den Magen-Darm-Trakt besiedeln, die Magen-Darm-Flora.
In der frühen Kindheit sorgen diese normalerweise dafür, dass sogenannte Th1-Helferzellen im Blut die bis dato vorherrschenden Th2-Helferzellen ablösen.
Bei dieser „Umschaltung“ spielen so genannte dendritische Zellen eine Rolle, die ihren „Immunzell-Kollegen“ Teile von Bakterien auf ihrer Oberfläche präsentieren. Bleibt dieses Regulierungssignal aus und dominieren die Th2-Helferzellen weiterhin, stimulieren deren Botenstoffe die Produktion so genannter B-Zellen, aus denen Antikörper-bildende Zellen werden. Das Abwehrsystem kann so verstärkt auf Umweltallergene mit einer Bildung bestimmter Antikörper (IgE) reagieren. Auch bei diesem Prozess spielen dendritische Zellen eine Rolle.
Dem Juckreiz auf der Spur
Parallel zur Pathogenese sind die Wissenschaftler endlich auch dem Juckreiz auf der Spur. Dass er nicht, wie lange vermutet wurde, über die gleichen Nervenbahnen geleitet wird wie der Schmerz, entdeckte erst vor fünf Jahren der Erlanger Physiologe Martin Schmelz. Er fand eigene „Jucknerven“, die den Juckreiz ins Gehirn leiten. Wo dort die Impulse empfangen und verarbeitet werden, wollte Dr. Ulf Darsow von der Klinik für Dermatologie und Venerologie der TU München wissen. In einer Studie spritzte er seinen Probanden Histamin in die Haut, weil darauf die Jucknerven besonders gut reagieren.
Mittels PET (Positronen-Emissions-Tomographie) machte der Dermatologe in Zusammenarbeit mit Nuklearmedizinern die aktivierten Hirnregionen sichtbar. Es waren viele Gehirnareale an der Verarbeitung des Juckreizes beteiligt.
Verabreichte er den juckenden Stimulus am linken Arm, sah er Aktivitäten in beiden Hirnhälften. Darsow folgerte daraus, dass das Gehirn den Zustand beider Arme vergleicht und an beide Extremitäten den Befehl „kratzen“ weitergibt. „Es scheint so, als sei das Kratzen automatisch an die Wahrnehmung von Juckreiz im Gehirn gekoppelt“, meint der Hautarzt.
In Folgestudien möchte er Hirnregionen ausfindig machen, die ausschliesslich für Juckreiz zuständig sind. Findet er sie, so wären dies immerhin neue Ansatzpunkte für eine ursächliche Therapie des Juckreizes.
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