Chirurgen verursachen Schmerzen
Chirurgen verursachen Schmerzen – und fühlen sich zunehmend verantwortlich
Über 500 Teilnehmer bei Symposium zum Akutschmerz in Köln
Die moderne Chirurgie hat die Behandlung von Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen lange vernachlässigt. Dies beginnt sich – wenn auch zögernd – zu verändern. Chirurgen fühlen sich zunehmend für die von ihnen verursachten Schmerzen verantwortlich. Das Symposium „Akuter Schmerz im chirurgischen Alltag“, das heute in Köln eröffnet wurde, spiegelt diesen Wandel wider. Mehr als 500 Ärzte und Pflegekräfte – vor allem aus der Chirurgie und anderen operativen Fächern – diskutieren zwei Tage lang über Konzepte und Standards einer modernen Akutschmerztherapie. „Ich bin froh, dass wir so viele Kollegen für das Thema gewinnen konnten und hoffe auf eine verstärkte „bottom-up“-Bewegung: Je mehr Ärzte und Schwestern das Problem Akutschmerz in ihren Kliniken thematisieren, desto eher besteht eine Chance, dass sich die Situation in den Häusern in absehbarer Zeit verbessert“, hofft Professor Dr. Edmund Neugebauer vom II. Chirurgischen Lehrstuhl der Universität zu Köln, der das Symposium als wissenschaftlicher Leiter bereits zum zweiten Mal organisiert.
Die Angst vor Schmerzen nach Operationen ist groß und scheinbar nicht ganz unbegründet: In Umfragen berichten bis zu drei Viertel aller chirurgisch betreuten Patienten über unzumutbar starke Schmerzen während ihres stationären Aufenthaltes. Ein Jahr nach einem chirurgischen Eingriff klagt immer noch jeder Vierte über Schmerzen. Und bei ca. 5-10 Prozent der Patienten chronifizieren die postoperativen Schmerzen und werden zum oftmals lebenslangen Begleiter. Das Thema Schmerzlinderung hat folglich für die Patienten einen hohen Stellenwert und rangiert in ihrer Bewertung der Krankenhausleistungen weit vorne. Hier sieht Neugebauer eine Chance für das Stiefkind Akutschmerztherapie: Zunehmend aufgeklärte Patienten, die um ihr Recht auf eine suffiziente Schmerztherapie wissen, werden sich für geplante Operationen künftig vornehmlich in solche Krankenhäuser begeben, die für effektive Schmerzausschaltung bekannt sind. Die wachsende wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den Kliniken wird dann dafür sorgen, dass dem Thema die gebührende Aufmerksamkeit zuteil wird. Konsequent bietet das Symposium in Zusammenarbeit mit der Deutschen Schmerzliga auch ein Patientenseminar an, bei dem erfahrene Schmerztherapeuten den Betroffenen und Interessierten Rede und Antwort stehen. (Patientenforum „Schmerz nach Verletzungen und Operationen“, Sa. 01. Dezember, 15:30-17:30, Maternushaus, Köln)
Die Ursachen für die Defizite in der Akutschmerztherapie sind vielfältig. Organisatorische Aspekte spielen eine große Rolle. „Die Behandlung postoperativer Schmerzen ist ein interdisziplinäres Feld und kann nur gelingen, wenn alle beteiligten Fach- und Berufsgruppen bereit sind, miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren“, so die einhellige Meinung der Experten. Ein anderes Problem ist ein häufig unzureichendes Wissen über schmerztherapeutische Maßnahmen, das in der Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal kaum eine Rolle spielt. So verweigern beispielsweise Ärzte ihren Patienten die notwendige Behandlung mit Opiaten – aus Angst vor Nebenwirkungen und Abhängigkeit. Oder die Medikamente werden zwar verabreicht, aber zu selten oder in zu niedriger Dosierung gegeben.
Dabei ist eine gute Schmerztherapie nicht nur ein Komfortkriterium, sondern wirkt sich deutlich positiv auf Heilungschancen, Behandlungsdauer und Rehabilitation der Patienten aus. Außerdem kann sie die Chronifizierung von Schmerzen verhindern. Schmerztherapie hat also auch eine volkswirtschaftliche Dimension. Patienten und Ärzte halten die Linderung von Schmerzen für sehr wichtig: Internationale Umfragen der letzten zehn Jahre belegen, dass das Thema für mehr als 90 Prozent beider Gruppen eine hohe Priorität hat.
Das aktuelle Symposium bietet den Fachleuten eine Mischung aus Wissenschaft und Praxis: neueste Erkenntnisse aus der Schmerzforschung und konkrete Strategien zur Durchführung der Akutschmerztherapie. Schwerpunktthemen sind die Chronifizierung akuter Schmerzen, der Einsatz von Opiaten in der Viszeralchirurgie (Eingeweidechirurgie), die Organisation der Akutschmerztherapie im Alltag sowie das Überleitungsmanagement, denn für viele Patienten fängt das Leiden erst an, wenn sie aus der Akutklinik entlassen werden.
Das Symposium findet im Auftrag und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachgesellschaften aus den Bereichen Chirurgie und Schmerz statt, und es schließt sich mit einer gemeinsamen Sitzung zum Thema „Schmerztherapie in der Intensivmedizin“ direkt an die 20. Jahrestagung der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Intensiv- und Notfallmedizin an, die am gleichen Ort stattgefunden hat und heute zu Ende geht.
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