Die "Weiße Pest" ist auch in Deutschland nicht besiegt, am 24. März 2001 ist Welttuberkulosetag


Die Salzsäure im Magen kann ihnen nichts anhaben, im Staub können sie monatelang überleben, und selbst minus siebzig Grad Celsius überstehen sie jahrelang: Die Erreger der Tuberkulose, stäbchenförmige Bakterien aus der Familie Mycobacteriae, sind außerordentlich widerstandsfähig. Und weitverbreitet. Mit circa acht Millionen Neuerkrankungen pro Jahr weltweit ist die Tuberkulose eine der häufigsten Infektionskrankheiten, zwei Millionen Menschen sterben jährlich daran. In Deutschland erkranken rund 10.000 Menschen jedes Jahr, mit leicht rückläufiger Tendenz (Meldezahlen 1999: 9.974; 1998: 10.440; 1997: 11.163), mehrere Hundert Menschen starben pro Jahr in Deutschland an der Tuberkulose (711 im Jahr 1998; für 1999 liegen noch keine Zahlen vor).

Deutschland gehört im internationalen Vergleich nicht zu der Gruppe von Ländern mit geringer Tuberkulose-Häufigkeit (low incidence countries). „Auch wenn die Tuberkulosesituation hierzulande nicht unmittelbar bedrohlich ist: die weltweite Zunahme der Zahl der Erkrankungen und die zunehmende Resistenz der Tuberkuloseerreger gegen die eingesetzten Antibiotika lassen Deutschland nicht unberührt“, sagt Professor Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts, anlässlich des Welttuberkulosetages, der alljährlich am 24. März begangen wird. Das Datum ist mit dem Wirken Robert Kochs verbunden, es ist der Tag, an dem er 1882 der Fachwelt in Berlin von seiner Entdeckung des Erregers der Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis) berichtete. Zur damaligen Zeit war die Tuberkulose als „weiße Pest“ die häufigste Todesursache in Europa.

Die Tuberkulose erfordert eine mehrmonatige Behandlung mit drei bis vier Antibiotika. Bei unregelmäßiger oder abgebrochener Medikamenteneinnahme überleben vor allem solche Bakterienstämme, die besonders widerstandsfähig gegen die Antibiotika sind, also eine Resistenz besitzen. So haben sich zum Beispiel in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion die allgemeinen Schwierigkeiten des Gesundheitssystems sehr negativ auf die Tuberkulosebekämpfung ausgewirkt. „Die Entwicklung in Osteuropa, wo gegenwärtig etwa eine Viertelmillion neuer Tuberkulosefälle pro Jahr auftreten, ist besorgniserregend“, betont Reinhard Kurth.

In Deutschland zeichnet sich seit mehreren Jahren eine stetige Zunahme von multiresistenten Tuberkulose-Erregern ab. Das belegen sowohl Analysen des Nationalen Referenzzentrums für Mykobakterien, das aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit finanziert wird, wie auch des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK). Das DZK hat im Rahmen einer ebenfalls vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Studie für das Jahr 1999 bei 3.257 durch Anzucht des Erregers gesicherten Fällen die Anteile der Resistenz von M. tuberculosis gegen wichtige Antibiotika ermittelt und nach den Geburtsländern beziehungsweise der Geburtsregion der Erkrankten aufgeschlüsselt. Bei 8,5 % dieser Fälle bestand eine Resistenz gegenüber mindestens einem Antibiotikum der ersten Wahl, bei 1,4 % der mehr als dreitausend Fälle bestand eine Resistenz gegenüber Isoniazid (INH) und Rifampicin (RMP) und damit definitionsgemäß eine Multiresistenz. Stämme, die aus anderen Regionen importiert wurden, weisen zum Teil wesentlich höhere Resistenzraten auf. So lag der Anteil multiresistenter Isolate bei Patienten aus Deutschland bei 0,6%, bei Patienten aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion bei 9,4 %.

An der weltweiten Zunahme der Tuberkuloseerkrankungen hat – neben unzureichender Ernährung, beengten Wohnverhältnissen, schlechter medizinischer Versorgung und mangelhaften hygienischen Bedingungen – die weithin noch immer ungebremste Ausbreitung der HIV/AIDS-Epidemie einen bedeutsamen Anteil. Weltweit tragen etwa ein Drittel der Bevölkerung Tuberkulosebakterien in sich, ohne zu erkranken. Bei HIV-Infizierten nimmt die Fähigkeit des Immunsystems, die Bakterien zu beherrschen, dramatisch ab. Das führt dazu, dass HIV-infizierte Tuberkuloseträger ein vielfach höheres Risiko haben, tatsächlich zu erkranken. Ansteckend und durch Tröpfcheninfektion übertragbar ist nur die sogenannte „offene Tuberkulose“, wenn die Bakterien aus dem Körper des Erkrankten nach draußen gelangen können. Das betrifft in der Regel die Atemwege. Die Tuberkulose (die grundsätzlich jedes Organ befallen kann) manifestiert sich bei bis zu achtzig Prozent der Erkrankten als Lungentuberkulose.

Um entstehende Probleme oder neue Gefährdungspotentiale rechtzeitig zu erkennen, sind durch das Anfang des Jahres 2001 in Kraft getretene neue Infektionsschutzgesetz zum einen die Meldewege beschleunigt worden, so dass in Zukunft Erkrankungszahlen auf nationaler Ebene zeitnah zur Verfügung stehen. Zum anderen werden jetzt anonymisierte, aber einzelfallbezogene Angaben auf Bundesebene erhoben, wohingegen früher nur zusammengefasste (aggregierte) Daten verfügbar waren. Außerdem ermöglicht das Infektionsschutzgesetz eine noch bessere Einschätzung der Resistenzsituation in Deutschland (zusammen mit den Untersuchungen des Nationalen Referenzzentrums und des Arbeitskreises Mykobakterien). Dabei bilden die im Rahmen der DZK-Studie gesammelten Erfahrungen das Modell für eine qualifizierten Datenerfassung, die zukünftig am Robert Koch-Institut erfolgt. „Im Zusammenwirken mit den Gesundheitsämtern und den Landesgesundheitsbehörden kann die Tuberkulose damit zu einer der am besten dokumentierten meldepflichtigen Krankheiten werden“, meint Reinhard Kurth.

Weitere Informationen:
Epidemiologisches Bulletin: http://www.rki.de/INFEKT/EPIBULL/EPI.HTM
Nr. 11/2001 (Zum Welt-Tuberkulosetag 2001 / Zur Struktur der Tuberkulosemorbidität in Deutschland) und Nr. 11/2000 (Ratgeber Tuberkulose)

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Heidrun Wothe idw

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