Wenn die Seele über den Körper Alarm schlägt
Der Stundenplan ist dicht gefüllt. Statt Beruf, Studium oder Hausarbeit bestimmen für eine Weile regelmäßige Einzel- und Gruppengespräche, daneben unter anderem Konzentrative Bewegungstherapie und Gestaltungstherapie den Tagesablauf. Wer sich auf dieses Programm einlässt, muss Zeit mitbringen. Im Schnitt 60 Tage, manchmal aber auch deutlich länger dauert die stationäre Intensivtherapie in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Münster. „Für die meisten Patienten sind diese Wochen oder Monate jedoch ausgesprochen kurz gegenüber der hinter ihnen liegenden Zeit, die durch hohen Leidensdruck und zahllose erfolglose Arztbesuche bestimmt war“, betont Klinikdirektor Prof. Dr. Gereon Heuft.
Dass viele daher gern einen längeren Klinikaufenthalt in Kauf nehmen, um sich endlich fachkompetent helfen zu lassen, zeigt die Tatsache, dass die im Gebäude der Universitäts-Augenklinik eingerichtete 15-Betten-Station im November vergangenen Jahres gleich mit einer Vollbelegung in Betrieb genommen wurde. Nach dem inoffiziellen Start wird nun am 16. Februar 2002 mit einem wissenschaftlichen Symposium die offizielle Eröffnung begangen. Im Rahmen dieser von 9 bis 13 Uhr im Hörsaal der Medizinischen Fakultät (Domagkstraße 3) stattfindenden Veranstaltung wird Prof. Heuft nach Grußworten von Vertretern des Universitätsklinikums, der Krankenversicherung sowie von Fachverbänden Indikationen zur Krankenhausbehandlung in der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Medizin aufzeigen. Aktuelle Konzepte in der Behandlung psychogener Essstörungen beleuchtet anschließend sein Essener Fachkollege Privatdozent Dr. St. Herpertz, während der Heidelberger Psychosomatik-Experte Prof. Dr. G. Rudolf zum Abschluss Behandlungsergebnisse stationärer psychosomatischer Psychotherapie vorstellt.
Nach der Besetzung des Lehrstuhls für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie vor nunmehr genau drei Jahren und der bald darauf erfolgten Einrichtung einer Institutsambulanz für psychosomatische Patienten wird mit der Eröffnung der Station nun der dritte Schritt des Aufbaus der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Münster vollzogen. Während in der Ambulanz, deren Zulauf seit ihrer Einrichtung stetig gestiegen ist und im vergangenen Jahr bei etwa 800 bis 1000
Neuuntersuchungen lag, die gesamte Bandbreite psychosomatischer Erkrankungen umfasst, konzentriert sich die stationäre Behandlung zunächst auf zwei große Gruppen: Auf die Patienten mit psychogenen Essstörungen, wie Magersucht oder Bulimie, sowie auf Menschen mit organischen Beschwerden, wie etwa chronischen Rückenschmerzen, Magenproblemen oder auch speziellen Bewegungsstörungen, die auf keine körperliche Ursache zurück geführt werden können. Vor allem bei den Problemen mit Essproblemen kann sich die stationäre Intensivtherapie bisweilen recht lang hinziehen. Beispiel: Eine magersüchtige junge Frau von 1,70 Meter bringt zu Beginn der Therapie gerade einmal 38 Kilo auf die Waage. Bei maximaler Zunahme von 500 Gramm pro Woche und einem Zielgewicht von 53 Kilo vergehen bis zur Entlassung 30 Wochen. Unbehandelt kann eine Magersucht allerdings sehr gefährlich werden. Nach Angaben Heufts liegt die Sterblichkeit bei dieser Erkrankung bei immerhin 18 Prozent
Herzstücke der neuen Station sind die Therapiebereiche. So gibt es beispielsweise einen eigenen Raum für die Gestaltungstherapie, bei der die Patienten etwa beim Malen oder beim Arbeiten mit Ton oder Speckstein ihre innere Befindlichkeit zum Ausdruck bringen können. Da viele psychosomatisch Erkrankte ihre Gefühle nur schwer in Worte fassen können, kann der Weg über das kreative Gestalten einen hilfreichen Ansatzpunkt für das spätere „Verworten“ bringen, wie Heuft erklärt. Genau darum geht es auf andere Art auch bei der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT). Ziel dieser auf psychoanalytischer Grundlage entwickelten körperorientierten Therapiemethode ist es, bei den Patienten durch die spielerische Bewegung und den Umgang mit bestimmten Materialien emotionale Prozesse in Gang zu setzen und das Erlebte im Gespräch mit dem Therapeuten in Worte zu fassen, ähnlich wie bei der Gestaltungstherapie also auch hier ein Weg, die Sprachlosigkeit in Gefühlsdingen zu überwinden.
Hinweis an Redaktionen: Für nähere Informationen zur Station der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie sowie zum Symposium steht Ihnen Klinikdirektor Prof. Dr. Gereon Heuft, Tel. 0251/83 5 29 02, gern zur Verfügung
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