Was heißt hier ’gute Miene machen’?
Untersuchungen zur emotionalen Wechselwirkung bei Behandlung mit dem Gift Botulinum
Botulinumtoxin – es ist nicht nur das stärkste bekannte Pharmakon, sondern auch eines der vielfältigsten Medikamente mit mehr als 100 publizierten Indikationen. Als Lifestyle-Therapeutikum hat Botulinumtoxin vor allem bei der Glättung von Gesichtsfalten und bei der Trockenlegung von extrem schwitzenden Körperarealen (fokale Hyperhidrose) Aufsehen erregt. In Deutschland lassen sich mittlerweile 100.000 Patienten mit diesem starken Gift, das aus einem Bakterium gewonnen wird, behandeln. Aufgrund seiner molekularen Größe ist Botulinum nicht für eine Anwendung in Form von Salben geeignet, sondern muß stets per Injektion an den beabsichtigten Wirkort gebracht werden. Die Wirkung setzt erst nach 2-5 Tagen ein und hält am Muskel etwa drei Monate, an den Schweißdrüsen dagegen 6-9 Monate an.
Die Dermatologen des Klinikums der Universität München, die sich im Bereich der klinischen Forschung und der Fortbildung für niedergelassene Ärzte bundesweit einen Namen gemacht haben, interessiert nun ein weiterer Aspekt. Gemeinsam mit Kollegen aus den Fachbereichen Psychosomatik verfolgen sie die Frage, ob und wie die Psyche der Patienten durch die Behandlung beeinflusst werden könnte. „Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass unsere Mimik einen Rückkopplungseffekt auf die emotionale Verfassung haben kann: Wir lachen, wenn wir fröhlich sind, aber umgekehrt hebt auch die rein mechanische Betätigung der Lachmuskeln unsere Stimmung. Dagegen runzeln wir die Stirn, wenn wir traurig oder verärgert sind. Uns interessiert, was passiert, wenn diese Sorgenmuskeln für eine Zeitlang entspannt werden“ so Privatdozent Dr. Marc Heckmann, der neben der Behandlung von mittlerweile mehreren hundert Patienten zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichung zum Thema Botulinum vorweisen kann.
WIRKUNG VON BOTULINUM
Die erwünschte ästhetische Wirkung beruht auf einer spezifischen Hemmung von Azetylcholin an der neuromuskulären Endplatte: Einzelne Gesichtsmuskeln, wie der Musculus corrugator („Sorgenmuskel“) können damit selektiv für etwa 3-5 Monate blockiert werden, so dass keine mimisch bedingte Faltenbildung mehr auftritt. In klinisch kontrollierten Studien hat sich die Methode als wirksam und sicher bewährt. In der Öffentlichkeit ist sie zu einer der gefragtesten medizin-ästhetischen Prozeduren avanciert. Das Verfahren kann ingesamt als sicher und für den Patienten als nicht belastend eingestuft werden. Dennoch muss der Patient sorgfältig über seltene, aber mögliche Nebenwirkungen wie Brauenptosis (Schweregefühl oder vorübergehende Absenkung der Brauen) und Lidptosis (vorübergehende Absenkung der Augenlider) informiert werden. Unter Anwendung dieser Standards werden derzeit weitere Untersuchungen in der Dermatologie des Klinikums der Universität München durchgeführt. Auch für die Behandlung der fokalen Hyperhidrose liegen überzeugende klinisch kontrollierte Studien vor, die neue Therapiestandards definieren. Hier geht die Wirksamkeit von Botulinumtoxin weit über eine Lifestyle-Behandlung hinaus, da auch und gerade schwerstbetroffene Hyperhidrosepatienten mit extremer sozialer Stigmatisierung und somatischen Folgeerkrankungen innerhalb von wenigen Tagen zu einer spektakulären Beschwerdefreiheit gelangen können. Bislang ist der Wirkstoff in Deutschland nur für neurologische Erkrankungen zugelassen, in Kanada und England schon für die beschriebenen dermatologischen Anwendungen.
Bei Rückfragen steht zur Verfügung:
Privatdozent Dr. med. Marc Heckmann
Dermatologische Klinik und Poliklinik
Frauenlobstraße 9-11
80337 München
Tel.: 089-5160-6391, Fax: 089-5160-6392
E-Mail Marc.Heckmann@derma.med.uni-muenchen.de
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