Was kommt nach der Analyse des Humangenoms?


Rostocker Forschungsgruppe untersucht die genetischen Ursachen der Parkinson-Krankheit

Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms erleichtert die Arbeit seiner Forschungsgruppe entscheidend, so Professor Olaf Rieß, Humangenetiker an der Universität Rostock. Waren früher Zeiträume bis zu einem Jahr notwendig, um die genaue Struktur eines Genes zu ermitteln, genügt heute ein Blick ins Internet.
Jedoch: Mit der Bestimmung der Struktur der Gene beginnt erst die eigentliche Forschung. Die einfache Kenntnis der genetischen Daten bringt noch keinen großen Nutzen. Erst wenn die genetischen Strukturen mit Veranlagungen zu bestimmten Krankheiten, Eigenschaften oder Verhaltensweisen verbunden werden können, lassen sich therapeutisch oder diagnostisch relevante Aussagen treffen.
Diesen Schritt geht die Arbeitsgruppe von Olaf Rieß in Bezug auf die Parkinson-Krankheit, einer der häufigsten neurologischen Erkrankungen.
Die Erforschung der genetischen Komponente der Parkinson-Krankheit begann vor etwa 10 Jahren. Damals wurde bekannt, dass die Veranlagung zur „Schüttellähmung“ in zehn italienischen und griechischen Familien erblich weiter gegeben wird. Die Entdeckung einer deutschen Familie, die das Risiko, an der Parkinson-Krankheit zu erkranken, gleichfalls vererbt, geht auf den Rostocker Humangenetiker zurück. Seine Arbeitsgruppe konnte zudem nachweisen, dass bei dieser Familie eine andere Mutation am Chromosomen 4 als bei den anderen Familien verantwortlich ist. Damit setzte in Deutschland die Erforschung der genetischen Komponente des „Morbus Parkinson“ ein.
Seitdem hat sich das Bild der Parkinson-Krankheit entscheidend verändert. Früher galt sie als Krankheit, die mit den Symptomen Bewegungsstarre und unkontrolliertem Gliederzittern einhergeht. Heutzutage lassen sich für das selbe klinische Bild 20 bis 30 unterschiedliche Ursachenkomplexe angeben. Für die 250 000 Menschen, die allein in Deutschland an der Parkinson-Krankheit leiden, macht das noch keinen Unterschied. Die Standardtherapie basiert nach wie vor auf der Behandlung der Symptome, welche durch einen Mangel am Nervenbotenstoff Dopamin hervorgerufen wird. Die therapeutische Kompensation des Mangels kann das weitere Fortschreiten der Krankheit jedoch nicht verhindern. In der Tiefe des menschlichen Hirns sterben die Nervenzellen weiter, die das Dopamin produzieren sollen.
Den tatsächlichen Ursachen der Parkinson-Erkrankung auf die Spur zu kommen, daran arbeiten gegenwärtig die Rostocker Humangenetiker um Olaf Rieß. Dabei verfolgen sie zwei Wege. Zum einen versuchen sie über Tiermodelle einzelne genetische Veränderungen herauszufinden, deren Auftreten mit der bekannten Parkinson-Symptomatik korrespondiert. Anhand sogenannter transgener Tiermodelle wird beispielsweise untersucht, ob sich die bekannten Bewegungsstörungen an ihnen nachweisen lassen. Zum zweiten versucht die Arbeitsgruppe von Olaf Rieß, als eine der ersten und wenigen Forschungsgruppen überhaupt, verschiedene genetische Faktoren zu kombinieren. So wurde herausgefunden, dass sich das Risiko, an der Parkinson-Erkrankung zu erkranken, signifikant erhöht, wenn zusätzlich genetische Modifikationen vorhanden sind, die bei der Alzheimer-Krankheit eine Rolle spielen.
Damit deutet sich eine Neuorientierung in der genetischen Forschung an. Statt der Erforschung einzelner genetischer Faktoren wird es immer mehr um das Zusammenwirken verschiedener Faktoren gehen, und schließlich auch um die Koppelung mit außergenetischen Ursachen. Und möglicherweise gelingt es erst dann, den genetischen Code zum „Sprechen“ zu bringen. Die Gefahr ist groß, dass die Strukturen des Humangenoms ohne derartige Forschungen nichtssagend bleiben. Direkte Verbindungen zu einem Punkt des Human-Genoms werden zudem die große Ausnahme bleiben. Vom Zusammenwirken verschiedener genetischer Faktoren, zudem mit Umwelteinflüssen, muss in der Regel ausgegangen werden. Die Erforschung solcher multifaktorieller Komplexe jedoch, so Olaf Rieß, steckt noch in den kleinsten Kinderschuhen.
Holm Graeßner
Tel.: 3814907120

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  Dr.-Ing. Karl-Heinz Kutz idw

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