Bonner Medizinerin entdeckt neues Band am Daumen
26 Knochen, 19 kurze Handmuskeln, fast hundert Bänder: Die Hand ist ein kompliziertes Körperteil. Dr. Anette Henkel-Kopleck, Medizinerin an der Universität Bonn, hat nun am Daumen ein weiteres Band entdeckt. Ihr Fund ist eine wissenschaftliche Überraschung – galten die anatomischen Rätsel des Menschen doch längst als gelöst.
"Anatemnein" ist griechisch und bedeutet „aufschneiden, sezieren“. 81 Hände hat die angehende Handchirurgin Henkel-Kopleck in den letzten Jahren präpariert, jeweils fein säuberlich Muskeln und Bänder am Daumen freigelegt, gefärbt und fotografiert. Mit erstaunlichem Ergebnis: In 47 Fällen konnte sie einen bislang unbekannten Faserzug nachweisen, für den sie den Namen "Ligamentum metacarpale pollicis" vorschlug – Band am Mittelhandknochen des Daumens.
Seit der aus Berlin stammende Mediziner Johannes Sobotta 1904 erstmals den „Atlas der deskriptiven Anatomie des Menschen“ veröffentlichte, galt die Erforschung des menschlichen Körperbaus als ein Gebiet, auf dem es nicht mehr viel Neues zu entdecken gab. 1994 jedoch fiel Professor Dr. Hans-Martin Schmidt, Anatom an der Universität Bonn, bei Präparationen des Daumens erstmals ein bindegewebiger Faserzug auf, der in den anatomischen Lehrbüchern noch nicht beschrieben war. Seine Mitarbeiterin Anette Henkel-Kopleck durchforstete die wissenschaftliche Literatur nach Hinweisen auf das Band – ohne Erfolg. Lediglich beim Schimpansen war 1887 ein ähnlich gearteter Faserzug beschrieben worden.
„Das Band ist wahrscheinlich ein Muskelrudiment, das der Stabilisierung des Daumengrundgelenks dient“, vermutet die erst 32-jährige Medizinerin. Seit zwei Jahren forscht die Mutter einer Tochter am Anatomischen Institut. Von ihrem Arbeitsgebiet ist sie fasziniert: „Die Hand ist ein äußerst kompliziertes Gebilde und die Arbeit mit den filigranen Instrumenten sehr ästhetisch.“ Ihre Entdeckung hat Henkel-Kopleck selbst überrascht: „Es ist kaum zu glauben, dass in der makroskopischen Anatomie heute noch etwas Neues entdeckt wurde, insbesondere, weil es auch klinisch relevant ist.“
Das neue Band fixiert nämlich auch eine Arterie, die den Daumen mit sauerstoffreichem Blut versorgt. Bei den Untersuchungen konnte Henkel-Kopleck häufig Einschnürungen der Arterie feststellen, die wahrscheinlich durch den Faserzug verursacht worden waren. So eine Verengung kann zum Beispiel Schmerzen hervorrufen – eine Symptomatik, die beim Daumen als sogenannte „Ringbandstenose“ nicht selten auftritt und ambulant operiert wird. „Leider nicht immer erfolgreich“, so die Medizinerin. Und hat auch einen Verdacht, warum: „Weil niemand von dem Band wusste, wurde vielleicht auch einmal etwas falsches operiert.“
Weitere Informationen: Dr. Anette Henkel-Kopleck, Anatomisches Institut der Universität Bonn, Tel.: 0228/73-9635, Fax: 0228/73-7301, E-Mail: a.henkel.kopleck@uni-bonn.de
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