Haarwurzel als Quelle von Stammzellen für neue Haut
„Haut aus Haaren“ – das klingt einfach, und nun, da die entscheidenden Schritte getan sind, ist es das beinahe auch. Ein Forscher-Team um Professor Jan C. Simon, Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universität Leipzig, und Mitarbeiter der Leipziger Firma euroderm entwickelten gemeinsam das entsprechende Verfahren. Unterstützt wurde das Projekt mit dem Innovationspreis der IHK zu Leipzig, der 10.000 Euro betrug.
Inzwischen kamen an der Uni-Hautklinik bereits über 20 Patienten in den Genuss dieser Neuentwicklung. Bislang gab es für Menschen mit großflächigen Verbrennungen oder chronischen Wunden nur eine Möglichkeit: An einer anderen Stelle ihres Körpers wurden Hautstücke entnommen und dann auf die Wunde verpflanzt. „Mit dieser Hauttransplantation lässt sich jedoch nicht verhindern, dass neue Verletzungen erzeugt werden“, erläutert Simon die Nachteile des herkömmlichen Weges. „Wir haben also einen Ansatz gesucht, bei dem die gesunde Haut nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Künstliches Material oder gar Spenderhaut kamen durch die Immunabstoßung nicht in Frage. Also dachten wir über den Einsatz von adulten Stammzellen nach, also erwachsene Stammzellen des jeweiligen Patienten.“
Stammzellen sind Körperzellen, deren Rolle im menschlichen Organismus nicht von vornherein festegelegt ist. Beinahe Alleskönner. Sie sind so flexibel, dass sie die verschiedensten notwendige Funktion übernehmen können.
Damit unterscheiden sie sich von den spezialisierten Zellen, die sich von vornherein nur – wie ihre jeweiligen „Nachbarn“ – zu Zellen eines bestimmten Organs entwickeln können.
„Als nächstes zogen wir in Erwägung, diese Stammzellen aus Zellen zu gewinnen, die nicht durch Eingriffe aus dem Körperinneren geholt werden müssen. Damit begann die Forschung an den Haarwurzeln. Es ist gelungen, durch eine Auftrennung der Haarwurzeln jene Nische zu finden, in der Stammzellen heranwachsen. Diese Stammzellen wurden isoliert, in eine Lösung gelegt und durch Nährstoffe und Botenstoffe so beeinflusst, dass Haut aus ihnen entsteht.
Innerhalb von zwei bis drei Wochen wächst solch eine Zelle zu einer Epidermis-Fläche – also Stücke der oberen Hautschicht – so groß wie ein Cent.“ Das „Opfer“, das die Betroffenen dafür bringen mussten, war lediglich, dass ihnen 40 bis 50 Kopfhaare ausgerissen wurden, eine Aktion, die mit der herkömmlichen Gewinnung von adulten Stammzellen nicht vergleichbar ist. Aus 50 Haaren lassen sich rund 10 Quadratzentimeter Haut herstellen.
Die von den Haarwurzeln der einzelnen Patienten ausgehende Zucht von Haut hat nun das Unternehmen euroderm übernommen, eine Firma die auch humane Hautmodelle zur In Vitro-Testung für die pharmazeutische, chemische und kosmetische Industrie herstellt.
Die nächsten Schritte der Forschung werden in Richtung der Züchtung von pigmentbildenden Zellen aus den Haarwurzelzellen gehen. „Damit könnten wir Patienten die an der Weißfleckenkrankheit leiden, besser behandeln“, so Simon. Für die Stammzellenforschung insgesamt spielt diese Forschung der Leipziger Hautklinik eine große Rolle, weil die auf der Haut leicht zu beobachtenden Regenerationsprozesse nach gleichen Prinzipien ablaufen wie die im Körperinneren.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Jan C. Simon
Telefon: 0341 97-18600
E-Mail: derma@medizin.uni-leipzig.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-leipzig.de/~dermaAlle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit
Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.
Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…