Erste Hilfe für Gewaltopfer
Prävention von chronischen Störungen
Köln, den 28. Juni 2000 – Durch eine nach einem Gewaltakt zügig eingeleitete kurze Trauma-Akuttherapie, die ungefähr zehn Termine umfaßt, kann eine signifikante und andauernde Minderung der Symptome bei Gewaltopfern erreicht werden. Ein weiterentwickeltes Therapieverfahren, bei dem die Behandlungsform speziell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten wird, kann dabei die bisher hohe Abbruchrate verhindern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die unter Leitung von Professor Dr. Gottfried Fischer am Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität zu Köln in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Psychotraumatologie, Köln erstellt wurde.
Die psychische Versorgung von Gewaltopfern kann in großen Teilen Deutschlands derzeit nur als katastrophal bezeichnet werden. Dies zeigte sich im Rahmen der Studie, auf die nach Bekanntwerden der Thematik ein wahrer Nachfrageansturm von Opfern entstand, die schon vor längerer Zeit traumatisiert wurden. Eine Schätzung, daß in einem Zeitraum von zehn Jahren in Nordrhein-Westfalen 80.000 Gewaltopfer unter chronischen Gesundheitsfolgen einer Gewalttat leiden, werten die Kölner Psychologen deshalb nur als untere Grenze einer vermutlich noch höher liegenden Zahl. Hinzu kommt, daß ein Großteil der Betroffenen nicht als chronisch Traumatisierte in der Statistik geführt werden, sondern unter ihren Folgeerkrankungen wie Alkoholismus oder depressiven Störungen eingeordnet werden.
Das Kölner Opferhilfe Modellprojekt, ein Netzwerk von Hilfsangeboten, das im Zuge eines vorhergehenden Projektes entstand, ermöglicht eine schnelle erste Hilfe für Gewaltopfer. Ein wesentlicher Kooperationspartner in diesem Netzwerk ist die Kölner Polizei. Mit dem Computerprogramm „Victim“, welches landesweit in Polizeidienststellen in NRW eingeführt wurde, können akut traumatisierte Opfer erkannt und an entsprechende Hilfsstellen weitergeleitet werden. Desweiteren besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring und dem Versorgungsamt der Stadt Köln. Im Umfeld des Projekts entstand darüber hinaus eine Gruppe von psychotraumatologisch erfahrenen Psychotherapeuten, die Patienten betreuen können.
Besonders wichtig scheint bei der Behandlung der Betroffenen eine in der Psychotherapie bislang unübliche Aktivität und Flexibilität des Therapeuten zu sein, der verstärkt auf das Opfer zugehen sollte. Denn eine große Zahl der Opfer von Gewaltverbrechen strebt nach Beobachtungen der Studie in der Frühphase nach dem Verbrechen eher von Hilfseinrichtungen weg und nimmt mit diesen erst wieder Kontakt auf, wenn ihr Trauma bereits chronisch geworden ist und die Beschwerden nicht mehr anderweitig zu entlasten sind. Die Therapeuten sollten deshalb aktiv den Kontakt zum Patienten herstellen, zum Beispiel durch telefonische Kontaktaufnahme. Genauso sollte der Patient über die Symptome und Ursachen von Traumafolgeerkrankungen aufgeklärt und über deren Verlauf informiert werden.
Nach Meinung der Kölner Psychologen kann die sichtbar gewordene Versorgungslücke für Traumaopfer nur durch Verbesserungen im Bereich der Weiterbildung von Psychotherapeuten auf dem Gebiet der Psychotraumatologie und Entwicklung ambulanter und stationärer Konzepte für die Akuttraumatherapie in einem vertretbaren Zeitraum geschlossen werden. Dabei ist es jedoch nicht nötig eine flächendeckende Versorgung anzustreben und jedes Opfer psychotherapeutisch zu behandeln. Vielmehr werden die gefährdeten Patienten durch den während der vorhergehenden Studie entwickelten Kölner Risiko-Index herausgefiltert (nur etwa ein viertel der Betroffenen) und können dann fachlich betreut werden.
Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias
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