Bislang unbekannter Mechanismus zur Behandlung von Bluthochdruck entdeckt

Forschungsgruppenleiter Prof. Philip Wenzel (Mitte) entdeckte gemeinsam mit Dr. Jérémy Lagrange (rechts), Dr. Sabine Kossmann (links) einen bislang unbekannten Mechanismus zur Behandlu Peter Pulkowski, Universitätsmedizin Mainz

Bluthochdruck zählt zu einer der weltweit häufigsten Volkskrankheiten. Ist der Blutdruck zu hoch, so steigt das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und langfristige Organschäden. Die Spätfolgen von Bluthochdruck lassen sich trotz einer Vielzahl von etablierten Medikamenten oft nur unzureichend verhindern.

Eine Forschergruppe des Zentrums für Kardiologie und des Centrums für Thrombose und Hämostase (CTH) an der Universitätsmedizin Mainz unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel entdeckte jetzt eine bisher unbekannte Interaktion von Faktoren der Blutgerinnung und der Entzündungsreaktion:

Sie konnten nachweisen, dass bei Patienten mit Bluthochdruck der sogenannte Blutgerinnungsfaktor XI verstärkt aktiviert ist. Hemmt man diesen Blutgerinnungsfaktor, dann lässt sich der Bluthochdruck deutlich senken, und es treten weniger Entzündungsreaktionen auf. Diese Entdeckung eröffnet neue Therapieoptionen zur Behandlung von Bluthochdruck und Entzündungskrankheiten.

Die Ergebnisse wurden gestern in der renommierten Fachzeitschrift ‚Science Translational Medicine‘ veröffentlicht.

In Deutschland leiden etwa 25 Millionen Menschen an Bluthochdruck. Bleibt der Bluthochdruck unerkannt und unbehandelt, steigt das Risiko für Folgeschäden des Herz-Kreislaufsystems und der Niere. Dies kann fatale Folgen für den Patienten haben: Jeder vierte stirbt an den Folgen des Bluthochdruckes.
„Man weiß schon länger, dass Bluthochdruck mit einer Entzündung der Gefäßwände und infolgedessen einer Gefäßschädigung einhergeht. Vollkommen überraschend war für uns aber, dass ein Gerinnungsmechanismus auch an der Entstehung und Entwicklung von Bluthochdruck maßgeblich beteiligt sein kann“, so Prof. Wenzel.

Im Rahmen ihrer Studie verabreichte die Forschergruppe im Tiermodell das blutdrucksteigernde Hormon Angiotensin II. Es zeigte sich, dass Angiotensin II in der Gefäßwand eine Entzündungsreaktion auslöst, die durch Komponenten des Blutgerinnungssystems maßgeblich verstärkt wird. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass der Blutgerinnungsfaktor XI für den Anstieg dieser Entzündungsreaktion verantwortlich ist. Eigentliche Aufgabe des Blutgerinnungsfaktors XI ist es, die Aktivierung der Gerinnung auf der Oberfläche der Blutplättchen anzutreiben. Er wird dabei von Oberflächenrezeptoren der Blutplättchen unterstützt.

„Bei diesem komplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren und Zellen haben uns die Studienergebnisse erstaunt: Sowohl die Entzündungsreaktion als auch die Entstehung des Bluthochdrucks ließ sich durch eine therapeutische Hemmung des Blutgerinnungsfaktor XI signifikant reduzieren. Die Hemmung dieses Gerinnungsfaktors, der bekanntermaßen nur eine untergeordnete Rolle bei der normalen Blutstillung spielt, konnte sogar eine Nierenschädigung deutlich reduzieren“, erläutert Prof. Wenzel.

Die anschließende Untersuchung von Patientenproben zeigte ebenfalls deutliche Hinweise für eine verstärkte Gerinnungsaktivierung auf den Blutplättchen in Patienten mit erhöhtem Blutdruck. Auch hier war der Blutgerinnungsfaktor XI die treibende Kraft, wie die Wissenschaftler nachweisen konnten. Diese Erkenntnisse legen nah, dass eine medikamentöse Hemmung des Blutgerinnungsfaktor XI Bluthochdruckpatienten helfen könnte.

„Bisher wird die multifaktorielle Erkrankung Bluthochdruck mit einer Kombination aus verschiedenen Medikamenten behandelt. Unsere Forschungsergebnisse eröffnen neue Behandlungsoptionen von Bluthochdruck und dessen Folgeschäden, wenn der Blutgerinnungsfaktor gehemmt wird.

Es spricht vieles dafür, dass sich der Therapieerfolg und damit auch die Lebenserwartung von Patienten mit Bluthochdruck mit einem gehemmten Blutgerinnungsfaktor XI deutlich verbessern lässt“, so Prof. Wenzel, der die Forschungsergebnisse dieser Studie jetzt in der hochrangigen Zeitschrift ‚Science Translational Medicine‘ veröffentlicht hat.

Der wissenschaftliche Direktor des CTH, Univ.-Prof. Dr. Wolfram Ruf und der Direktor des Zentrums für Kardiologie I im Zentrum für Kardiologie, Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, betonen: „Bahnbrechende klinisch-orientierte Grundlagenforschung, wie wir sie hier sehen, ist nur in einem interdisziplinären Umfeld umsetzbar. Daher sind translationale Profilzentren wie das CTH essentiell für die Entdeckung neuer Therapieansätze an einer forschungsstarken Universitätsmedizin.“
DOI: Kossmann et al., Sci. Transl. Med. 9, eaah4923 (2017) 1 February 2017.

Bildunterzeile: Forschungsgruppenleiter Prof. Philip Wenzel (Mitte) entdeckte gemeinsam mit seinen Kollegen Dr. Jérémy Lagrange (rechts), Dr. Sabine Kossmann (links) einen bislang unbekannten Mechanismus zur Behandlung von Bluthochdruck
Verwendung des Fotos kostenfrei unter Angabe der Quelle: Peter Pulkowski

Kontakt
Andrea Mänz-Grasmück
Universitätsmedizin Mainz
Telefon 06131/17-5737
E-Mail: andrea.grasmueck @unimedizin-mainz.de

Christian Gertler
CTH – Centrum für Thrombose und Hämostase Mainz
Universitätsmedizin Mainz
Telefon 06131/17-5992
E-Mail: christian.gertler@unimedizin-mainz.de

Pressekontakt
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Telefon 06131 17-7424, Fax 06131 17-3496, E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de

Über das CTH
Das integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum „Center for Thrombosis and Hemostasis (CTH)“ der Universitätsmedizin Mainz erforscht Thrombose- und Blutgerinnungserkrankungen und will deren Behandlung verbessern. Dabei setzt das CTH auf translationale Forschung, also die Umsetzung von Erkenntnissen aus der experimentellen Grundlagenforschung in die klinische Anwendung. Mit seinem Nachwuchsprogramm bietet das CTH darüber hinaus attraktive Karrierewege für junge Nachwuchskräfte an der Schnittstelle von Wissenschaft und Klinik.
Das Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) ist eines von insgesamt acht Modellzentren, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des nationalen Programms „Integrierte Forschungs- und Behandlungszentren (IFB)“ gefördert werden. Ziele dieses Programms sind die Schaffung eines attraktiven Umfeldes für klinische Spitzenforschung, bessere Karriereoptionen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und eine hohe Qualität der patientenorientierten Forschung. Seit August 2016 hat Prof. Wenzel die Professur ‚Vaskuläre Inflammation‘, die im Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) und im Zentrum für Kardiologie angesiedelt ist, inne

Über das Zentrum für Kardiologie
Das Zentrum für Kardiologie genießt bundesweit und international Anerkennung bei der Behandlung von koronaren Herzerkrankungen, Herzklappenfehlern, Herzmuskelerkrankungen, peripheren Gefäßen, im Bereich der internistischen Intensivmedizin, der kardiovaskulären Prävention und der Rhythmologie. Notfallversorgungsstrukturen wie die Chest Pain Unit (CPU, Brustschmerzeinheit) und die Vorhofflimmerunit sorgen für eine rasche und effiziente Diagnose und Therapie bei den betroffenen Patientengruppen. Weiterhin werden Spezialambulanzen für Patienten mit Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen, Fettstoffwechselerkrankungen und Lungenhochdruck angeboten.
Das Zentrum für Kardiologie verfügt aktuell über 105 Betten, vier Allgemeinstationen, eine große Intensivstation und sechs Katheterlabore.
Bedingt durch die Weiterentwicklung insbesondere in der interventionellen Kardiologie, zahlreiche wissenschaftliche Projekte, ein zukunftweisendes Klinikkonzept und nicht zuletzt die hohe Patientenzufriedenheit ist die Klinik in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen.

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor.

Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de

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