Chronische Schmerzen nach einer Behandlung auf der Intensivstation: Häufiger als gedacht
Immer mehr Patienten überleben dank moderner Intensivmedizin auch schwere Erkrankungen und Verletzungen. Aber wie geht es ihnen Monate oder Jahre später?
Dazu untersuchte eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Psychologen Philipp Baumbach und des Schmerzmediziners Winfried Meissner am Universitätsklinikum Jena (UKJ) die Häufigkeit und Risikofaktoren chronischer Schmerzen bei mehr als 200 Patienten nach einer Intensivbehandlung und verglich diese mit gesunden Probanden.
Das Ergebnis: Ein Drittel aller Überlebenden berichtete von bedeutsamen Schmerzen auch bis zu einem Jahr nach der Entlassung. Dadurch waren Alltagstätigkeiten, Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität teilweise erheblich beeinträchtigt. Interessanterweise spielte es kaum eine Rolle, ob – wie zunächst vermutet – die Patienten während ihres Intensivaufenthaltes unter einer Sepsis litten, einer lebensbedrohlichen Entzündungsreaktion, oder nicht. Allerdings war der Entzündungswert CRP mit einem erhöhten Risiko für chronische Schmerzen nach Intensivbehandlung verbunden.
Früherkennung von Risikofaktoren und Nervenfehlfunktion für neue Präventionsansätze
In einem weiteren Teil des Projektes wurden Auffälligkeiten der Reizverarbeitung untersucht. Etwa die Hälfte der Patienten wies eine ausgeprägte Fehlfunktion dünner Nervenfasern auf. Im Vergleich zu Patienten ohne diese Veränderungen berichtete diese Patientengruppe über eine erhöhte Schmerzbeeinträchtigung und damit einhergehend eine geringere Lebensqualität. „Ein frühes Screening auf diese Veränderungen könnte dazu führen, dass gefährdete Patienten erkannt und rechtzeitig behandelt werden“, betont Projektleiter Baumbach.
Der letzte, soeben publizierte Teil der Untersuchung identifizierte weitere mögliche Risikofaktoren für chronische Schmerzen nach einer Intensivbehandlung, darunter vorbestehende Schmerzen, niedrigeres Alter, vor allem aber starke Schmerzen unmittelbar nach der Intensivbehandlung.
„Diese Ergebnisse sind besonders interessant, denn sie ähneln unseren Befunden bei Operationsschmerzen“, so Seniorautor Winfried Meissner. Hier ist bekannt, dass die Gabe bestimmter Medikamente während und unmittelbar nach der Operation einer Chronifizierung entgegenwirken kann. „Sollten dieses Wissen übertragbar sein, eröffnen sich auch für Intensivpatienten neue Ansätze zur Vorbeugung chronischer Beschwerden.“
Das Projekt ist zugleich ein Beispiel für die interdisziplinäre Kooperation der Jenaer Schmerzmediziner: Beteiligt an diesem Teilprojekt des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum Sepsis und Sepsisfolgen (CSCC) waren neben Anästhesisten auch Mitarbeiter der Klinik für Neurologie des UKJ und des Instituts für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Originalliteratur:
Baumbach P, Götz T, Günther A, Weiss T, Meissner W:
Prevalence and characteristics of chronic intensive care related pain: the role of severe sepsis and septic shock. Crit Care Med 2016; 44:1129-37 DOI: 10.1097/CCM.0000000000002309
Somatosensory Functions in Survivors of Critical Illness. Crit Care Med 2017; 45: e567-e574, DOI: 10.1097/CCM.0000000000001635.
Chronic intensive care-related pain: exploratory analysis on predictors and influence on health related quality of life. European Journal of Pain 2017, DOI: 10.1002/ejp.1129
Kontakt:
Philipp Baumbach
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena
E-Mail: Philipp.Baumbach@med.uni-jena.de
Tel.: 03641-9325798
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Weitere Informationen:
http://www.uniklinikum-jena.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit
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