Entschlüsselung der Aphasie: Globale Studie analysiert den Kampf der Patienten mit Verbzeiten

Bild, das die Herausforderungen bei der Kodierung von Zeitformen und beim Abruf von Verben bei Aphasie in verschiedenen Sprachen veranschaulicht

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Ein internationales Forscherteam, darunter Wissenschaftler des HSE-Zentrums für Sprache und Gehirn, hat die Ursachen für Beeinträchtigungen beim Ausdruck der grammatischen Zeit bei Menschen mit Aphasie identifiziert. Sie entdeckten, dass Personen mit Sprachstörungen sowohl Schwierigkeiten haben, das Konzept der Zeit zu bilden als auch die korrekte Verbzeit auszuwählen. Welche dieser Prozesse dabei herausfordernder ist, hängt jedoch von der Sprache des Sprechers ab. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Aphasiology veröffentlicht.

Was ist Aphasie?

Aphasie ist eine schwere Sprachstörung, oft verursacht durch einen Schlaganfall, bei der Betroffene die Fähigkeit verlieren, kohärent zu sprechen. Insbesondere kann dies sich in der falschen Verwendung von Verbzeiten äußern, was es den Patienten erschwert, über vergangene oder zukünftige Ereignisse zu sprechen und die alltägliche Kommunikation erheblich verkompliziert.

Untersuchung von Kodierungs- und Abrufprozessen durch Experimente

Um die Ursprünge dieser Schwierigkeiten zu untersuchen, führten Forscher von Universitäten in Russland, Griechenland, Italien, den USA und Norwegen ein Experiment durch. Sie hießen an, dass Beeinträchtigungen beim Ausdruck von Zeitformen auf zwei unterschiedliche Prozesse zurückzuführen sein könnten: Kodierung und Abruf. Während der Kodierung bildet der Sprecher das Zeitkonzept (zum Beispiel, ob eine Handlung in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft stattgefunden hat). Beim Abruf wählt er die korrekte Verbform aus, um dieses Konzept auszudrücken. Um die Auswirkungen jedes Prozesses zu verstehen, führten die Wissenschaftler Experimente mit Aphasiepatienten durch, die vier verschiedene Sprachen sprachen: Griechisch, Russisch, Italienisch und Englisch. Diese Sprachen wurden ausgewählt, weil sie die Verbzeiten unterschiedlich strukturieren, was den Forschern ermöglichte zu untersuchen, wie sprachspezifische Merkmale die Kodierung und den Abruf von Zeit in Aphasiepatienten beeinflussen.

Entwurf diagnostischer Satzergänzungsaufgaben

Um die Diagnose zu unterstützen, entwickelten die Forscher zwei Satzergänzungsaufgaben. Die erste Aufgabe bat die Teilnehmer, Lücken in Sätzen zu füllen, was beide Prozesse – Kodierung und Abruf – erforderte. Sie mussten den Satz entsprechend dem Modell vervollständigen und dabei die Veränderung der Zeitform des Verbs berücksichtigen. Zum Beispiel: „Gestern hat der Gärtner die Blumen gegossen. Morgen wird der Gärtner die Blumen …“ Die zweite Aufgabe erwartete von den Teilnehmern, Sätze zu vervollständigen, ohne die Verbzeit zu ändern. Ihnen wurde der Satzteil „die Pflanzen gießen“ gegeben und sie hörten den Beispielsatz „Der Gärtner sammelt gerade Pilze.“ Dann wurden sie aufgefordert, einen Satz mit „Der Gärtner …“ zu beginnen und ihn mit dem Satzteil „die Pflanzen gießen“ in der korrekten Form zu vervollständigen, was zu „ist die Pflanzen zu gießen“ führte.

Durch den Vergleich der Ergebnisse dieser Aufgaben konnten die Forscher feststellen, ob die Hauptschwierigkeiten beim Kodieren oder beim Abrufen auftraten.

Die Studie zeigte, dass die meisten Teilnehmer Beeinträchtigungen sowohl beim Kodieren als auch beim Abrufen erlebten, aber die Schwere dieser Probleme je nach Sprache und Individuum variierte. Beispielsweise hatten russisch- und englischsprachige Teilnehmer mehr Schwierigkeiten mit der Abrufaufgabe, während griechisch- und italienischsprachige Teilnehmer hauptsächlich beim Kodieren Herausforderungen hatten. Interessanterweise waren die Schwierigkeiten beim Ausdruck der Zeit selektiv. Einige Patienten hatten Probleme, auf die Vergangenheit zu verweisen, während andere mit der Zukunft kämpften.

Ergebnisse von Olga Buivolova

„Diese Ergebnisse sind entscheidend, um zu verstehen, wie Aphasiepatienten die Fähigkeit verlieren, Zeit unterschiedlich auszudrücken, abhängig von den Eigenschaften ihrer Sprache“, erklärte Olga Buivolova, Forschungsmitarbeiterin am HSE-Zentrum für Sprache und Gehirn und eine der Autorinnen der Studie. „Wir können nun besser bewerten, welche Aspekte der Zeit die größten Herausforderungen für die Patienten darstellen und beginnen, maßgeschneiderte therapeutische Ansätze zu entwickeln.“

Genaues, umfassendes Diagnostizieren von Patienten mit Aphasie

Wie die Forscher anmerken, könnten die Hauptschlussfolgerungen der Studie auch praktische Auswirkungen auf die Neurorehabilitation haben. Erstens kann diese experimentelle Methode helfen, die zugrunde liegenden Ursachen der Schwierigkeiten bei der Verwendung von Verbzeiten zu identifizieren. Das bedeutet, dass Sprachtherapeuten und Neuropsychologen gründlicher und effektiver mit den Patienten an der Sprachwiederherstellung arbeiten können.

Zweitens hilft die Studie zu verstehen, wie Unterschiede zwischen Sprachen die Symptome der Aphasie beeinflussen können. Dies ist wichtig für die Entwicklung standardisierter Tests und Methoden, die die Besonderheiten der Muttersprache eines Sprechers berücksichtigen, was letztendlich zu einer genaueren und umfassenderen Diagnose von Aphasiepatienten führt.

Originalquelle: https://www.hse.ru/news/science/997525972.html

Originalveröffentlichung
Valantis Fyndanis, Francesca Burgio, Olga Buivolova, Laura Danesin, Qingyuan Gardner, Theodora Kalpakidi, Michael Scimeca, Marielena Soilemezidi, Swathi Kiran & Olga Dragoy
Zeitschrift: Aphasiology
Artikel-Titel: Teasing apart time reference-related encoding and retrieval deficits in aphasia: evidence from Greek, Russian, Italian and English
Artikel-Veröffentlichungsdatum: 22. Okt. 2024
DOI: https://doi.org/10.1080/02687038.2024.2415927

Medienkontakt
Liudmila Mezentseva
National Research University Higher School of Economics
E-Mail: lmezentseva@hse.ru

Quelle: EurekAlert!

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