Fortschritt bei hochsensibler Methode für die maßgeschneiderte Leukämiebehandlung
Die messbare Resterkrankung (MRD) ist eine wichtige Größe, um den Therapieerfolg bei einer Akuten myeloischen Leukämie (AML) bewerten und die weitere Behandlung patientenindividuell anpassen zu können. Eine entsprechende Diagnostik ist derzeit noch nicht flächendeckend verfügbar.
Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) hat nun ein schnelles, einfach umzusetzendes Verfahren für die MRD-Messung mittels Durchflusszytometrie entwickelt und an Proben von 246 AML-Erkrankten überprüft.
Das Verfahren könnte die MRD-Diagnostik künftig für deutlich mehr Patientinnen und Patienten verfügbar machen und die standortübergreifende Vergleichbarkeit der Messergebnisse verbessern.
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Die Akute myeloische Leukämie (AML) ist mit jährlich rund 4.100 Neuerkrankungen in Deutschland eine seltene Erkrankung, aber die häufigste Form akuter Leukämien im Erwachsenenalter. Nach einer initialen intensiven Chemotherapie sind bei rund 70 Prozent der Betroffenen zunächst keine Leukämiezellen mehr unter dem Mikroskop erkennbar. Ohne weitere Behandlung erleiden allerdings 50 Prozent dieser Patientinnen und Patienten einen Rückfall innerhalb der nächsten sechs Monate. Eine wichtige Größe, um das individuelle Rückfallrisiko abschätzen und die weitere Therapie entsprechend anpassen zu können, ist die so genannte messbare Resterkrankung (Measurable residual disease, MRD). Sie liegt vor, wenn sehr empfindliche Messverfahren wie die Durchflusszytometrie im Körper noch Leukämiezellen nachweisen können, obwohl die Therapie gut angeschlagen hat und mit lichtmikroskopischen Verfahren keine Leukämiezellen mehr nachgewiesen werden können.
Mittels Durchflusszytometrie können im Hochdurchsatzverfahren mehrere 100.000 Zellen innerhalb kurzer Zeit gleichzeitig auf mehrere Zelloberflächenmerkmale untersucht werden. Diese Methode ist im Gegensatz zu anderen Messverfahren bei nahezu allen AML-Erkrankten zur MRD-Messung anwendbar. Bislang fehlte jedoch ein schnelles, standardisiertes Verfahren, das die Diagnostik für die breite klinische Anwendung praktikabel und Messergebnisse zwischen verschiedenen Standorten vergleichbar macht. Ein Forscherteam unter Dresdner Leitung hat nun eine Methode entwickelt, mit der sich 32 krankheitsrelevante Antigenkombinationen auf Zellen in Knochenmarkproben in weniger als fünf Minuten analysieren und dokumentieren lassen.
PD Dr. Malte von Bonin, Co-Studienleiter von der Medizinischen Klinik I (MK I) des Dresdner Uniklinikums, betont: „Die schnelle Methode macht die MRD-Messung mittels Durchflusszytometrie im Vergleich zu bisherigen Ansätzen effizienter und erhöht Laborkapazitäten. So könnte die Diagnostik, die bislang deutschlandweit nur an wenigen großen Zentren erfolgt, an weiteren Häusern etabliert werden. Zugleich könnten Betroffene im Therapieverlauf engmaschiger mittels MRD-Diagnostik überwacht werden.“
Dr. Uta Oelschlägel, Co-Studienleiterin von der MKI des Dresdner Uniklinikums, erklärt: „Da bislang ein standardisiertes Verfahren für die durchflusszytometrische Messung der MRD fehlt, sind damit verbundene Studienergebnisse nur schwer auf andere Standorte übertragbar. Dies könnte sich mit der von uns entwickelten Methode künftig ändern, die nach einem klar definierten Regelwerk erfolgt und auch an anderen Häusern implementiert werden kann.“
Bei der Durchflusszytometrie wird Laserlicht zur Untersuchung von Zellen (z.B. aus Blut oder Knochenmark) eingesetzt, die sich in einem Flüssigkeitsstrom durch das Gerät bewegen. Bestimmte Zell-Merkmale können durch Fluoreszenzmarkierung sichtbar gemacht werden. Die in Dresden entwickelte Methode arbeitet mit der Färbung von acht Zelloberflächenmerkmalen, die das European LeukemiaNet (ELN) als wichtige MRD-Marker empfiehlt (CD34, CD13, CD7, CD33, CD56, CD117, HLA DR, CD45). Eine eigens programmierte Datenbank und Auswertepipeline ermöglicht die schnelle Analyse und Visualisierung der 32 relevanten Antigenmuster. Die Auswertung erfolgt in klar definierten und standardisierten Analyseschritten. Durchflusszytometer, die mit Fluoreszenzfarbstoffen arbeiten, sind an Universitätskliniken und in großen Diagnostiklaboren verfügbar. Für den Einsatz im Rahmen der Diagnostik der Akuten myeloischen und lymphatischen Leukämien bedarf es besonderer Expertise.
Die Aussagekraft der in Dresden entwickelten Methode überprüften die Forschenden an Proben von 246 AML-Patientinnen und -Patienten, die nach der initialen Chemotherapie und vor weiteren Therapieschritten im Behandlungsverlauf entnommen wurden. Als Referenz dienten 90 Proben von gesundem und leukämiefreiem Knochenmark. Die Betroffenen, bei denen eine messbare Resterkrankung nachgewiesen wurde, wiesen ein deutlich kürzeres Gesamtüberleben und ein höheres Rückfallrisiko auf (2-Jahres-Überlebenrate bei MRD-Negativität: 92 Prozent, bei MRD-Positivität: 63 Prozent). „Die prognostische Aussagekraft unserer MRD-Diagnostik für den weiteren Behandlungsverlauf war auch dann signifikant, wenn weitere wichtige Größen wie das Alter oder das genetische Risikoprofil der Leukämie in die Vorhersage-Modelle einbezogen wurden“, sagt Dr. Maximilian Röhnert, Erstautor der Studie von der MK I.
Prof. Martin Bornhäuser, Mitglied im Geschäftsführenden Direktorium des NCT/UCC, erläutert: „Wenn bei einem Patienten nach den ersten ein bis zwei Chemotherapiezyklen eine messbare Resterkrankung nachweisbar ist bzw. im Verlauf nicht verschwindet, kann das ein Faktor sein, bei dem man zu einer Stammzelltransplantation raten würde. Auch im weiteren Behandlungsverlauf und nach Abschluss der Therapie kann eine MRD-Diagnostik wichtige Anhaltspunkte dafür liefern, ob die Behandlung modifiziert werden sollte. Ideal wäre es, wenn eine MRD-Messung nach jedem größeren Behandlungsabschnitt und in der Nachsorge in regelmäßigen Abständen erfolgen könnte.“ Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden, ergänzt: „Krebs ist eine sehr individuelle Erkrankung. Die personalisierte Onkologie zielt darauf ab, die Behandlung möglichst passgenau auf die jeweiligen biologischen Eigenschaften der Erkrankung zuzuschneiden. Die Fortschritte in der AML-Diagnostik sind ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.“
Die neu entwickelte Methode ist bereits im Labor der Studienallianz Leukämie am Universitätsklinikum Dresden im Einsatz, wo jährlich rund 2.000 Proben aus zahlreichen deutschen Kliniken analysiert werden. Künftig könnte sie auch an weiteren Zentren mit entsprechenden Speziallaboren zum Einsatz kommen.
Veröffentlichung:
Röhnert, M.A., Kramer, M., Schadt, J. et al. Reproducible measurable residual disease detection by multiparametric flow cytometry in acute myeloid leukemia. Leukemia 36, 2208–2217 (2022). https://doi.org/10.1038/s41375-022-01647-5
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Analyse einer Knochenmarkprobe am Durchflusszytometer. © Uniklinikum Dresden/Marc Eisele
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Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC)
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Das NCT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Krankenversorgung so eng wie möglich zu verknüpfen. Damit können Krebspatienten an den NCT-Standorten auf dem jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden. Gleichzeitig erhalten die Wissenschaftler durch die Nähe von Labor und Klinik wichtige Impulse für ihre praxisnahe Forschung. Gemeinsamer Anspruch der NCT-Standorte ist es, das NCT zu einem internationalen Spitzenzentrum der patientennahen Krebsforschung zu entwickeln. Das Dresdner Zentrum baut auf den Strukturen des Universitäts KrebsCentrums Dresden (UCC) auf, das 2003 als eines der ersten Comprehensive Cancer Center (CCC) in Deutschland gegründet wurde. Seit 2007 wurde das Dresdner Zentrum von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) kontinuierlich als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet.
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das DKFZ ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau. Als Krankenhaus der Maximalversorgung deckt es das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. Das Universitätsklinikum vereint 20 Kliniken und Polikliniken, vier Institute und zehn interdisziplinäre Zentren, die eng mit den klinischen und theoretischen Instituten der Medizinischen Fakultät zusammenarbeiten.
Mit 1.295 Betten und 160 Plätzen für die tagesklinische Behandlung von Patienten ist das Dresdner Uniklinikum das größte Krankenhaus der Stadt und zugleich das einzige Krankenhaus der Maximalversorgung in Ostsachsen. Rund 860 Ärzte decken das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. 1.860 Schwestern und Pfleger kümmern sich um das Wohl der Patienten. Wichtige Behandlungsschwerpunkte des Uniklinikums sind die Versorgung von Patienten, die an Krebs, an Stoffwechsel- und an neurodegenerativen Erkrankungen.
Deutschlands größter Krankenhausvergleich des Nachrichtenmagazins „Focus“ bescheinigt dem Universitätsklinikum Carl Gustav Dresden eine hervorragende Behandlungsqualität. Die Dresdner Hochschulmedizin belegt deshalb Platz zwei im deutschlandweiten Ranking.
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
Die Hochschulmedizin Dresden, bestehend aus der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und dem gleichnamigen Universitätsklinikum, hat sich in der Forschung auf die Bereiche Onkologie, metabolische sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Bei diesen Schwerpunkten sind übergreifend die Themenkomplexe Degeneration und Regeneration, Imaging und Technologieentwicklung, Immunologie und Inflammation sowie Prävention und Versorgungsforschung von besonderem Interesse. Internationaler Austausch ist Voraussetzung für Spitzenforschung – die Hochschulmedizin Dresden lebt diesen Gedanken mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 73 Nationen sowie zahlreichen Kooperationen mit Forschern und Teams in aller Welt.
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.
Originalpublikation:
Röhnert, M.A., Kramer, M., Schadt, J. et al. Reproducible measurable residual disease detection by multiparametric flow cytometry in acute myeloid leukemia. Leukemia 36, 2208–2217 (2022). https://doi.org/10.1038/s41375-022-01647-5
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